Garcia-Report der Fifa:Beckenbauer fürs Publikum, Radmann fürs Grobe

Lesezeit: 3 min

Welche Geheimnisse birgt die Vergabe der WM 2006 nach Deutschland (hier lächeln v.l.: Fifa-Boss Sepp Blatter, WM-Chef Franz Beckenbauer und dessen Helfer Fedor Radmann)? Der DFB nimmt sich der Frage noch mal an. (Foto: Walter Bieri/dpa)
  • Im Garcia-Report des Fußball-Weltverbands Fifa geht es auch um die Verwicklungen von Franz Beckenbauer und Fedor Radmann in die WM-Vergaben 2018 und 2022.
  • Strafbehörden wollen jetzt herausfinden, wie eng das Duo geschäftlich zusammenarbeitete.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Michael Garcia versuchte es irgendwann mit einem Mix aus Charme und Appell. Jemand mit einem solchen Ansehen und Bekanntheitsgrad im Fußball, lockte er, müsse doch "ein Beispiel der Kooperation setzen in dieser für die Zukunft des Fußballs so wichtigen Angelegenheit". Doch auch diese im Mai 2014 geäußerte Bitte fruchtete nicht. Der Empfänger blieb weit weniger kooperationswillig, als es sich der Chefermittler des Weltverbands damals wünschte.

Der Empfänger war: Franz Beckenbauer. Deutschlands einstiger Fußball-Kaiser und sein ewiger Intimus Fedor Radmann sind schon in der Sommermärchen-Affäre 2006 zentrale Figuren, eine wichtige Rolle spielt das Duo nun auch im Garcia-Report zur umstrittenen WM-Vergabe 2018/2022. Nach zweieinhalb Jahren hat ihn die Fifa endlich publiziert. Zusammengefasst sind die Erkenntnisse nicht wirklich neu, zeigen aber: Katar beeinflusste nach allen Möglichkeiten und mit mysteriösen finanziellen Zuwendungen die Wahl für 2022. Bei 2018-Gewinner Russland finden sich wenige Vorwürfe, was auch daran liegt, dass Akten und Dateien des Bewerberkomitees frühzeitig vernichtet wurden. Zudem rügt der Report das fragwürdige Verhalten einiger Funktionäre - sehr ausführlich etwa das von Beckenbauer und Radmann.

Deren enges Verhältnis, so heißt es bei Garcia bilanzierend, sei eine Gefahr für die "Integrität des Bewerbungsprozesses" gewesen. Beckenbauer war damals Wahlmann im Fifa-Vorstand und Radmann Berater des 2022-Kandidaten Australien, wobei seine Tätigkeit auf eine klandestine Weise in einem Beratervertrag des Bewerbers mit seinem Geschäftspartner Andreas Abold versteckt wurde. Doch zugleich stand der Australien-Berater Radmann weiterhin im engen, beratenden Austausch mit Wahlmann Beckenbauer - und mit konzertierten Kräften des Bewerberteams wurde versucht, diese Verbindung vor der Öffentlichkeit zu kaschieren.

"Es ist schon sehr bedrückend"

Beckenbauer erhielt 2014 wegen mangelnder Kooperation bei Garcias Ermittlungen einen provisorischen Bann, später eine Verwarnung. Seitenlang listet Garcia in dem Report auf, wie sich der Deutsche mit teils skurrilen Argumenten um eine Aussage wand. Radmann sagte den Ethikern überhaupt nichts. Garcia empfiehlt deshalb, ihn oder ihm verbundene Firmen erst wieder für WM-Entscheide zuzulassen, wenn Radmann "bei dieser Untersuchung kooperiert hat".

"Es ist schon sehr bedrückend, was vor allem über die Rolle des früheren WM-OK-Mitglieds Fedor Radmann im Garcia-Report zu lesen ist", sagte DFB-Chef Reinhard Grindel. Von den Anwälten der Beteiligten gab es zunächst kein Statement.

Beckenbauer und Radmann. Die jahrzehntelang andauernde Liaison dieses Duos zählt zum Basiswissen der Branche: Beckenbauer war der Mann fürs Publikum, Radmann der Macher im Hintergrund, der Mann fürs Grobe. "Fedor", hat Beckenbauer einmal in einem SZ-Interview gesagt, "war immer dabei."

DFB-Affäre
:Eine Millionen Dollar, zahlbar einen Tag nach der Abstimmung

Ein neu aufgetauchter Vertrag zwischen dem Kirch-Konzern und dem Libanesen Elias Zaccour erhärtet den Verdacht, dass die WM 2006 in Deutschland gekauft wurde.

Von Thomas Kistner und Johannes Aumüller

Wobei er immer dabei war, das interessiert auch Strafbehörden. Seit der Enthüllung der Sommermärchen-Affäre, parallel zu den Wühlarbeiten der hier federführenden amerikanischen Justiz in den Korruptionssümpfen um die Fifa, rückt das Rätsel in den Brennpunkt, wie eng das deutsche Duo geschäftlich zusammenhing. Die Schweizer Bundesanwaltschaft geht der Frage nach, warum in Beckenbauers Zeit als Fifa-Vorstand 5,4 Millionen Franken, deklariert als Löhne und Zulagen, vom Weltverband erst an Radmann flossen, der dann die Hälfte an Beckenbauer weiterleitete. Als die beiden vor Kurzem in Bern zur Einvernahme weilten, ging es um einen Scheck über 5,4 Millionen Euro, den Radmann vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus erhielt - und von dem er ebenfalls die Hälfte an Beckenbauer weiterleitete. Radmann soll bei der Befragung sinngemäß gesagt haben, es sei um Rechtefragen gegangen und Beckenbauers Anteil sei "aus Dankbarkeit" erfolgt.

Bei Garcias Befragung Anno 2014 sagte Beckenbauer aus, es habe im Bewerbungsprozess zwischen 2006 und 2011 keine Geschäftsbeziehung zu Radmann oder Abold gegeben. Allerdings liegen der SZ Einträge im Handelsregister vor, nach denen die drei im Jahr 2013 gemeinsam eine Firma gründeten. Zweck unter anderem: "Beratung, Vermittlung, das Marketing und Sponsoring im Bereich Sport". Bei Beckenbauers Aussage 2014 hätte es der Transparenz gewiss nicht geschadet, auf diese später eingetretene Faktenlage hinzuweisen.

Konkrete Geschäftsbeziehungen für den Bewerbungszeitraum aber konnten die zunehmend misstrauischen Ermittler nicht nachweisen. Das offenbart exemplarisch das Kernproblem von Garcias Arbeit: Als Ethik-Fahnder hatte er keine Zugriffsmöglichkeiten auf Beweise, etwa auf Computer-, Telefon- oder Bankdaten. Er hing allein vom guten Willen derjenigen ab, die er untersuchte. Den Fragen, die er aufwarf, konnte er nicht weiter nachgehen.

So bleibt im Report vor allem der gallige Hinweis, wie das australische Bewerbungsteam mit der heiklen Konstruktion umging und sie offenkundig im Verborgenen halten wollte. Radmanns Vertrag in den mit Abold einzustellen; E-Mails an Radmann nur per Blindkopie zu senden; die Verwendung von Initialen sowie Warnungen, dass "alles gefährdet sei, wenn Radmann mit Australien identifiziert werden könne" - all das weise darauf hin, dass "Radmanns enge Verbindung zu Beckenbauer verborgen" werden musste.

Garcias Arbeit endete hier. Die Ermittlungsbehörden erhielten sein Dossier Ende 2014. Ihre Arbeit läuft auf Hochtouren.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

WM-Affäre
:Geheimnisvolles Abkommen zwischen dem DFB und Katars Fußballverband

Die Kernfrage der Sommermärchen-Affäre ist: Warum flossen 6,7 Millionen Euro aus Deutschland auf ein Konto in Katar? Ein Dokument deutet auf ein dubioses Gegengeschäft hin.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: