Gladbach trifft auf Dortmund:Jenseits von Marco Reus

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Für das Spiel gegen Tabellenführer Dortmund fällt ausgerechnet Marco Reus aus. Die Gladbacher müssen jetzt beweisen, dass sie mehr als eine Ein-Mann-Show sind. Immerhin hat Trainer Lucien Favre in den vergangenen Monaten auch aus schüchternen Burschen in der zweiten Reihe zuverlässige Spieler geformt.

Ulrich Hartmann

Ganz Gladbach feiert einen Dortmunder. Vor 22 Jahren wurde Marco Reus in Dortmund geboren, aber in der A-Jugend verlor die örtliche Borussia das Interesse an dem schmächtigen Kerl und ließ ihn zum Provinzklub Ahlen ziehen. Heute ist Reus einer der besten Spieler der Bundesliga und hat Borussia Mönchengladbach in die Ligaspitze geführt. "Er ist ein Uitblinke", sagt Max Eberl.

Einer von vielen: Marco Reus (Zweiter von links) jubelt mit Dante, Marc-Andre ter Stegen und Roman Neustädter (von links). (Foto: dapd)

Dass Gladbachs Sportdirektor eine niederländische Vokabel für einen hervorblinkenden Topspieler benutzt, kann nur damit zu tun haben, dass "Reus" Niederländisch ist und "Riese" bedeutet.

Doch der Riese leidet. Reus hat sich den kleinen Zeh im linken Fuß gebrochen und wird im Spitzenspiel gegen seinen Heimatklub Borussia Dortmund am Samstag nicht mitmachen können. Die Gladbacher müssen ausgerechnet im Topspiel beweisen, dass sie mehr sind als eine Ein-Mann-Show, dass die anderen Spieler für den Aufschwung genauso mitverantwortlich sind und dass Eberl es ernst meint, wenn er sagt: "Marco Reus ist ein herausragender Spieler, aber er profitiert davon, dass er mit Juan Arango, mit Mike Hanke oder mit Roman Neustädter Mitspieler hat, die ihn immer wieder in Situationen bringen, aus denen heraus er eins-gegen-eins auf den Gegner laufen kann." Auch ohne Reus bleibe "die Struktur der Mannschaft bestehen - das ist die Basis unseres Erfolgs".

Der Trainer Lucien Favre hat binnen neun Monaten nicht nur den drei auffälligsten Spielern Marco Reus, Marc-André ter Stegen im Tor oder Dante in der Abwehr zur Topform verholfen, sondern aus schüchternen Burschen in der zweiten Reihe auch zuverlässige Spieler geformt.

"Er hat ein Puzzle zusammengesetzt mit Fußballern, die ihr Potenzial momentan sehr stark entwickeln", sagt Eberl. Favre hat es mit seiner pedantischen Trainings- und Taktikarbeit geschafft, scheinbar mediokre Spieler für sein System zu instrumentalisieren. Deshalb existiert Borussia Mönchengladbach momentan auch jenseits von Reus.

Die Offensivspieler Arango und Hanke, der Torwart ter Stegen, der Innenverteidiger Dante oder der defensive Mittelfeldmann Havard Nordtveit - man darf aus Reus' Gefolgschaft nicht nur dieses Quintett herauspicken, weil die Elf momentan kollektiv im Formhoch agiert. So ist markant, dass sich auch die jungen Deutschen Patrick Herrmann, 20, Tony Jantschke, 21, und Roman Neustädter, 23, nahtlos ins ansehnliche Gesamtbild integrieren.

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BoREUSsia Mönchengladbach, so kalauerte unlängst eine Zeitung, nachdem Reus mal wieder mehrfach getroffen hatte. "Das gefällt mir überhaupt nicht", sagt Eberl, "in der Mannschaft wissen alle sehr genau, dass die anderen Spieler genauso wichtig sind."

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Patrick Herrmann, 20, kam 2008 vom 1. FC Saarbrücken ins Leistungszentrum der Borussia, nachdem er sich nach eigener Aussage "auch die Fußballinternate von Bayern, dem HSV, Stuttgart, Hertha und Freiburg" angeschaut hatte. Er hat die Chance, die ihm die Verletzung Igor de Camargos vor wenigen Wochen öffnete, besonders gut genutzt. Der U21-Nationalspieler spielt auf dem rechten Flügel und erobert mit seiner Schnelligkeit wegweisende Meter. Er arbeitet brav nach hinten und wird immer torgefährlicher.

Tony Jantschke, 21, kam 2006 vom FV Dresden-Nord. 2008 warf der Trainer Hans Meyer den 18-Jährigen ins kalte Wasser, doch weder unter Meyer noch unter dessen Nachfolger Michael Frontzeck etablierte sich Jantschke nachhaltig, zumal ein Mittelfußbruch für ein halbes Jahr alle Hoffnungen beendete. Anfang 2011 bildete sich unter Favre die Mannschaft des derzeitigen Erfolgs. Der U21-Nationalspieler Jantschke spielt darin als beflissener Rechtsverteidiger neuerdings lieber kurze und sichere als lange und gewagte Bälle und zeigt sich trotz seiner nur 1,77 Meter Größe als ernst zu nehmender Kopfballduellant.

Schließlich Roman Neustädter, 23, 2009 aus Mainz gekommen. Der Sohn des früheren Profis Peter Neustädter sollte vom Sommer 2010 an Gladbachs defensives Mittelfeldproblem lösen, wirkte anfangs aber ähnlich überfordert wie Michael Bradley und Thorben Marx; er reüssiert erst seit dem Frühjahr unter Favre. Nur noch selten läuft er verloren durch die Gegend, er passt den Ball schneller und effektiver, dürfte laut Sportchef Eberl "aber ruhig noch torgefährlicher werden" (40 Bundesligaspiele, ein Tor).

"Wir haben uns zuletzt viel Selbstbewusstsein erspielt, bei uns stimmt die Mischung aus Lockerheit und Anspannung", sagt Neustädter vor dem Spiel gegen Dortmund. "Ich habe noch nie in einer so starken Mannschaft gespielt, in der alle so gut aufeinander eingestellt sind", sagt Hanke. "Wir kümmern uns umeinander", sagt Dante. Klingt, als wäre Marco Reus zwischendurch wirklich mal verzichtbar.

© SZ vom 03.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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