Fußball: Kaderplanung beim FC Bayern:Heynckes sucht das Gleichgewicht

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Interessante Zukunftspläne in München: Die Defensive wird gestärkt, Boateng könnte kommen - und Lahm wieder links verteidigen. Auch um einen Schalker, einen Portugiesen und einen Leverkusener gibt es Gerüchte.

Moritz Kielbassa

Die Mode bei Fußballtrainern wechselt so schnell wie auf dem Laufsteg in Paris. Mal sind junge en vogue, mal alte, mal strenge Autoritäten, mal sensible Spielerversteher. Jupp Heynckes ist 65, gilt aber als jung geblieben. Und er kann beides: Disziplinieren und in den Arm nehmen. Beim FC Bayern glauben sie, dass ihr neuer Trainer seriös in der Mitte zwischen allen Trends und Modeerscheinungen arbeitet - auch fachlich.

Heynckes kommt, so viel steht fest - doch welche Spieler folgen ihm? (Foto: AFP)

Wie sein noch amtierender Vorgänger, Louis van Gaal, ist Heynckes ein echter Fußballlehrer, doch er nimmt seinen Lehrplan nicht gar so wichtig. Er bringt keine Philosophie mit, die er dem Verein ins Herz operieren will. Heynckes soll: moderieren und Ruhe ausstrahlen im unruhigen Münchner Milieu.

Noch bis Mai wetteifern die künftigen Partner um kurzfristige Ziele in der Bundesliga. Bayern erwartet mit van Gaal am Samstag Gladbach, Heynckes muss mit Bayer Leverkusen nach Kaiserslautern. 14 Tage später kommt es zum pikanten direkten Duell in München, ein Millionenspiel um die Champions League. Parallel dazu hat bereits die Planung der Zukunft begonnen, mit zwei Kernfragen: Welchen Fußball will der neue FC Bayern spielen? Und mit welchem Kader?

Gestärkt werden soll die Abwehr, personell und strategisch. Auch hier hoffen die Bayern auf eine neue goldene Mitte: zwischen ihrem spröden 1:0-Fußball von früher und van Gaals einseitiger Angriffs-Romantik. Manager Christian Nerlinger formuliert die Erwartung an Heynckes in einem Satz: "Eine stabile Defensive ist die Basis für Offensivfußball."

Als neuen Innenverteidiger haben die Bayern Jérôme Boateng auf der Liste. Der Nationalspieler, erst 2010 vom HSV zu Manchester City gewechselt, könnte die Abwehrmitte festigen, wo zuletzt ständig gewechselt wurde. Schwächelnde Routiniers auf dieser Baustelle hat van Gaal verkauft (Demichelis) oder herabgewürdigt (Van Buyten), der junge Breno wurde nie den Vorschusslorbeeren gerecht, auch Zugang Luiz Gustavo, gelernter Mittelfeldspieler, war zuletzt keine gute Lösung, Holger Badstuber hat nach kometenhaftem Aufstieg ein Tief.

Boateng ist gelernter, aber kein reinrassiger Innenverteidiger, glänzen konnte er in dieser Rolle 2009 beim EM-Titel der U21. Häufiger muss er rechts hinten spielen, im Verein und auch bei Bundestrainer Löw. In Manchester ist der 22-Jährige unzufrieden, für den FC Bayern wäre er wohl leichter zu bekommen als der fast gleichaltrige, ebenfalls interessante Benedikt Höwedes aus Schalke.

Der wuchs königsblau auf, ist bis 2014 an Schalke gebunden und ein Lieblingsspieler des neuen Trainers Rangnick. Zudem bemühen sich die Bayern ja schon um Schalkes Nationaltorwart Manuel Neuer. Jörg Butt, von Thomas Kraft als Nummer eins verdrängt, fände Neuer prima: "Er ist ein überragender Torwart, ich kann ihn mir hier gut vorstellen." In eigener Sache widerrief Butt Berichte, dass er definitiv aufhört und ins Fach des Jugendleiters wechselt: "Eine endgültige Entscheidung fällt erst im Sommer."

Kommen soll zwingend auch ein Außenverteidiger. Die Fahndung nach linken war bisher erfolglos: Leighton Baines (Everton) sagte ab, Fábio Coentrão (Benfica Lissabon) galt als zu teuer, am Dienstag kam nun überraschend in Portugal das Gerücht auf, der Transfer stehe vor dem Abschluss.

Die Tendenz war zuletzt eher, das Problem links intern zu beheben: Philipp Lahm, 2009 auf eigenen Wunsch auf die rechte Abwehrflanke gewechselt, wurde unverbindlich gefragt, ob er wegen der Marktlage im Sommer wieder die Seiten tauschen würde. Lahm wäre prinzipiell bereit dazu, viele finden ihn links sowieso stärker. Für rechts hinten ist Gregory van der Wiel (Ajax Amsterdam) ein Kandidat, wie schon 2010.

Im Mittelfeld wird sich zeigen, ob der Plan für ein deutsches Dreieck Schweinsteiger/Kroos/Müller - umrahmt von Ribéry links, Robben rechts und Gomez vorne - auch Heynckes gefällt. Der ist zwar kein passionierter Taktiktüftler, doch er hat ein Händchen dafür, Teams ausgewogen und passend zu mischen. Für mehr Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive könnte er einen kämpferischen Wellenbrecher ins Mittelfeld stellen; das wäre weder Kroos, der an Robustheit zulegen muss, noch Schweinsteiger.

Eher einer wie Arturo Vidal, Heynckes' Schlüsselspieler in Leverkusen, von dem schwärmerische Zitate über die Bayern überliefert werden ("einer der acht besten Vereine der Welt"). Doch die haben bereits einen Sechser-Überschuss und gerade erst Gustavo teuer erworben. Ohnehin wäre es schwer vorstellbar, dass der loyale Heynckes den Chilenen mitnimmt.

Im Angriffsspiel sind bei ihm mehr Tempo-und Positionswechsel zu erwarten - nach den Passkolonnen und dem festen Positionsspiel van Gaals. Da auch Heynckes mit nur einem Mittelstürmer plant, ist ein Verbleib von Miroslav Klose unwahrscheinlich, zumal der Nationalstürmer sein hohes Gehalt seit langem nur auf der Bank verdient.

Ein junger Back-up für Gomez ergäbe also Sinn. Heynckes wird auch am handwerklichen Einmaleins arbeiten, auch Zweikämpfe oder Eckbälle trainieren lassen. Und bei aller Kreativität vorne soll künftig ökonomischer gespielt werden, weniger waghalsig stürmisch. Die neuen Bayern sollen jene Geduld und Gelassenheit auf dem Feld abbilden, die sich Heynckes als Trainer angeeignet hat.

© SZ vom 30.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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