Fußball-Testspiel:Kurioser Kontrast

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Nur im Testspiel am Ball: Die WM muss in diesem Jahr ohne öffnende Pässe von Nicolo Barella auskommen. (Foto: Michael Meindl/Gepa Pictures/Imago)

Nachdem Katar und Ecuador die WM eröffnet haben, treffen sich in Wien Österreich und Italien zum Freundschaftsspiel. Atmosphärisch funktioniert die unfreiwillige Gegenveranstaltung zum Mainstream-Event nur bedingt.

Von Felix Haselsteiner

Das Wiener Ernst-Happel-Stadion mutet an wie eine Reise in die Vergangenheit: Der offen zur Schau gestellte Industriebeton, die antiquierte Tartanbahn, die Morbidität des sichtbaren Zerfalls - nur Romantiker erkennen in all dem eine Geschichtsträchtigkeit. Schon lange will man in Wien das Nationalstadion sanieren oder zur Not komplett abreißen, Stadt und Fußballverband werden sich aber nicht einig, wer die geschätzten Kosten von 200 bis 400 Millionen Euro übernehmen soll - Summen, über die man in Katar nur schmunzeln würde.

Das leicht ruinöse Happel-Stadion, in dem zum Glück diesmal zumindest das Flutlicht funktionierte, war insofern am Sonntagabend der optimale Austragungsort für ein Fußballspiel, das sich als unfreiwillige Gegenveranstaltung zur Eröffnung der WM im Land des schönen Scheins entpuppte. Es traten an zum Freundschaftsspiel: Österreich - in der Eigenwahrnehmung immer auch ein bisserl Europameister - und Italien, der - ja, man erinnert sich ans Vorjahr - tatsächlich amtierende Europameister.

Dieser Freundschaftskick in Wien war vor allem deshalb von Relevanz, weil er exakt drei Stunden und 45 Minuten nach dem Eröffnungsspiel der WM angepfiffen wurde. So wurden alle Fußballinteressierten nochmal speziell darauf aufmerksam gemacht, dass die stolzen Italiener gar nicht dabei sind in Katar.

Daraus ergab sich ein kurioser Kontrast, kulturell und sportlich: Als in Doha die Turbinen der postmodernen Stadion-Klimaanlage die Arbeit eingestellt hatten, betraten im alten Gemäuer in Wien zwei hochkarätig besetzte Mannschaften den Rasen - mit 16 Spielern, die bei ihren Klubs in der Champions League spielen. Bei der Glitzer-WM hatten Katar und Ecuador gegeneinander gespielt - mit null Champions-League-Akteuren.

Auf WM-Niveau kicken könnten beide Mannschaften definitiv

Heraus kam in Wien ein 2:0-Sieg für die Gastgeber. Wie schon im Achtelfinale der EM 2021 spielten die Österreicher mutig, setzten Italien unter Druck und kamen durch Tore von Xaver Schlager (6.) und David Alaba (35./Freistoß) schon vor der Halbzeit zur klaren Führung, die bis zum Ende hielt. Es sei "das beste Spiel in meiner Amtszeit" gewesen, betonte Österreichs Trainer Ralf Rangnick.

Doch es hilft nichts: Die WM muss in diesem Jahr ohne Freistoßtore von Alaba auskommen, ohne Abwehraktionen von Leonardo Bonucci, ohne öffnende Pässe von Nicolo Barella und ohne die Maßanzüge von Italien-Trainer Roberto Mancini. Für die Fifa und Katar sind das schlechte Nachrichten, für die fußball- und modeinteressierte Öffentlichkeit auch. Denn, das war am Sonntag klar erkennbar, auf WM-Niveau kicken könnten beide Mannschaften definitiv. Doch Österreich war in den Playoffs an Wales gescheitert - und Italien hatte sein Desaster gegen Nordmazedonien erlebt.

Atmosphärisch hat die Gegenveranstaltung zum Mainstream-Event in Katar übrigens nur bedingt funktioniert: Das Spiel in Wien, als Alternative zum Fußball in der Wüste, wollten im Prater nur 18000 Zuschauer sehen - obwohl der Europameister zu Gast war. Man muss eben Fußballromantiker sein im Happel-Stadion.

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