Manchmal, es passiert eher selten, entstehen Paparazzi-Bilder von Pep Guardiola. Sie zeigen ihn dann mit seiner Frau und den drei Kindern beim Bummel durch SoHo oder das East Village seines aktuellen Lebensmittelpunkts New York. Auch bei den US Open im September und beim Ryder Cup Anfang Oktober mischte er sich nicht ganz unerkannt unters Volk. Man sah aus der Ferne, dass er oben weiterhin Kurzhaar trägt und im Gesicht den ebenso typischen Vier-Tage-Bart. Und man glaubte ihm anzusehen, dass es ihm wohl ganz gut geht in seinem Sabbatical.
Doch genau weiß das kaum jemand, er taucht ja sonst nirgends auf, schon gar nicht als Gesprächspartner. Josep "Pep" Guardiola lebt derzeit ein anderes Leben drüben in den Staaten, und doch schwebt er gewissermaßen als stummer Geist über dem europäischen Fußball, als begehrtester Trainer überhaupt und Gegenstand vieler Spekulationen: Wann kehrt er zurück aus dem Exil nach Europa? Und wohin?
Nach Paris, Manchester, London - oder gar nach München?
Ende April hatte Guardiola, 41, seinen Rücktritt zum Saisonende beim FC Barcelona erklärt. Drei Tage nach dem aberwitzigen K.o. im Champions-League-Halbfinale gegen Chelseas Betonmeister begründete er seine Entscheidung mit der körperlichen Belastung bei Barça, wo er in vier Dienstjahren fast alles gewann: insgesamt 14 Titel und die Sympathien der Welt wegen eines Spielstils, der nicht nur Fußball war, sondern bisweilen Kunst. Im Januar oder Februar will er sich erklären, ob er noch ein Jahr Ferien dranhängt (was niemand glaubt) oder wo er, dieser Intellektuelle des Fußballs, frisch beginnt.
Am Wochenende haben britische Medien geraunt, Guardiola tendiere zurzeit zum FC Bayern, dessen Interesse und erste Sondierungen im Umfeld des Katalanen schon seit Juni bekannt sind. Wie im Sommer haben die Münchner keine empörten Dementis losgeschickt, wie sie es bei gänzlich erfundenen Geschichten gerne tun.
Vor dem Fest werde man "die Personaldiskussion nicht eröffnen", sagte jetzt Präsident Uli Hoeneß, "wir wollen mit Ruhe in die Weihnachtstage einziehen". Seine Bayern spielen gerade die beste Halbserie seit Ewigkeiten und haben in Jupp Heynckes einen 67-jährigen Trainer, der zwar zum Abschied zum Saisonende neigt - mit dem sie sich aber genau darüber erst noch unterhalten wollen zu Beginn des neuen Jahres.
Dass der Spanien-Kenner Heynckes in den Ruhestand träte, würde das etwas geben mit Guardiola, das weiß nicht nur sein Freund Hoeneß. Die Frage ist: Was will Guardiola? Sein Agent José Maria Orobitg kann dazu leider nichts verkünden, wie er betont: "Über Pep Guardiolas Pläne werden wir erst nächstes Jahr etwas sagen können", erklärt er am Dienstag.
Dass München eine Option ist, ist unbestritten, wiewohl Hoeneß sagt, ein Bayern-Coach müsse die Sprache schon beherrschen: "Ohne Deutsch-Kenntnisse kann ich mir das nicht vorstellen." Daran würde es aber wohl bei Guardiola kaum scheitern, er liest gern und nutzt in New York das Bildungs- und Kulturangebot.
Auch wird ihm nachgesagt, er schätze das gewachsene Jugendprogramm der Bayern, es ähnele dem Weg von Barça. In der Branche herrscht allerdings der Eindruck vor, das erneut lancierte Interesse Guardiolas am bayerischen Familienbetrieb von Weltrang könnte dazu dienen, den Druck auf andere Mitbewerber zu erhöhen: auf Paris Saint-Germain, den FC Chelsea oder Manchester City. Denn dort sind die Personalien, zumindest offiziell, noch ungeklärt.
Auch bei diesem Trio steht jeweils der Abschied des Trainers im Raum. Beim neureichen PSG ist Carlo Ancelotti zwar auch im zweiten Jahr nicht Tabellenführer Frankreichs, der Aufstieg ins Achtelfinale der Königsklasse dürfte dem Italiener aber zumindest den Job bis Saisonende sichern - bis Guardiola übernähme oder dessen früherer Gegenspieler von Real Madrid, der ebenfalls umworbene José Mourinho.
Zu den Pariser Geldgebern aus Katar besitzt Guardiola ein gutes Verhältnis: Er diente der erfolgreichen WM-Bewerbung für 2022 als Botschafter. Das ebenfalls mit vielen arabischen Millionen alimentierte ManCity dürfte Coach Roberto Mancini nach dem K.o. in Europa ebenfalls bald verabschieden. Englands Meister glaubt, Guardiola mit zwei Personalien für sich gewinnen zu können: Geschäftsführer Ferran Soriano und Sportdirektor Txiki Begiristain arbeiteten lange für Barça und zählten dort zu Guardiolas Vertrauensleuten.
Der FC Chelsea wiederum hat allein den verschwenderischen Reichtum des Eigners Roman Abramowitsch zu bieten. Schon zweimal warb der Oligarch um ihn: Diesen Sommer und kürzlich, nach der Entlassung von Trainer Roberto Di Matteo. Doch Arbramowitsch' Offerte von 18,5 Millionen Euro pro Jahr zog bei Guardiola nicht.
Geld braucht er kaum, das ist vielleicht auch eine Chance der Bayern. Zurzeit wohnt Guardiola für 31.000 Dollar Monatsmiete in einem Appartement des exquisiten Ardsley-Hochhauses am Central Park. Er macht weiter frei, besucht Galerien und Museen; er ging schon mit Woody Allen essen und auch mit Manchester Uniteds Trainer Alex Ferguson, als der das US-Open-Finale mit seinem Landsmann Andy Murray besuchte. Ferguson hat den Vertrag bis 2014 bei ManU, aber man weiß ja nie. Der Geist Guardiola wird demnächst wohl doch mal auftauchen müssen. Und sich erklären.