Fußball-Weltverband:Perfekte Fifa-Farce

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Sepp Blatter (rechts) und Franz Beckenbauer. (Foto: dpa)

Der Streit über den Freispruch für Russland und Katar erhöht den Druck auf die Fifa, die Ermittlungen offenzulegen. Wichtige Informantinnen melden sich zu Wort - auch Franz Beckenbauer gerät erneut ins Visier der Ermittler.

Von Thomas Kistner, München

Der Schlussbericht der Fifa-Ethikkommission zu den von Korruptionsvorwürfen begleiteten WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) schlägt immer mehr Wellen. Erste Fehleranalysen zu dem am Donnerstag veröffentlichten Papier offenbaren erhebliche Defizite. Auch sehen sich zwei Whistleblower durch die Einschätzungen des Fifa-Ethikrichters Hans-Joachim Eckert verunglimpft; sie verweisen auf substantielle Aussagen, die sie bei Fifa-Chefermittler Michael Garcia machten.

Garcia hatte nach monatelanger Untersuchung einen 430-seitigen Bericht verfasst, den die Fifa und Eckert gegen seinen Willen unter Verschluss halten - und aus dem der deutsche Richter umstrittene Ergebnisse gezogen hat. Garcia sagt, Eckerts Darlegungen und Schlüsse seien "materiell unvollständig und fehlerhaft" in Hinblick auf seinen Ermittlungsbericht; er ficht den Schlussreport bei der Fifa-Berufungskommission an.

Umstrittener Korruptionsbericht
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Gefahr für die Fifa: Das FBI plant laut Medienberichten, die Ermittlungen wegen Korruptionsverdacht zu verstärken. Auch Politiker setzen den Fußball-Weltverband nun unter Druck. Unterdessen fällt der Name Franz Beckenbauer: Er soll erneut ins Visier der Fifa gerückt sein.

Zwar ist damit die Farce perfekt; gleichwohl bringt sich Eckert mit Aussagen noch stärker in Erklärungsnot. Im Bericht hat er verfügt, es sei jeder gravierende Verdacht ausgeräumt und "die Beurteilung des Bewerbungsverfahrens der WM 2018/22 abgeschlossen". Doch tags darauf sagte er der FAZ: "Wir haben momentan in der Untersuchung einen Zwischenstand." Das kann sich aber nicht auf die WM-Vergaben beziehen, sondern nur darauf, dass gegen Einzelpersonen weiter ermittelt wird. Unter diesen soll sich auch Franz Beckenbauer befinden, der im Report indirekt erwähnt ist. Garcia hatte ihn im Juni suspendiert und so zur Aussage über seine Kontakte zu Russland und Katar gezwungen.

Fifa-Wahlmann Beckenbauer war kurz nach den WM-Vergaben im Dezember 2010 Werbepartner der russischen Gasindustrie geworden. Und nach Katar war er bereits vor der Vergabe als Berater einer Hamburger Firma gereist. Kontakte zum Emir bestanden schon seit der deutschen WM-Bewerbung anno 2000. Beckenbauer bestreitet Katar-Reisen nicht, hat aber stets Korruptionsvorwürfe strikt zurückgewiesen.

Die im Ethikbericht vermerkten weiteren Ermittlungen gegen Individuen sind zumindest bereits in Teilen angelaufen. Im Bezug auf Beckenbauer habe man die Untersuchungen intensiviert, heißt es.

Garcia und Eckert, die Köpfe der Fifa-Selbstreform, wollen zwar angeblich das weitere Vorgehen besprechen. Doch eine funktionierende Ethikkommission dürfte es mit diesen beiden Chefs - Garcia sitzt der Kammer für Ermittlung vor, Eckert der für Rechtsprechung - kaum mehr geben. Richtig liegen in dem unter globaler Anteilnahme eskalierenden Streit kann ja nur einer: Eckert - oder Garcia. Die Indizien scheinen bisher für den früheren US-Bundesanwalt von New York zu sprechen. Oder hat Garcia in seiner von Herbst 2013 bis Juni 2014 währenden Untersuchung all die klaren Fakten und Hinweise ignoriert, die es zu jener WM-Doppelvergabe gibt?

Sie werden jetzt öffentlich hervorgeholt. Die Sunday Times präsentiert Belege dafür, dass der langjährige Fifa-Vizepräsident Mohamed Bin Hammam als Schlüsselfigur für sein Heimatland Katar agierte; was Experten nie bezweifelten. Das Blatt berichtet über "unsaubere Stimmtausch-Angebote" Bin Hammams und präsentiert einen Mailverkehr von dessen Angestellten, die den WM-Zuschlag den Manipulationskünsten ihres Chefs zurechnen. Sie befahlen einander die Löschung "aller sensiblen Daten", die den Katarer als WM-Drahtzieher belasten könnten.

Eckert indes wähnt Bin Hammam im Bericht "auf Distanz" zu Katars Bewerbung. Und er ordnete dessen nachgewiesenen Schmiergeldzahlungen, die teils schon vor der WM-Vergabe geflossen sind, kategorisch nur einem zweiten Ziel Bin Hammams zu: Der wollte ein halbes Jahr nach der WM-Vergabe Fifa-Präsident werden. Er flog aber mit einer Bestechungsorgie in der Karibik auf.

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Weitere Vorwürfe bringen auch Garcia in Not: Er soll eine Vernehmung der Strategiechefin von Englands Bewerbung, Clare Kenny Tipton, abgelehnt haben. Die hätte ihm gern erzählt, wie Bin Hammam und Katars Team versucht hätten, Wahlabsprachen mit England und der Doppelkandidatur von Spanien und Portugal zu treffen. Solche Pakte waren den Werbern ausdrücklich verboten. Jedoch verriet nach der Wahl sogar Blatter selbst, Katar habe ein Bündnis mit Spanien/Portugal gehabt. In Eckerts Papier finden letztere zwei Kandidaten nicht mal namentlich Erwähnung.

Zudem melden sich wichtige Informantinnen enttäuscht zu Wort. Phaedra Almajid, die einst für Katar warb, hatte schon 2011 konkrete Korruption angeprangert. Ihre Vorwürfe zog sie aber plötzlich mit einer eidesstattlichen Versicherung zurück - was schon damals bizarr wirkte. Nun war die Amerikanerin eine zentrale Zeugin Garcias, den sie mit Belegen für angebliches Fehlverhalten Katars gefüttert hat. Eckert indes zweifelt an Almajids Glaubwürdigkeit: Die habe schon einmal Vorwürfe gegen Fifa-Vorstände zurückgezogen.

Sah das auch Garcia so? Almajid hält dem Vorwurf nun das Geständnis dagegen, sie habe damals eine falsche Eidesversicherung abgegeben unter angeblichem Druck aus Doha - und liefert plausible Gründe: Es habe eine Schweigeklausel mit Arbeitgeber Katar gegeben, die sie mit ihrer damaligen Aussage verletzte. Katar habe sie dann mit Millionen-Schadensersatzdrohungen zu dem Widerruf gezwungen - sonst wäre sie als alleinerziehende Mutter zweier Kinder, eines davon behindert, ruiniert gewesen. Solche Erklärungen die Almajid nun in der britischen Mail on Sunday gab, lassen sich ja mühelos überprüfen - und klare Rückschlüsse auf die Seriosität der Zeugin zu.

Spätestens jetzt wird sich auch das FBI mit Almajid befassen, das seine seit 2011 laufenden Ermittlungen zu Fifa-Funktionären intensiviert. Und Almajids wird ihre Vorwürfe Ende Januar bei einem Termin in Brüssel mit dem EU-Parlament vertiefen. Dies bestätigte der britische Abgeordnete Damian Collins gestern auf SZ-Anfrage.

Auch Bonita Mersiades wird diesen Termin wahrnehmen. Die Ex-Mitarbeiterin der australischen Bewerber will Garcia erklärt haben, wie "Fußball-Entwicklungshilfe" als Tarnbegriff genutzt werde für Finanzhilfen, die dann an Projekte von Fifa-Wahlleuten gehen - ein im Sport altbekannter Sachverhalt. Eckerts Papier sieht zwar "Hinweise auf problematisches Verhalten" der Australier, die aber nicht die Integrität der Bewerbung verletzt hätten.

Auf die Fifa wächst der Druck, Garcias Report in anonymisierter Form zu publizieren. So, wie es international fast geschlossen gefordert wird. Sollte er dann im Kern nichts Gravierenderes beinhalten als das, was Eckert daraus destilliert hat, wäre Garcia der Blamierte: wegen einer Millionen Dollar teuren Untersuchung ohne Substanz. Sollte Eckert aber erhebliche Ermittlungsresultate ignoriert haben, rückt er in den Fokus. Zumal sein Bericht auch ein Lob auf Blatters Reformeifer enthält, die nur schon gemessen an der bekannten Funktionärsvita des Fifa-Chefs reichlich absurd wirkt. Eine Belobigung des Auftraggebers, die in einem richterlichen Abschlusspapier eher nichts zu suchen hat.

© SZ vom 17.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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