Fußball:Herthas schwierige Entscheidung: Zweite Chance für Gersbeck

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Hertha BSC gibt Marius Gersbeck eine zweite Chance und holt den Torhüter in die Profimannschaft zurück. (Foto: Soeren Stache/dpa/Archivbild)

Fast drei Monate nach der folgenschweren Prügelei in Österreich erhält Torwart Marius Gersbeck bei Hertha BSC eine zweite Chance. Die Entscheidung ist umstritten und birgt Risiken.

David Langenbein und Jordan Raza, dpa

Berlin (dpa) - Hertha BSC ist sich des Risikos bewusst. Der Fußball-Zweitligist gibt Marius Gersbeck nach dessen Prügelattacke und dem Abschluss des Verfahrens eine zweite Chance und holt den Torhüter in die Profimannschaft zurück. „In diesem Fall gibt es leider keine Entscheidung, hinter der sich alle Herthanerinnen und Herthaner versammeln können“, schrieb der Hauptstadtclub am Montagabend bei X (vormals Twitter) zu der Mitteilung. Hertha habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Doch was bedeutet sie für Gersbeck, die Verantwortlichen und die Fans?

Marius Gersbeck: Der Traum des 28 Jahre alten Ur-Herthaners, einmal für die Alte Dame im Olympiastadion aufzulaufen, lebt weiter. Der Weg dorthin wird aber nicht einfach. Der Torhüter hatte vor Gericht gestanden, weil er am Rande des Hertha-Trainingslagers im Juli einen 22-Jährigen bei einer nächtlichen Prügelei verletzt hatte. Das Verfahren endete vergangene Woche im Rahmen einer sogenannten Diversion. Gersbeck gestand seine Schuld ein, entschuldigte sich beim Opfer und zahlt 40.000 Euro. Er gilt nicht als vorbestraft.

Mit dem 22-Jährigen hat er sich auf eine Entschädigung geeinigt. Hertha hob nun seine Suspendierung auf und verhängte „eine Abmahnung und eine empfindliche Geldstrafe“. Und der 28-Jährige steht unter genauer Beobachtung, nicht nur durch die Öffentlichkeit. „Für unseren Schlussmann gelten fortan jedoch strenge Verhaltensregeln in Öffentlichkeit und Privatleben und er wird hart sanktioniert“, hieß es weiter in der Stellungnahme.

Gersbeck zeigte sich demütig und dankbar für die zweite Chance. „Mir ist bewusst, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe“, wurde er zitiert.

Präsident Kay Bernstein und Geschäftsführer Tom Herrich: Die beiden sollen sich intern für den Keeper ausgesprochen haben. Medienberichten zufolge war die Entscheidung auch in den Gremien des Clubs umstritten. Hertha versuchte in der Mitteilung deutlich zu machen, wie schwer die Abwägung war, ließ unter anderem zwei Fachanwälte zu Wort kommen.

Nicht zu vernachlässigen ist von Club-Seite, dass auch andere juristische Fälle anhängig sind, die die Verhältnismäßigkeit in der Entscheidung pro Gersbeck in den Fokus rücken können. Ex-Torhüter Rune Jarstein klagt gegen eine fristlose Kündigung, die wegen einer Beleidigung von Torwart-Trainer Andreas Menger ausgesprochen wurde. Bis Donnerstag haben beide Seiten in der Causa Zeit, einen Vergleichsvorschlag des Gerichts anzunehmen.

In der Auseinandersetzung mit Fredi Bobic geht es sogar um Millionen. Dem Ex-Geschäftsführer wird auch zur Last gelegt, dass er einem Reporter - mehr oder weniger scherzhaft - eine Ohrfeige androhte.

Sportdirektor Benjamin Weber und Trainer Pal Dardai: Aus sportlicher Sicht wird für beide ein Loch im Kader gestopft. Ohne Gersbeck und nach dem Verkauf von Oliver Christensen hatte die Hertha keinen erfahrenen Keeper. Dardai hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie wichtig der Torwart für die Mannschaft sein könnte. Auch das Team macht in den wenigen Aussagen zum Thema nicht den Eindruck, dass die Rückkehr von Gersbeck zum Problem werden könnte.

Trotzdem wird sich der 28-Jährige erst einmal hinten anstellen müssen - und nicht nur wegen seines Trainingsrückstands. In seiner Abwesenheit hat sich der junge Tjark Ernst im Tor der Hertha festgespielt.

Die Fans und das Umfeld: Die Causa war für Hertha auch deswegen so schmerzhaft, weil Gersbecks Rückkehr im Sommer eigentlich wie der perfekte Transfer schien. Ein früheres Eigengewächs, dazu selbst ehemaliger Kurvengänger wie Bernstein, kehrt als zweitligaerfahrener Torwart zu seinem kriselnden Club zurück. Gersbeck sollte Führungsspieler werden und ein Bindeglied zur aktiven Fanszene sein.

Es wird sich zeigen, wie der Berliner Anhang nun mit Gersbeck umgeht. Die ersten Reaktionen in den sozialen Medien bildeten ein großes Spektrum ab: Einige begrüßten die neue Gelegenheit für den Torwart, andere kündigten den Austritt aus dem Verein an.

© dpa-infocom, dpa:231002-99-416879/3

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