Fußball:Real bleiben 15 Tage für einen Ronaldo-Ersatz

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Eigentlich mag Ronaldo es, im Rampenlicht zu stehen. Dieses Mal könnte es aber nicht nur seiner Tore wegen sein. (Foto: Getty Images)
  • Real Madrid und Atletico Madrid dürfen für die nächsten anderthalb Jahre keine neuen Spieler verpflichten und einsetzen - das könnte den Transfermarkt durcheinander wirbeln.
  • Neymar könnte zu Madrid wechseln, genauso wie Lewandowski. Bale sich dagegen gen England verabschieden.
  • Alle Transfers werden allerdings von einem Mann abhängen: Cristiano Ronaldo.

Von Oliver Meiler

Man könnte meinen, alle Naturgewalten wären plötzlich los. Spanische Zeitungen schreiben von einem Erdbeben, einem Tsunami auch. Keine Metapher scheint zu groß zu sein, wenn es um das Schicksal der beiden Vereine aus Madrid geht, der gar nicht so heimlichen Welthauptstadt des Fußballs - um Real und Atlético. Das ist immer so, auch an ruhigen Tagen.

Doch nun kündigen sich furiose Tage an. Tage für frivole Thesen und abenteuerliche Spekulationen. Tage, wie sie die vier Sportzeitungen und die vielen Sportradiosender im Land lieben. Tage, an denen in aller Ernsthaftigkeit auch bodenlos fabuliert werden darf. 15 solcher Tage stehen bevor, bis 31. Januar, Mitternacht. Dann schließt das Zeitfenster des Wintertransfermarkts, des "Mercado de invierno". Es kann durchaus sein, dass die allerletzten Minuten vor Mitternacht noch Kapriolen bringen werden. Dann aber ist Schluss, für ziemlich lange - für eine halbe Ewigkeit.

Wenn alles dabei bleibt, wie es der Weltverband Fifa soeben beschlossen hat, werden Real und Atlético danach für eineinhalb Jahre keine neuen Spieler mehr engagieren dürfen - weder im Sommer 2016, noch im Winter 2017. Jedenfalls keine, die dann auch sofort spielen dürften. Mit der Transfersperre bezahlen die beiden Vereine dafür, dass sie in den vergangenen Jahren gegen Fifa-Regeln verstoßen haben, indem sie minderjährige Fußballer aus dem Ausland unter Vertrag nahmen.

Die einzige Hoffnung im Moment? Das Gericht

Offenbar waren auch Kinder dabei, die keine der gängigen Ausnahmekriterien erfüllten, um Talente auch unter 16 oder 18 Jahren verpflichten zu dürfen. Das ist keine schöne Geschichte. Die Gier in diesem Geschäft, von den Vereinen und zuweilen auch von Eltern, verdrängt die Interessen des Kindes, das Recht auf ein behütetes Heranwachsen. Real und Atlético wehren sich gegen die Vorwürfe und beschwören ihre hohen moralischen Standards im Umgang mit dem Nachwuchs. Die Fifa sieht es anders. Und auch wenn sie in ethischen Belangen ja selbst nicht gerade eine Referenz ist, hat sie doch das Sagen.

Eine kleine Hoffnung bleibt den Madrilenen noch, genährt aus der Erfahrung des FC Barcelona, der seine Sperre in identischer Angelegenheit und selbiger Länge eben erst verbüßt hat. Barça konnte nämlich damals mit einem Einspruch einen Aufschub der Sperre erwirken. Und diesen Aufschub nutzten die Katalanen, um für fast 200 Millionen Euro eine Reihe von Angestellten zu verpflichten, unter anderem den Torwart Marc-André ter Stegen und den uruguayischen Stürmer Luis Suárez. Bei Real heißt es nun, man gehe "ganz fest" davon aus, dass man die Sperre ebenfalls verzögern und im kommenden Sommer am Transfermarkt teilnehmen könne. Doch "ganz fest" ist daran zunächst nur die Hoffnung.

Europa verliert seine "wichtigste Kreditikarte"

Sicher bleiben nur noch 15 Tage, um den Markt nach Spielern zu durchwühlen, die den Madrider Fußball durch die kommenden eineinhalb Jahre bringen. Ins Gewicht fallen dabei vor allem die Überlegungen von Real, dem reichsten und erfolgreichsten Klub der Fußballwelt - mit einem Jahresumsatz von mehr als 600 Millionen Euro. Die italienische Zeitung Tuttosport schreibt, ohne das Mittun der Königlichen verliere das Shoppinggeschäft in Europas Fußball seine "wichtigste Kreditkarte", jene mit dem höchsten Limit. Noch aber ist die Karte aktiv. Real müsste seinen Kader verjüngen. Und es bräuchte dringend Alternativen in der Sturmspitze, im defensiven Mittelfeld und auf der Position des linken Außenverteidigers.

Die zentrale Frage aber, und zwar nicht nur für den spanischen Fußball, lautet: Was wird aus Cristiano Ronaldo? Seine Zukunft könnte das Schicksal etlicher anderer Stars beeinflussen und ein gesamteuropäisches Karussell in Gang setzen.

Bisher hieß es, Real wolle im kommenden Sommer mit Paris Saint-Germain über einen Transfer des Portugiesen reden. In aller Gelassenheit. Die katarischen PSG-Besitzer zeigen sich offenbar bereit, 120 Millionen Euro für Ronaldos Dienste zu bezahlen. Geld ist genügend da. Und Real würde seinen prägendsten, aber nie ganz fröhlichen Angestellten gerne verkaufen, solange dessen Marktwert noch jenseits der 100-Millionen-Euro-Marke liegt. Also möglichst bald, Ronaldo wird in einigen Wochen 31.

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Bei PSG wäre CR7 der ideale Ersatz für Zlatan Ibrahimovic, denn er bringt einen ähnlichen Mix aus sportlicher Klasse und Glamour mit. Strahlkraft also, wandelndes Marketing - auch für Katar. Ronaldo wäre sogar noch eine Nummer größer als Ibrahimovic, als Spieler wie als Popstar. Nun aber ist die Gelassenheit für diese Verhandlungen weg.

Ronaldo würde Real ohnehin höchstens dann verkaufen, wenn an dessen Stelle ein anderer Topspieler verpflichtet werden könnte, Kategorie Galáctico. Davon gibt es aber nicht viele. Robert Lewandowski wäre einer, wenigstens fußballerisch. AS schreibt: "Lewandowski ist ein Traum für jeden Verein, der perfekte Stürmer."

Wenn Ronaldo geht, könnte Neymar kommen

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass der FC Bayern den Polen ziehen lässt, wenn man die Champions League gewinnen will? Wie wahrscheinlich ist es, dass Lewandowski mitten im Jahr wechseln mag? Und: Würde er auch die zirzensischen Fähigkeiten mitbringen, die es braucht, um das verwöhnte Publikum des Santiago Bernabéu passend zu unterhalten?

Ein wahrhaft Galaktischer wäre - im doppelten Sinn - Neymar. Jung wäre er auch, erst 23. Doch obwohl es in der Vergangenheit zwischen Real und Barça etliche prominente Überläufer gab, die es in Kauf nahmen, da gefeiert und dort verdammt zu werden, erscheint ein Wechsel des Brasilianers nach Madrid doch sehr unwahrscheinlich. PSG aber könnte Neymar locken, wenn es mit Ronaldo nichts würde - mitsamt seinen 40 Millionen Freunden auf Instagram, den 20,8 Millionen Followern auf Twitter, den 55 Millionen Likes auf Facebook. Mehr Strahlkraft als mit Neymar ist kaum zu haben. Die Sportzeitung L'Équipe träumt schon mal.

Eine weitere spannende Personalie ist Paul Pogba, der Mittelfeldspieler von Juventus Turin, den sie wegen seiner langen Arme und Beine in Italien "Pulpo" nennen, Tintenfisch. Auch er sollte bei Real erst im kommenden Sommer zum Thema werden. Seit dem Weggang von Xabi Alonso mangelt es Real dramatisch an einem Organisator zwischen den Reihen, einem Stabilisator vor der Abwehr. Toni Kroos und Luka Modric, die beide eine offensivere Grundausbildung haben, mochten nie in diese Rolle wachsen.

Pogba gilt als Großtalent, als Galaktischer im Werden. Er ist erst 22 und schon unheimlich teuer, mehr als 100 Millionen Euro. Nun, da Real es eilig hat und der neue Trainer Zinédine Zidane wohl im Hintergrund auf eine Verpflichtung seines Landsmannes drängt, könnte Pogbas Transferpreis in bisher unerreichte Rekordhöhen steigen. Zumal er auch Barcelona gefällt.

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Und was ist mit Bale? Und Marco Reus? Und Alaba?

Und dann wäre da noch die Personalie Gareth Bale. Real hatte den linken Flügel für etwa 91 Millionen Euro von Tottenham nach Madrid geholt, wo der Waliser einmal Ronaldo beerben soll. Real verbannte Bale einstweilen auf die ungeliebte rechte Flanke. Glücklich wurde er da nicht, und die Wartezeit zieht sich hin. Darum geht auch für ihn die zentrale Frage so: Was wird aus Cristiano Ronaldo? Geht er, bleibt Bale. Geht er nicht, zieht Bale wohl bald zurück nach England. Dort, in London und Manchester vorab, gibt es finanzkräftige Vereine, deren Kreditkarten ähnlich hohe Limits haben wie jene in Madrid.

Verkaufen darf Real übrigens so viele Spieler, wie es will. Fürs effiziente Kaufen aber bleiben nur 15 Tage. 15 Tage für die Verhandlung immer neuer Namen, die irgendwie gut zu Real passen würden, wild aufgeworfen von der Presse. Hier eine kleine Auswahl vom Freitag, ohne Gewähr auf Vollständigkeit: Eden Hazard, David Alaba, Miralem Pjanic, Marco Verratti, David De Gea, Alvaro Morata, Edinson Cavani, Marco Reus, Ricardo Rodríguez.

Ein schöner Teil der europäischen Fußballprominenz gerät da in die Laufbahn der Galaktischen. Hypothetisch wenigstens, aber plötzlich und naturgewaltig.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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