Klaus Gjasula:"Manchmal nennen sie mich Spartacus"

SC Paderborn 07 - FC Bayern München

Gut geschützt gegen Ball und Gegner: Paderborns Bundesliga-Spieler Klaus Gjasula lässt die Kugel nicht aus den Augen.

(Foto: Friso Gentsch/picture alliance/dpa)

Paderborns Klaus Gjasula trägt seit Jahren einen Kopfschutz. Im Interview spricht er über befreitere Kopfballduelle und warum er glaubt, dass er wegen des Helms mehr gelbe Karten sieht.

Interview von Ulrich Hartmann

Als Klaus Gjasula 2016 für die Stuttgarter Kickers in der dritten Liga spielte, sagte er mal: "Die Bundesliga kann ich für mich ausschließen, dafür bin ich nicht gut genug." An diesem Freitag bestreitet der 30 Jahre alte Mittelfeldspieler des SC Paderborn beim FC Bayern München sein 21. Bundesligaspiel. Zweimal schon war er in dieser Saison gelbgesperrt. Mit zehn gelben Karten in den ersten 18 Saisonspielen hat er einen Bundesliga-Rekord eingestellt. Er hegt die Vermutung, dass sein markantes Äußeres daran nicht ganz unschuldig ist: Seit sechs Jahren trägt Gjasula in jedem Spiel einen Kopfschutz.

SZ: Herr Gjasula, warum tragen Sie diesen Kopfschutz?

Klaus Gjasula: 2013 habe ich bei Kickers Offenbach in der Regionalliga gespielt, da hat mir gegen Hessen Kassel so ein Zwei-Meter-Stürmer im Kopfballduell mit seinem Schädel den rechten Jochbogen gebrochen. Der Jochbogen liegt zwischen Kiefer und Schläfe, etwas weiter außen als das Jochbein. Deshalb brauchte ich damals einen Helm, der extra für mich angefertigt wurde. In der darauffolgenden Saison habe ich den Helm abgelegt, aber gleich im ersten Spiel vom eigenen Torwart mit den Fäusten einen Schlag auf dieselbe Stelle bekommen. Seitdem trage ich den Helm. Für meinen Kopf und für mein Gefühl.

Woraus besteht der Helm?

Aus Carbon. Er wurde zuerst nicht zugelassen, weil er zu hart war und zu gefährlich für die Gegenspieler. Aber dann wurde Schaumstoff darüber gezogen, und jetzt ist es bei einem Zusammenprall für die Gegenspieler sogar etwas angenehmer, als wenn Kopf auf Kopf prallen würde.

Wie viele Helme haben Sie?

Nur den einen.

Und wenn der mal kaputt geht?

Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich habe ihn aber einmal daheim vergessen, bei einem Testspiel. Das war ein komisches Gefühl. Da fehlt dann was, und man spielt automatisch vorsichtiger.

Tragen Sie ihn auch im Training?

Nein, da findet das meiste am Boden statt und nicht in der Luft. Da ist es auch einfacher, sich nicht so viele Gedanken zu machen.

Behindert Sie der Helm nicht?

Nach rechts ist mein Blickwinkel ein bisschen eingeschränkt, weil dort ein Stück vom Helm extra den Jochbogen schützt. Dadurch bin ich vielleicht manchmal einen Tick langsamer in meiner Reaktion, aber daran habe ich mich gewöhnt. Was definitiv schwieriger ist: mit dem Helm platziert zu köpfen.

Dann aber noch mal Glückwunsch zu Ihrem Kopfballtor neulich auf Schalke zum 1:1-Unentschieden.

Der Helm hilft mir beim Köpfen natürlich insofern, als ich befreiter in ein Kopfballduell gehen kann.

Zum Torjubel nehmen Sie den Helm aber ab - für die Fotografen?

Nein, ich nehme den Helm ab und salutiere vor unseren Fans, das ist ein kleines Ritual.

Haben Sie einen Namen für den Helm?

Nein. Ist ja kein Haustier.

Machen Gegenspieler Sprüche?

Mittlerweile nicht mehr. In den unteren Ligen hatte man sich mit Gegenspielern schon mal eher in den Haaren, und dann kam der eine oder andere Spruch. Mit so was muss man rechnen.

Und die Mannschaftskollegen?

Manchmal nennen sie mich Gladiator oder Spartacus. Das nehme ich als Kompliment.

Vor einem Jahr gab es die Schlagzeile: "Gjasula plädiert für Helmpflicht im Fußball." Haben Sie das wirklich so gesagt?

Nein. Es gibt Spieler, die scheinen für Kopfverletzungen anfälliger zu sein, da fallen mir Christoph Kramer von Mönchengladbach oder die Bender-Zwillinge in Leverkusen ein. Ich glaube halt, dass es für gewisse Spieler aus gesundheitlichen Gründen Sinn machen könnte, einen Helm zu tragen, damit es keine Nachwirkungen gibt nach der Karriere. Für eine Helmpflicht war ich nie.

Mit zehn gelben Karten führen Sie momentan die Kartenstatistik in der Bundesliga an. Zehn gelbe Karten in den ersten 18 Spielen sind sogar Rekord.

Das mit den gelben Karten verfolgt mich leider ein bisschen, komischerweise, seit ich den Helm trage. Ich habe das Gefühl, dass ein Foul von mir durch den Helm intensiver wirkt ...

... martialischer?

Kann schon sein. Wenn man regelmäßig gelbe Karten sieht, glaube ich, hat man auch einen Ruf weg, bei mir nach dem Motto: Das ist der mit dem Helm!

Wird man mit Helm womöglich unvorsichtiger, weil man ja geschützt ist?

Gute Frage. Kann ich aber nicht beantworten. Ich war immer schon eher der energische Typ, das hat sich für mich ohne Helm auch nicht anders angefühlt.

Sie brauchen nur noch sechs gelbe Karten, um den bislang gültigen Bundesliga-Saisonrekord einzustellen.

Wirklich? Und ich hab' mich schon gefreut, dass ich in den letzten beiden Spielen keine bekommen habe.

Wussten Sie nicht, dass Tomasz Hajto und Stefan Effenberg in den Neunzigerjahren mit jeweils 16 gelben Karten binnen einer Saison Rekordhalter wurden?

Nein, das habe ich tatsächlich nicht gewusst. Aber mir geht es auch nicht um den Eintrag in die Geschichtsbücher. Jeder hat seinen Stil zu spielen, und ich bin jetzt auch schon 30 und keine 18 mehr.

Dabei sind Sie doch sicher stolz, überhaupt in der Bundesliga zu spielen, nachdem Sie das vor vier Jahren im Grunde kategorisch ausgeschlossen hatten.

Da bin ich wirklich stolz drauf. Ich komme sozusagen von ganz unten. Damals war ich schon 26 und habe dritte Liga gespielt. Die Bundesliga hätte ich niemals für möglich gehalten. Diese Geschichte sollte allen zeigen, dass es sich lohnt, nie aufzugeben.

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