Champions-League-Reform:Der Fußball könnte von diesem Experiment profitieren

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Gegen mehr Spektakel wie kürzlich zwischen Real Madrid und Manchester City wird kein Fan etwas haben, gegen ein zu komplexes Champions-League-System womöglich schon. (Foto: Oli Scarff/AFP)

Natürlich geht es bei der Reform der Champions League um höhere Einnahmen - aber das neue Format ist keine reine Gefälligkeitsleistung an die Mächtigen. Es hat seinen Reiz.

Kommentar von Philipp Selldorf, Köln

Die Europäische Fußball-Union Uefa möchte am 11. Mai eine Reform der Champions League beschließen. Noch sind nicht alle Punkte geklärt, doch es steht schon fest, dass es komplizierter wird als bisher. Deutlich komplizierter. Offenbar ist es so, dass die Uefa an ihrem Stammsitz in der Schweiz ein Laboratorium unterhält, in dem ein Haufen möglicherweise verrückter Professoren ihren Erfindergeist ausleben dürfen. Die junge, aber bereits mehrfach umgebaute Nations League gibt dafür ein Beispiel: Wie es dort um die Klasseneinteilung und um Auf- und Abstieg bestellt ist und wie sich die Platzierungen unter Umständen auf EM- und WM-Qualifikationen der Nationalteams auswirken, das stellt eine eigene Wissenschaft dar, für deren Verständnis es Telekollegien und Sonderkurse bedarf.

Auf das neue System der Champions League ab dem Jahr 2024 haben die großen Vereine Europas ihren Einfluss geltend gemacht, damit die Uefa keinen Unfug anrichtet und den Betrieb etwa für Vereine aus kleineren Ländern öffnet oder die Erlöse in der europäischen Fußball-Familie gleichmäßiger verteilt. So abwegig wäre die Idee ja keineswegs: durch Umverteilung wieder mehr Wettbewerbsgleichheit zu schaffen, damit der Erfolg eines Klubs wie des Halbfinalisten FC Villarreal keine einmalige Pokalsensation bedeuten muss - und damit nicht jedes Jahr die Dauergäste aus Spanien, England und den anderen Spitzenligen ab dem Viertelfinale unter sich bleiben.

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Skeptiker interpretieren die Pläne der Uefa entsprechend schlecht gelaunt: Sie sehen in erster Linie, dass es mit dem neuen Modus mehr Champions-League-Teilnehmer und mehr Spiele geben wird, und dass bei der Gestaltung der Teilnehmerliste eine Art Notfall-Wild-Card für Topklubs eingerichtet wurde, wenn sie ausnahmsweise mal in ihrer Heimatliga die Qualifikation verpassen sollten.

Im Prolog ist künftig Platz für Überraschungsmomente

Dennoch ist das neue Format keine reine Gefälligkeitsleistung an die Mächtigen, wie nun allenthalben reflexhaft beklagt wird. Der Sport könnte von dem Experiment profitieren. Zwar besteht selbstredend die Absicht, durch noch mehr Spiele noch höhere Einnahmen zu erlösen. Aber es geht auch darum, eine Alternative zum ungeliebten Vorspiel der K.o.-Runde zu schaffen. Im neuen System wird es die übersichtliche, aber oft langweilige Acht-Gruppen-Vorrunde nicht mehr geben. Stattdessen tragen künftig 36 Teilnehmer ihre Resultate in eine gemeinsame Tabelle ein. Jedes Team spielt gegen acht verschiedene Gegner, die aus vier nach Leistungsgruppen gebildeten Töpfen zugelost wurden.

Für die Erläuterung der zahlreichen weiteren Verfahrensfragen ist hier nicht der Platz, aber wer bereit ist, einige Wochenenden für das Studium des Kleingedruckten zu opfern, wird feststellen: Das Konzept der Uefa hat zwar allenfalls geringfügigen sozialreformerischen Ehrgeiz, besitzt aber seinen Reiz: Einerseits bleibt der beste Programmteil der Königsklasse erhalten- die K.-o.-Runde ab dem Achtelfinale -, andererseits entsteht im Prolog durchaus Platz für Überraschungsmomente. Womöglich wird das Ganze auch mit einer Finalrunde wie bei der coronabedingten Improvisation im Jahr 2020 garniert. Die Professoren in Nyon tüfteln noch.

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