Fußball:Frankreich hofft auf Renaissance - Pogba gefeiert

Lesezeit: 3 min

Brasília (dpa) - Jetzt hat auch François Hollande das WM-Fieber gepackt. Für den Viertelfinal-Klassiker gegen Deutschland will Frankreichs Staatschef am Freitag sogar einen deutsch-französischen Freundschaftsabend im Elysée-Palast organisieren.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Brasília (dpa) - Jetzt hat auch François Hollande das WM-Fieber gepackt. Für den Viertelfinal-Klassiker gegen Deutschland will Frankreichs Staatschef am Freitag sogar einen deutsch-französischen Freundschaftsabend im Elysée-Palast organisieren.

Das hartumkämpfte 2:0 im WM-Achtelfinale gegen Nigeria war jedenfalls schnell abgehakt. Stolz fiebert die „Grande Nation“ dem Duell gegen den Nachbarn im legendären Maracanã-Stadio in Rio entgegen. Die Medien heizen vor dem Treffen mit dem „besten Feind“ (La Dépêche) bereits die Emotionen an. Nur Frankreichs Trainer Didier Deschamps rief zur Zurückhaltung auf - aber sein Appell verhallte fast wirkungslos. „Wir stehen jetzt unter den letzten Acht“, sagte Deschamps. „Unsere Ziele verschieben sich natürlich, aber wir dürfen jetzt nicht durchdrehen.“

Zu wenig überzeugend war der Auftritt seiner Mannschaft gegen den Afrika-Meister. Über lange Zeit fehlten Leichtigkeit, Esprit und Durchschlagskraft, in der Defensive ließen die Franzosen durch ihre „laissez-faire“-Einstellung immer wieder Gelegenheiten zu. Lediglich der starke Paul Pogba, der eingewechselte Antoine Griezmann und der dadurch eingeleitete Endspurt waren beim späten Erfolg gegen Nigeria beeindruckend. „Wir sind sehr stolz. Diesen Erfolg kann uns niemand mehr nehmen, aber wir wollen noch mehr“, sagte Torjäger Karim Benzema, bis zur Hereinnahme von Griezmann fast unsichtbar. Das Zusammenspiel mit Sturmpartner Olivier Giroud funktionierte überhaupt nicht. Erst als der flinke Griezmann drin war und Benzema von Außen in die Mitte rückte, drehte sich die Begegnung plötzlich.

Nach dem Abpfiff stürzten sich fast alle Spieler erleichtert auf Pogba und begruben den Torschützen des 1:0 unter sich. Ob er die deutsche Mannschaft fürchte, wurde der defensive Mittelfeldspieler hinterher gefragt: „Nein, ich habe keine Angst“, antwortete der Matchwinner mit ernstem Blick, der keine Zweifel zuließ. „Wir haben vor niemandem Angst.“ Der 21 Jahre alte Jungstar von Juventus Turin war aber auch selbstkritisch genug, die offensichtlichen Schwachstellen zu erkennen. Frankreichs Auftritte waren bei dieser WM bisher so unkonstant, dass sie fast schon wieder konstant waren.

„Wir haben Selbstvertrauen, aber wir stehen uns manchmal selber im Wege“, erklärte der Youngster, der von vielen Topclubs Europas gejagt wird. „Wir sind zum Besten fähig, wir können aber auch die schlechteste Leistung abliefern.“ Gegen Nigeria kam das Beste zum Schluss. Nach dem Kopfballtreffer Pogbas in der 79. Minute sorgte das Eigentor von Nigerias Kapitän Joseph Yobo (90.+2) für die Schlusspointe.

„Das ist einer der größten Augenblicke meines Lebens, klar“, erzählte Pogba. „Für mein Land bei einer WM zu treffen und ins Viertelfinale einzuziehen, das ist sicher der wichtigste Moment meiner bisherigen Karriere.“ Sogar der mit Einzellob eher sparsame Deschamps lobte den Spieler des Tages und erinnerte vor allem daran, dass der junge Mann zuhause in Frankreich nicht nur geliebt wird. „Es ist normal kritisiert zu werden, das gehört zum Leben. Manchmal ist es hart, manchmal ist es unfair - aber er ist wieder aufgestanden und er hat sein Potenzial gezeigt.“

In der Heimat wird der bisher erfolgreiche WM-Großauftrag schon als Renaissance des französischen Fußballs gewertet - gerade vor dem Hintergrund des kläglichen Vorrunden-K.o.s bei der WM 2010. „Der blaue Traum geht weiter“, kommentierte „Le Figaro“. Die Zeitung „Le Parisien“ schwärmte: „Les Bleues legen weiter ihre Spur Richtung Gipfel. Wir bewundern sie.“ Die Sporttageszeitung „L'équipe“ titelte: „Die Geschichte beginnt neu.“

Im Viertelfinale in Rio de Janeiro kommt es zum vierten WM-Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich. Nur das erste Duell 1958 in Schweden gewannen die Franzosen mit 6:3. Beim Wiedersehen im WM-Halbfinale 1982 siegte die deutsche Elf erst im Elfmeterschießen - das nicht geahndete Foul von Torhüter Toni Schumacher gegen Patrick Battiston in der regulären Spielzeit wurde bereits am Dienstag im französischen TV mehrmals gezeigt. 1986 in Mexiko gelang den Deutschen erneut im Halbfinale ein 2:0.

„Die Franzosen treffen auf ihren 'besten' Feind. Die Phantome von 1982 und 1986 kommen wieder zum Vorschein“, schrieb „La Dépêche“. Insgesamt hat Frankreich eine positive Bilanz gegen die deutsche Mannschaft. In 25 Spielen gab es elf Siege, sechs Unentschieden und acht Niederlagen.

Deschamps gab seinem Team nach dem Kraftakt gegen Nigeria erst einmal die Erlaubnis für eine kleine Party. Für die Vorbereitung auf die nächste Aufgabe sei noch ausreichend Zeit, ergänzte der ehemalige Welt- und Europameister. Torhüter Hugo Lloris legte sich bei der Analyse der deutschen Mannschaft dagegen jetzt schon fest. „Das ist zusammen gesehen vielleicht das beste Team, sie sind wie eine Maschine. Sie haben viele talentierte Spieler“, sagte Lloris. Das Viertelfinale werde „ein sehr hartes Spiel. Aber wir spielen die Weltmeisterschaft für solche Momente, für Spiele gegen die besten Mannschaften der Welt“.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: