Fußball-Regionalliga:Livestream und Lederhose

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Ein paar Tennisbälle und Transparente: Die Fans der SpVgg Bayreuth wehren sich gegen Montagsspiele. (Foto: Andi Bär/oh)

In der Regionalliga Bayern wird über medienfreundliche Montagsspiele debattiert - zugleich zeigt die Liga den Trend zur Entprofessionalisierung.

Von Christoph Leischwitz

Am vergangenen Montag besetzte der Bayerische Fußball-Verband (BFV) eine umstrittene Marktlücke: Montagsspiele. Die SpVgg Bayreuth empfing die SpVgg Ansbach zu einem Regionalligaspiel, immerhin 1934 Zuschauer sahen einen 2:0-Heimsieg. Die Partie wurde im Stream von BR24 übertragen. Der Verband hatte kurz zuvor nicht weniger als zehn Live-Übertragungen bis Saisonende angekündigt. Nächste Woche folgt am Montagabend Aschaffenburg gegen Bayreuth, am Dienstag nach Ostern empfängt Aubstadt die Würzburger Kickers.

Was der Verband damit erreichen möchte, ist klar: mehr Reichweite und damit mehr Attraktivität des bayerischen Premiumprodukts. Der BFV hat mit ähnlichen medialen Maßnahmen durchaus Erfolge vorzuweisen. Live-Spiele im Toto-Pokal erfreuten sich im Bayerischen Fernsehen oft großer Beliebtheit. Auch an diesem Samstag kommt es zu einem dieser bayerischen David-Goliath-Duelle, die gut zwischen "Dahoam is dahoam" und "Zwischen Spessart und Karwendel" passen: Der 1860-Bezwinger FC Pipinsried empfängt die Würzburger Kickers (14 Uhr). Gut möglich, dass dies eine sechsstellige Zuschauerzahl produziert.

Der Ligaalltag ist offenbar schwerer zu vermarkten. In den Profiligen sind Montagsspiele hauptsächlich wegen Fanprotesten abgeschafft worden. Es überrascht nicht, dass nun auch die Anhänger der Amateurteams murren. 130 Kilometer waren von Ansbach nach Bayreuth zurückzulegen, an einem Wochentag durch den Nürnberger Feierabendverkehr. Und was der Termin gebracht hat, ist gar nicht klar, weil die Zugriffe auf den Stream bisher nicht bekannt sind.

Auch Vereine melden Zweifel an: "Wir glauben nicht, dass die Regionalliga-Vereine finanziell groß von diesem Deal profitieren werden", heißt es etwa vom Dorfklub TSV Aubstadt. Die Sorge: Die Reisestrapazen in der bayernweiten Liga sind ohnehin groß, nun kommen Termine hinzu, zu denen berufstätige Spieler vielleicht gar nicht mitfahren können. Übrigens plant der BFV für die kommende Spielzeit schon seit Längerem eine Flutlichtpflicht, für medial attraktive Abendspiele.

Bayreuths Gesellschafter Gruber macht sich große Sorgen um seinen Verein

Damit ist nicht nur der Fanprotest, sondern auch eine ganz allgemeine Debatte wiederbelebt: Wie professionell ist die Regionalliga Bayern eigentlich? Wie professionell wollen ihre Mitglieder sein? Wie viel Sinn ergibt es für Standorte wie Schalding-Heining oder Aubstadt, wenn sie in ihren sozialen Medien einen BR-Link setzen können? Und, mit Verlaub: Wer sieht sich die zehnte Auflage des FV Illertissen gegen den TSV Buchbach an?

In Bayreuth gab es am Montag Fanproteste, sie hielten sich allerdings in Grenzen: Ein Beobachter sprach von ziemlich genau sechs Tennisbällen, die geworfen wurden. Bayreuths Gesellschafter Wolfgang Gruber befürwortet Montagsspiele: "Wir sind dadurch imstande, unseren Sponsoren eine Werbeleistung anzubieten", sagt er. Ein guter Schritt also. Doch gerade in Bayreuth ist das Thema Professionalität in der vierten Liga ein besonders heikles.

Im Grunde sind die Oberfranken der einzig verbliebene Regionalligist, der wirklich noch Profispieler bezahlt. Und der Klub leidet darunter. Vor wenigen Wochen verbreitete Gruber im Nordbayerischen Kurier einen Hilferuf: Er mache sich "große Sorgen um seinen Verein". Die Verbindlichkeiten gegenüber der Berufsgenossenschaft seien sechsstellig, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Standorts fraglich. Und das nicht einmal so sehr wegen des teuren Jahres in der dritten Liga, sondern wegen der Aufrechterhaltung der Strukturen nach dem Abstieg im Mai 2023. Wie Gruber der SZ erklärt, zahle man 480 000 Euro Gehälter, für die Berufsgenossenschaft (BG) fielen zusätzliche 180 000 Euro an. Der prozentuale Anteil sei für Klubs wie Bayreuth viel höher als etwa bei einem Zweitligisten. Da ist es wenig überraschend, wenn sich sonst niemand diese Zusatzkosten aufbürden will und die meisten Vereine lieber mit Punktprämien locken als mit Festgehältern.

Droht dem Verband ein PR-Gau, wenn sich kaum aufstiegswillige Teams finden?

Die Bayreuther sind eines der wenigen Teams, die überhaupt Bedingungen für einen Aufstieg erfüllen könnten. Doch selbst Gruber räumt ein, dass hierfür aktuell mehr Einnahmen und weniger Ausgaben nötig wären. Der ehemalige Geschäftsführer und heutige Gesellschafter möchte mehr Sponsoren holen. Aber er sieht auch die Notwendigkeit von Reformen, die von mehreren Landesverbänden verhindert werden: Nichts gegen die ländlichen Vereine in der Regionalliga, sagt Gruber, aber mit Spielen gegen Carl Zeiss Jena oder Rot-Weiß Erfurt würde Bayreuth sehr viel mehr Einnahmen generieren. Die aktuelle Regionalliga, sagt Gruber, "ist für uns ein reines Draufzahlgeschäft. Und wir verlieren die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Regionalligen". In der Regionalliga West haben fünf Mannschaften einen Schnitt von mehr als 2000 Zuschauern, in der Nordost-Staffel sind es zehn. In Bayern: zwei. Würzburg und Bayreuth.

Würzburg steht längst als Teilnehmer an den Aufstiegsspielen fest, weil dahinter fast niemand aufsteigen kann oder will - die Liga ist zurzeit schlicht langweilig. In der Spielzeit 2024/25 wird der Meister der Regionalliga Bayern turnusgemäß mal wieder ohne Aufstiegsspiele aufsteigen. Oder eben: der Höchstplatzierte, der einen Lizenzantrag gestellt hat. Droht dem Verband ein PR-Gau, wenn man den Aufstieg einem Tabellensechsten förmlich hinterherwerfen muss, obwohl in Jahren mit vorgeschriebenen Aufstiegsspielen alle immer fordern: "Ein Meister muss aufsteigen"?

Vermutlich wird es so weit nicht kommen, auch wenn sich das Interesse beim FC Bayern II auf Nachfrage in Grenzen hält und auch andere defensiv klingen. Aus Burghausen oder Illertissen ist zumindest gerüchteweise zu hören, dass man die Schienen zur Verfügung hätte, um nötige Weichen in Richtung Profifußball zu stellen. Ob man sich in Bayreuth noch einmal dieses finanziellen Wagnisses aussetzen wird? Gruber sagt, nach der aktuell eher enttäuschenden Saison wolle man zunächst eine gute Mannschaft formen und dann, spätestens in der kommenden Winterpause, entscheiden, wie sinnvoll es wäre, wieder anzugreifen. Womöglich wird es ja doch wieder spannender - und dann wären auch Streams sinnvoller.

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