Unterschiede im Fußball:Ein Hohn für den Ostfußball

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Wollen den Abstieg nicht akzeptieren: Für Dynamo Dresden ging es mit Kapitän Florian Ballas in dieser Saison eine Liga runter. Seit dem letzten Saisonspiel ist klar, dass Dresden die rechtliche Lage prüft - mit der Idee, den Abstieg auszusetzen und die Liga in der neuen Saison auf 20 Teams aufzustocken (Foto: Eisenhut/photoarena/imago)

Eine Gerechtigkeit nach der Definition der Ostvereine wird es im Fußball nicht geben, weil es sie in der Gesellschaft auch nicht gibt. Aber es existieren Optionen, um nicht in Bitterkeit zu versinken.

Kommentar von Cornelius Pollmer

Die Bundesregierung produziert ihren Bericht "zum Stand der Deutschen Einheit" so verlässlich wie der Kicker seine Stecktabelle, aber leider wird darin auch in diesem Jahre ein Kapitel zur Entwicklung des Fußballs fehlen. In einem alles andere als aufwendigen Verfahren hat die SZ deswegen vor dem Pokalfinale an diesem Samstag nachgerechnet - und Unterschiede erfasst, die mit dem bloßen Auge aus dem Weltall zu erkennen wären (sofern man dahin schon wieder reisen dürfte): Kein einziger Ost-Verein ist seit 1990 Meister oder Pokalsieger geworden. In 30 Pokalfinals besetzten von 60 Startplätzen Energie Cottbus, Union Berlin und RB Leipzig jeweils einen. Das entspricht fünf Prozent. Allein der FC Bayern nahm fünfmal häufiger am Finale teil als der gesamte Osten.

Nun hat sich in der modernen Sportmathematik die Methode etabliert, eben jenen FC Bayern aus allen Vergleichen herauszurechnen, um überhaupt zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen. Annehmbar wird die Bilanz für den Osten dadurch nicht. Zwar ist RB Leipzig stabil erfolgreich und durchaus respektiert, zur ungetrübten Freude darüber reicht das aus bekannten Gründen aber nicht. Diese gilt eher dem erstaunlichen Union Berlin und dem gallischen Aue. Aber sonst? Dresden ist ab-, Lok Leipzig erneut nicht aufgestiegen. Beim insolventen Rot-Weiß Erfurt prüft das Finanzamt die Gemeinnützigkeit, in Nordhausen sind auf undurchsichtige Weise so viele Schulden aufgelaufen, dass der Verein bald nicht mehr Wacker sondern Wirecard heißen könnte.

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Auf die heisere Anklage des Lizenzspielers Chris Löwe (Dynamo Dresden), der in den Entscheiderbüros bei der DFL Typen in "5000 Euro teuren Bürostühlen" ausgemacht hatte, folgte in der vergangenen Woche eine Petition seniorer Ost-Kapazitäten, die bislang mehr als 7000 Mal gezeichnet wurde. Titel: "Im Osten geht die Sonne unter." Tenor: DFB und DFL benachteiligten den Osten schon immer, ihre Pandemiepolitik (kein Aussetzen von Abstiegen) gäbe dem Osten nun den Rest.

Was bleibt dem Osten anderes übrig, als sich mehr anzustrengen?

Ob und wann Ungerechtigkeit verjährt, liegt im Auge wie im Charakter des Betrachters. Es ist ein Hohn, wenn der Fußballbetrieb dem Osten 30 Jahre lang beim Anrennen zuschaut und dann einfach sagt, jetzt sei es aber auch mal gut mit Jammern. Es ist müßig, wenn dieser Osten eine Gerechtigkeit nach seiner Definition einfordert. Es wird diese Gerechtigkeit schlicht nie geben, egal wie okay oder himmelschreiend man das findet.

Wenn es leicht dahergesagt heißt, der Fußball sei "ein Spiegel der Gesellschaft", dann gilt das tatsächlich in besonderer Weise für seinen Teilbereich West/Ost. Es gibt zu wenige ostdeutsche Hochschulrektorinnen, Konzernvorstände, Spitzenpolitiker und so fort. Genauso gibt es zu wenige Vereine aus dem Osten, die oben dazugehören. Wenn es aber ähnliche Defizite in fast allen gesellschaftlichen Bereichen gibt, ist Ungerechtigkeit systemisch. Und der Hinweis, man müsse sich eben ein bisschen mehr anstrengen (Uli Hoeneß et al.), ist einerseits ein bisschen dünn und irreführend. Andererseits: Was bleibt dem Osten anderes übrig?

Es gab immer wieder über den eigenen Spielfeldrand hinaus weisende Akteure, im Fall von Dynamo Dresden waren das Schalke und Bayern mit karitativen Einsätzen - und es war Jens Jeremies, ein führender Unterhändler im deutsch-deutschen Fußballdialog, der jahrelang still und bescheiden Vermittlungsarbeit leistete. Aber jenseits dessen wird es im Osten weiter nicht die strukturelle Power geben, für deren Aufbau der Westen 40 Jahre mehr Zeit hatte. Das ist so schade wie unveränderlich. Was also bleibt, ist entweder Bitterkeit - oder eine neue Lust, sich mit Verstand und Feuereifer reinzuhauen. Die Wege von Union und Aue zeigen, dass dies Erfolg haben kann.

© SZ vom 04.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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