Fußball:Weltmeister geschockt und müde - Durchatmen im Flieger

Paris (dpa) - Als die eilig herbeigerufene Sondermaschine endlich mit vollem Schub in den Morgenhimmel von Paris abhob, fielen die Fußball-Weltmeister in ihren Sitzen in einen tiefen Schlaf.

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Paris (dpa) - Als die eilig herbeigerufene Sondermaschine endlich mit vollem Schub in den Morgenhimmel von Paris abhob, fielen die Fußball-Weltmeister in ihren Sitzen in einen tiefen Schlaf.

Fast zehn Stunden bislang nicht gekannter Sorge und eine bange Nacht in den Katakomben des Stade de France hatte die Nationalspieler unglaublich müde gemacht. Erst bei der Landung eine knappe Stunde später in Frankfurt fiel die Anspannung bei Lukas Podolski und Co. spürbar ab. Die Terroranschläge von Paris und die selbst gespürte Bedrohung rund um die Endspielarena für die EM 2016 in Saint-Denis konnte gedanklich endlich ein wenig abgestreift werden.

Joachim Löw gab seinen mental und körperlich sichtlich geschlauchten Profis mindestens eine Nacht Heimaturlaub. Erst am Sonntag sollte entschieden werden, ob man sich für das Dienstagsspiel gegen die Niederlande in Hannover noch einmal wiedertrifft.

"Je mehr Informationen, je mehr Anrufe aus Deutschland für die Spieler kamen, besorgte SMS, hat man schon gemerkt, dass die Mannschaft betroffen ist. Deswegen haben wir entschieden, ihnen erst einmal freizugeben, sie nach Hause zu schicken, damit sie erst mal durchatmen und bei ihren Liebsten sein können. Dann schauen wir weiter", sagte Oliver Bierhoff.

Auch am als Krisenmanager gefragten Ex-Nationalspieler war die prekäre Lage nach dem sportlich bedeutungslos gewordenen Länderspiel nicht spurlos vorbeigegangen. "Das war natürlich sehr bewegend. Wir waren schockiert und stark berührt. Man hat es einfach gemerkt: Auch die Spieler waren sehr ängstlich. Die Informationslage war nicht immer so ganz klar. Man wollte auch jedem Risiko aus dem Weg gehen", sagte Bierhoff.

Die Dunkelheit hing noch über Paris, als sich der DFB-Konvoi in den frühen Morgenstunden mit einer Blaulichteskorte der Polizei über die Autobahn auf dem Weg vom Stade de France Richtung Norden zum Flughafen Charles de Gaulle machte. Entgegen erster Berichte waren die Spieler nach dem verlorenen Spiel gegen Frankreich doch nicht in ihr Hotel zurückgekehrt. Aus Sicherheitsgründen.

"Dass sie dann, als sie nicht den Weg ins Hotel wählen konnte, mit 60, 70 Personen in der Umkleidekabine geblieben ist, macht mich stolz, dass die Mannschaft das so diszipliniert, so überragend gelöst hat", sagte DFB-Interimspräsident Reinhard Rauball.

Nach der Bombendrohung zur Mittagszeit im Teamhotel im Stadtteil Boulogne und den zumindest akustisch wahrgenommenen Explosionen während der Partie vor dem Stadion kam eine Rückkehr ins Stadtzentrum für die Weltmeister nicht mehr infrage. Höchste Regierungskreise wurden eingeschaltet, um die Mannschaft schnell in die Heimat zu bringen. An den von Bundestrainer Joachim Löw und Co. eingeplanten freien Samstag an der Seine war ohnehin nicht mehr zu denken.

"Ich habe heute Nacht um halb drei auch Thomas de Maizière aus dem Bett geklingelt, den Innenminister, der sich auch bemüht hat, über die Luftwaffe eine Maschine herüberzusenden", berichtete Rauball. Der dann aus Deutschland eingetroffene Lufthansa-Airbus wurde auf dem Rollfeld so weit wie möglich vom Flughafengebäude entfernt geparkt. Bewacht wurde er von französischen Sicherheitskräften mit Maschinengewehren. Mehrere Polizeiautos waren vor dem Flieger geparkt worden und entfernten sich erst wieder, als die Sondermaschine mit den deutschen Weltmeistern Richtung Startbahn rollte.

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