Fußball:Van Marwijk weg: Nun soll Slomka HSV-Niedergang stoppen

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Hamburg (dpa) - Nach der Pleite beim Tabellenletzten Eintracht Braunschweig und der Trennung von Trainer Bert van Marwijk geht beim Hamburger SV weiter die Angst um: Kann überhaupt noch jemand den Absturz des dienstältesten Fußball-Bundesligisten stoppen?

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Hamburg (dpa) - Nach der Pleite beim Tabellenletzten Eintracht Braunschweig und der Trennung von Trainer Bert van Marwijk geht beim Hamburger SV weiter die Angst um: Kann überhaupt noch jemand den Absturz des dienstältesten Fußball-Bundesligisten stoppen?

Mirko Slomka soll es jetzt versuchen. Noch verhandelt der Krisenclub an der Alster die Details mit dem Ex-Coach von Hannover 96 und Schalke 04, dem ein längerfristiger Kontrakt vorschwebt. Falls sich die HSV-Spitze mit ihm nicht einigen kann, soll Martin Jol Kandidat sein. Der Niederländer trainierte den HSV in besseren Zeiten (2008/2009).

Am Tag nach der bitteren 2:4-Pleite bei Eintracht Braunschweig herrschte auf dem HSV-Vereinsgelände unwirkliche Ruhe, geradezu Tristesse. Das obligatorische Auslaufen der Profis war abgesagt worden. Lediglich die angeschlagenen Spieler kamen zur Pflege und wollten nichts sagen. Einige maulende Fans wetterten gegen Vorstand und Aufsichtsrat, sammelten Unterschriften gegen die Gremien und meinten: „Wir hätten besser Thorsten Fink behalten sollen.“

Unterdessen soll im Aufsichtsrat Untergangsstimmung herrschen. Mehrere Mitglieder, so wurde kolportiert, seien zum Rücktritt bereit. So lange vier der elf Mitglieder starken Gremiums verbleiben, ist der Rat allerdings beschlussfähig. Schließlich müssen die Millionen-Ausgaben für den neuen Coach abgesegnet werden.

Der Neue auf der Bank beim Tabellenvorletzten ist zu bedauern: Er findet ein völlig verängstigtes Team vor, das das Fußballspielen verlernt hat und keinerlei Ordnung auf dem Platz erkennen lässt. Auch Nationalspieler haben ihre Klasse verloren und können keinen Weg aus der Krise weisen. Der HSV, der in 51 Jahren Bundesliga immer erstklassig war, rast im Höllentempo auf den Absturz in Liga zwei zu. So schwer die Schmach auch an ihm nagt, dem HSV weder Spielkultur noch Erfolgsbesessenheit beigebracht zu haben, so erleichtert war van Marwijk nach dem Ende des Leidens in Hamburg.

Spätestens in Braunschweig dürfte er erkannt haben, dass er mit seinem Latein am Ende ist. Von selbst aufgeben wollte der 61 Jahre alte Niederländer aber nicht. Nun kommt er in den Genuss einer satten Abfindung, die sich auf rund zwei Millionen Euro belaufen soll. Nicht mal fünf Monate des bis Sommer 2015 datierten Vertrages hat er erfüllt.

Noch am späten Samstagabend brauste er vom Parkplatz der HSV-Arena in seine Heimat. Zuletzt hatte er sich ohnehin beschwert, dass er seine Enkel nicht mehr regelmäßig sehen konnte. „Er hat sehr nüchtern und verständnisvoll reagiert“, berichtete Vorstandsvorsitzender Carl Jarchow. „Wir wissen alle, dass wir uns gegenseitig schätzen.“ Für die Öffentlichkeit gab der scheidende Trainer kein Statement mehr ab. Seinen Spielern soll er laut „Hamburger Morgenpost“ gesagt haben: „Ich glaube auch weiterhin an euch, wie ich es die ganze Zeit gemacht habe. Ich gönne es euch und wünsche euch viel Glück.“

Das Kapitel van Marwijk ist nach 144 Tagen mit einer niederschmetternden Bilanz beendet: 15 Liga-Spiele, neun Niederlagen, drei Siege, drei Unentschieden sowie eine Serie von sieben Schlappen nacheinander. 0,8 Punkte pro Spiel, das ist die zweitschlechteste Bilanz eines HSV-Cheftrainers nach Michael Oenning (0,64).

In der historischen Spielzeit mit immer neuen Pleite-Rekorden gibt es ein weiteres Novum: Noch nie in der Geschichte des HSV sind zwei Trainer in einer Saison beurlaubt worden. Van Marwijks Vorgänger Fink musste am 16. September 2013 den Stuhl räumen. Für die neunmonatige Restlaufzeit seines Kontraktes soll er 800 000 Euro kassiert haben. Schon Sportchef Frank Arnesen, von dem sich der HSV im vorigen Sommer getrennt hatte, durfte 1,4 Millionen Euro Abfindung einsacken. Der ohnehin klamme Verein, der jährlich Defizite schreibt und sich als vermeintliche Verstärkungen gerade mal Leihspieler für sechs Monate leisten kann, hat arg zu knabbern an seiner rasanten Personalpolitik.

Die demoralisierende 2:4-Schlappe in Braunschweig hat die kühnsten Hoffnungen auf Besserung explosionsartig zerstört. Wer gegen den Tabellenletzten, der in 20 Spielen zuvor mit mageren elf Törchen den schwächsten Angriff der Liga stellte, gleich vier Gegentore kassiert, dem ist kaum noch zu helfen. Exemplarisch für den HSV-Niedergang ist René Adler. Der Nationaltorhüter präsentierte sich fahrig und verschuldete zwei Gegentore. „Das passt zu unserer Gesamtsituation, dass dann René patzt“, seufzte Kreuzer. Jetzt versucht er, Slomka den derzeit wohl unbeliebtesten Job in der Liga schmackhaft zu machen.

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