Gerhard Poschner beim TSV 1860:Ein ambitionierter Riese schläft nicht

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Vorgestellt in einem erstklassigen Restaurant: Gerhard Poschner (rechts) neben Gerhard Mayrhofer (Foto: dpa)

Alle Wichtigen beim TSV 1860 München sind geschasst, nun steht der Aufbruch in eine neue Epoche an: Der Zweitligist stellt Gerhard Poschner als neuen Sport-Geschäftsführer vor. Der muss nun einen geeigneten Trainer finden.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Der TSV 1860 hatte nicht in seinen Pressecontainer geladen, sondern ein erstklassiges Restaurant am Stachus gewählt, mit einem gewaltigen Konferenzsaal im Renaissance-Stil. Es stand ja auch nicht weniger auf dem Programm als das, was den Aufbruch in eine neue Epoche bedeuten soll.

Nachdem das Präsidium um Gerhard Mayrhofer alle Menschen geschasst hatte, die eine wichtige Funktion bekleidet hatten, wurde nun der Mann präsentiert, mit dem mal wieder alles anders werden soll: Gerhard Poschner, 44, der neue Sport-Geschäftsführer. Mit ihm wollen die Löwen nun "Kontinuität schaffen", wie Mayrhofer betonte, was ungewöhnlich genug wäre bei 1860; über die Vertragslaufzeit mochte er keine Angaben machen.

Dass es so viele Wochen gedauert hatte, bis der Nachfolger von Florian Hinterberger gefunden war, sei "ein Ausdruck der neuen Kultur des Miteinanders", sagte Mayrhofer. Der jordanische Investor Hasan Ismaik und seine Vertreter werden ja neuerdings in alle Entscheidungsprozesse eingebunden; dass Ismaiks Cousin und Münchner Statthalter Noor Basha auf dem Podium saß und die "Familienatmosphäre" lobte, die immer "sein Ziel" gewesen sei, war da selbstverständlich. Poschners erste Dienstreise hatte dementsprechend auch nach Abu Dhabi zu Ismaik geführt.

Neuer Sportdirektor für 1860 München
:Poschner macht es

Der "verrückte Verein" hat einen Sport-Geschäftsführer gefunden, der zu ihm passt: 1860 München und sein ehemaliger Spieler Gerhard Poschner haben sich auf ein Engagement geeinigt. Noch in dieser Woche soll er sein Amt antreten.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

"Es war mir sehr wichtig, diesen Besuch anzutreten", sagte er, "ich bin sehr positiv angetan und optimistisch zurückgekommen." Poschner, 2004 ein halbes Jahr lang als Spieler bei Sechzig, weiß, dass er für aufstiegstaugliche Kaderplanung auf das Wohlwollen des Mehrheitseigners angewiesen ist: "Wir müssen jetzt den ersten Schritt machen, indem wir seriöse und gute Arbeit machen und kommunikativ sind."

In Abu Dhabi, wo er mit dem Jordanier Ismaik "über Gott und die Welt" redete, sei "ein Stück weit Emotion entstanden", die es nun zu bewahren gelte. Das klang so, als habe er bei dem Besuch gleich gespürt, dass bei Ismaik längst ein Stück weit Emotion für Sechzig abhanden gekommen ist.

Spieler zu finden, die Sechzig weiterhelfen können, dürfte für Poschner eine lösbare Aufgabe sein. Nach seinem Job als Generaldirektor bei Real Saragossa (2009/10) arbeitete er zuletzt als externer Berater zahlreicher Klubs. Was er da genau machte, mochte Poschner bewusst nicht verraten: "Das ist ja der Sinn und Zweck, dass kaum einer weiß, was ich genau gemacht habe." Er habe verschiedene Vereine bei der Kaderzusammenstellung beraten und sich an Spielertransfers beteiligt. "Aber ausschließlich internationale", sagte Poschner, der bekanntlich mehrere Sprachen spricht (Englisch, Spanisch, ein bisschen Italienisch, tatsächlich Bayrisch, Schwäbisch eher schlecht).

Den Einwurf, er sei da ja wohl zu einem schlafenden Riesen gekommen, mochte Poschner nicht stehen lassen. "Ich mag diese Bezeichnung nicht", sagte er, "streicht das schlafen". Der Verein sei ein "ambitionierter Riese". Eine entsprechend ambitionierte Suche nach einem neuen Trainer erwarten nun auch die Anhänger (Friedhelm Funkel war zu einem Zeitpunkt entlassen worden, als Poschner nach SZ-Informationen schon längst in regelmäßigem Austausch mit dem Präsidium stand). Poschner umriss also schon mal das Profil des Nachfolgers: "persönliche Qualität, wir möchten ja für gewisse Werte stehen; hohe Kommunikationsfähigkeit, vor allem intern; und er muss frischen, offensiven, unterhaltsamen, emotionalen Fußball spielen lassen".

Dass all dies auf den bis Saisonende zum Chef aufgerückten bisherigen Assistenzcoach Markus von Ahlen zutrifft, mochte Poschner schon aus Fairnessgründen nicht ausschließen; gleichwohl werde er sich jetzt "nicht fünf Wochen alles anschauen und nichts tun", sondern "parallel Gespräche führen und den Kandidatenkreis einengen". Er sei sogar "offen für Vorschläge", sagte er an das Publikum gewandt. Als ein Anwärter gilt Thomas Schneider, 41, der einst mit Poschner beim VfB Stuttgart spielte und dort als Trainer zuletzt jenen frischen (wenngleich kaum erfolgreichen) Fußball spielen ließ - bis zu seiner Entlassung. Er wohnt in Straubing bei München.

Seit Wochen polarisiert aber vor allem der ehemalige Nationalspieler Lothar Matthäus Sechzigs Anhängerschaft, die einen lehnen ihn ab, weil er ewig für den FC Bayern spielte. Die anderen würden ihm gerne eine Chance geben, nach dem Motto: Was haben wir denn noch zu verlieren? Da passte es ganz gut ins Bild, dass nun in München permanent ein Foto abgedruckt wurde: Matthäus, wie er 2012 neben Poschner sitzt und einen Boxkampf schaut. Bringt Poschner gleich Matthäus mit? Das fragten sich besorgte und euphorisierte Menschen zugleich.

Doch nicht Poschner saß neben Matthäus, sondern dessen Berater Wim Vogel, der sehr ähnlich aussieht und falsch beschriftet worden war. "Ich kenne keinen Wim Vogel", sagte Poschner nun, was darauf hindeuten könnte, dass er sich nicht näher mit Matthäus befasst hatte, "ich kenne nur einen Tim Vogel". Ein Tim Vogel, 20 Jahre jung, ist im Juli von Eintracht Groß Grönau zum FC Schönberg 95 gewechselt. Ob Poschner ihn meinte?

© SZ vom 12.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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