Fußball in England:Risse in Klopps Werk

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In der Ergebniskrise: Jürgen Klopp (vorne) mit dem FC Liverpool. Gegen Wolverhampton setzte es jetzt das Pokal-Aus. (Foto: Jason Cairnduff/Reuters)
  • Der FC Liverpool scheidet im Pokal gegen einen Zweitligisten aus.
  • Trainer Jürgen Klopp muss sich nun viel Kritik anhören.
  • Am Dienstag treffen die Reds in der Premier League auf Spitzenreiter Chelsea.

Von Max Ferstl, Liverpool/München

Als Jürgen Klopp vor eineinhalb Jahren Brendan Rodgers als Trainer des FC Liverpool ablöste, übernahm er auch dessen Anwesen im beschaulichen Formby, 20 Kilometer nördlich vom Stadtzentrum. Vor Klopp und Rodgers hatte dort bereits Klublegende Steven Gerrard residiert. Anders als seine Vorgänger verzichtete Klopp darauf, das Haus zu kaufen, sondern mietete es.

Das Trainer-Dasein ist ja eher ein schnelllebiges Gewerbe. Ein Haus zu kaufen oder gar zu bauen, lohnt sich in den seltensten Fällen. Zumal der Hausbau selbst ein ziemlich unsicherer Akt ist, wie Klopp unter der Woche bemerkte: "Du startest voller Enthusiasmus. Im Sommer ist alles gut und du glaubst, du ziehst in ein paar Monaten ein. Aber dann wird es Winter, das Wetter wird schlecht und du bist immer noch am bauen."

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"Ich bin verantwortlich. Zu 100 Prozent."

Im Sommer 2016 hat Klopp seinen Vertrag vorzeitig bis 2022 verlängert. Er soll der Bauleiter sein, der den Klub wieder zur Größe vergangener Tage aufbaut. Und im Sommer war tatsächlich alles gut. Liverpool spielte gut, stand zwischenzeitlich sogar an der Spitze der Premier League. Doch zuletzt sind die Arbeiten ins Stocken geraten. Liverpool hat nur eines der letzten acht Spiele gewonnen. Am Mittwoch schied Klopps Mannschaft im Ligapokal gegen Southampton aus, zuvor gab es eine peinliche 2:3 Niederlage zu Hause gegen den Tabellenletzten Swansea City. Am Samstag hat sich die Lage weiter verschärft: Liverpool scheiterte in der vierten Runde des FA Cups an den Wolverhampton Wanderers, Tabellenachtzehnter der zweiten Liga.

Als Klopp nach der 1:2-Niederlage vor die Fernsehkameras trat, rang er sich ein gequältes Lächeln ab und gab dann zu: "Ich bin verantwortlich. Zu 100 Prozent. Das war richtig schlecht, viel mehr kann man dazu nicht sagen." Klopp hatte gegen den Zweitligisten zahlreiche Stammspieler geschont, unter anderem Philippe Coutinho und Nationalspieler Emre Can. Doch die Strategie ging gründlich schief. Schon nach 52 Sekunden traf Richard Stearman, kurz vor der Halbzeit erhöhte Andreas Weimann. "Wir sind schlecht gestartet und es wurde nicht besser. Jeder hat es gesehen", klagte Klopp. Jeder sah auch, dass es etwas besser wurde, als Klopp später Mittelfeldlenker Coutinho einwechselte. "Es war auch unmöglich, dass es schlechter wurde." Doch es war eben nicht gut genug, um das Spiel zu drehen.

Inzwischen werden in England Stimmen laut, die an Klopps Kompetenz zweifeln. Als das Spiel noch lief, twitterte Gary Lineker, ehemaliger Stürmer und mittlerweile TV-Experte: "Ich verstehe nicht, dass er ohne Europapokal-Belastung die Ersatzspieler auflaufen lässt. Das zeugt von mangelndem Wissen über die Leistungsdichte im englischen Fußball und fehlendem Respekt."

Klopp hat in der Hinrunde ein stabiles Fundament gelegt, inzwischen werden Risse an seinem Werk sichtbar. Die nicht gerade für ihre Zimperlichkeit bekannte englische Presse hat die erste Krise der Ära Klopp festgestellt. Die Tageszeitung The Telegraph fragte sogar: "Sind die Reds im freien Fall?" Es wird vieles kritisch beäugt gerade: Ist das Training zu hart? Sind die Neuen zu schlecht? Ist Klopps Spielstil zu laufintensiv, sind die Spieler inzwischen zu müde?

Gerrard findet, dass Klopps Liverpool "große Probleme" hat

Als besonders kritischer Wortführer tut sich das Boulevard-Blatt The Sun hervor. Das Verhältnis zum deutschen Trainer ist ein spezielles, seit Klopp im August verkündete, der Zeitung keine Interviews mehr geben zu wollen. Die Zeitung schrieb zuletzt besonders gerne über Steven Gerrard, der 710 Mal für Liverpool spielte. Vor wenigen Tagen ist Gerrard als Nachwuchstrainer an die alte Wirkungsstätte zurückgekehrt. Der 36-Jährige könnte für Klopp zum Problem werden, vermutet die Zeitung, "sobald sich die Leute fragen, ob die Ikone einen besseren Job machen könnte als der aktuelle Trainer". Spekulation, die schon fast an Mobbing grenzt.

Am Samstag, nach der Niederlage gegen Wolverhampton, lächelte Gerrard ähnlich gequält in die Fernsehkameras wie Klopp. Pflichtschuldig wies dieser darauf hin, dass das erste Gegentor aus einer Abseitsperson gefallen war. Er kann aber nicht verschweigen, dass Liverpool "große Probleme" hat. Der Pokal-K.o. ist der Tiefpunkt von Klopps Amtszeit in England. Am Dienstag wartet nun der Tabellenführer Chelsea. Und Klopp? Was er sagt, klingt tatsächlich eher nach Hoffnung, als nach fester Überzeugung: "Wenn es unmöglich tiefer gehen kann, ist das ein guter Zeitpunkt für die Wende."

© SZ vom 29.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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