Fußball:Flüchtlinge und Fußball: Sie wollen doch nur spielen

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Die Jugendlichen Ibo Ceesay (l-r) aus Gambia, Majid Mahmut aus Syrien und Marti Sultani aus Afghanistan sitzen auf dem Sportplatz in Niederwörresbach neben dem Leiter der Fussballabteilung des örtlichen Sportvereins, Günter Reichardt. (Foto: Harald Tittel)

Niederwörresbach (dpa) - Die Telefonnummern in Niederwörresbach sind vierstellig. Drei grüne Berge, dazwischen der Ort. Wer Günter Reichardt sprechen will, muss warten, bis die Kirmes in der Gemeinde in Rheinland-Pfalz vorbei ist, dann ist auch wieder Zeit da. Davor sind alle beschäftigt.

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Niederwörresbach (dpa) - Die Telefonnummern in Niederwörresbach sind vierstellig. Drei grüne Berge, dazwischen der Ort. Wer Günter Reichardt sprechen will, muss warten, bis die Kirmes in der Gemeinde in Rheinland-Pfalz vorbei ist, dann ist auch wieder Zeit da. Davor sind alle beschäftigt.

Etwa 900 Menschen leben hier. Ein typischer kleiner Ort mit vielen Vereinen. Der SV Niederwörresbach ist einer davon. Und vielleicht ist er auch der Grund, warum diese Gemeinde doch nicht so gewöhnlich ist.

An einem Ort wie Niederwörresbach fallen Fremde schnell auf. In letzter Zeit erreichen immer mehr Flüchtlinge das Städtchen. Die meisten sind noch minderjährig, in der Gemeinde steht ein Kinderheim, in dem sie untergebracht werden. Keine 100 Meter sind es von dort bis zum Fußballplatz.

„Natürlich gehören die dazu“, sagt Reichardt. Er leitet die Fußballabteilung des Sportvereins. Bis zu zehn Flüchtlingskinder spielen im Verein, die Zahl kann sich schnell ändern, wenn die Kinder woanders untergebracht werden. Vereine wie den SV Niederwörresbach unterstützt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Rahmen seiner Initiative „1:0 für ein Willkommen“ einmalig mit 500 Euro. Damit werden in diesem und im nächsten Jahr zusammen 1200 Fußballclubs gefördert. 450 Anträge wurden in den ersten 100 Tagen bewilligt.

Doch wie viel kann man mit 500 Euro erreichen? „Das ist viel Geld“, meint Wolfgang Watzke. Er ist Geschäftsführer der DFB-Stiftung Egidius Braun, die die Summe zur Verfügung stellt. „Es gibt Fälle, in denen die Flüchtlinge barfuß zum ersten Training kamen“, sagt er. Das Geld kann also durchaus eine erste Hilfe sein. „Wir wollen flächendeckend arbeiten und mit dem Geld nicht nur ein paar wenige Vereine erreichen“, erklärt Watzke. 1200 Vereine, das sind etwa fünf Prozent aller Mitglieder. Bei wie vielen von ihnen tatsächlich Flüchtlinge im Ort wohnen, ist nicht klar.

Auch Günter Reichardt will sich über die Summe nicht beklagen. Der Verein will Trikots kaufen, Fußballschuhe, und vielleicht reicht es auch noch, um den Kindern die Teilnahme am jährlichen Fußballcamp zu bezahlen. Doch da liegt für Reichardt eh nicht das Problem. Er fragt sich eher: Was soll ein Kind mit einem Trikot, wenn es beim Turnier gar nicht spielen darf?

Solange der Aufenthaltsstatus eines Flüchtlings nicht geklärt ist, kann er zwar kein Vereinsmitglied werden, einen Spielerpass darf er aber trotzdem bekommen. Nur ist es bis dahin ein weiter Weg. „Die Initiative des DFB geht in die falsche Richtung“, sagt Reichardt über den Finanzzuschuss. „Dass der Verband damit hausieren geht, stört mich.“ Zwei Monate dauere es im Durchschnitt, bis ein Kind einen Spielerpass bekomme. Zu lang, meint Reichardt. Das Problem sei nicht neu, bewegt habe sich der DFB aber bisher kein bisschen, beklagt der Fußballtrainer.

Mit den Hürden wollen der Deutsche Fußball-Bund und der Weltverband FIFA Menschenhandel vorbeugen. Talentierte junge Spieler sollen nicht leichtfertig aus dem Ausland verpflichtet werden können. Bei Kindern, die älter sind als zwölf Jahre, muss der Heimatverband bestätigen, dass sie dort keinen Vertrag unterschrieben haben. „Wir spielen Kreisklasse, da geht es doch nicht um Profiverträge“, wirft Reichardt ein.

Läuft bei der Anfrage alles glatt oder antwortet der Verband innerhalb von 30 Tagen gar nicht, bekommt das Kind den Pass. Bis der jedoch ankommt, ist mancher Flüchtling schon gar nicht mehr da. In Schleswig-Holstein testet der Landesverband derzeit seine Grenzen und stellt die Pässe ohne die Fristen aus. So etwas wünscht sich Reichardt auch anderswo.

Angesichts der Hürden fällt es leicht, die Initiative des DFB als Imagekampagne abzutun, die von den größeren Problemen ablenken soll. Und dennoch sind die 500 Euro „Starthilfe“, wie Watzke sie nennt, ein Zeichen, dass auch in den Verbänden ganz langsam etwas in Gang kommt.

Auch beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) rücken Flüchtlinge in eine zentralere Rolle. Bislang war die Förderung im Bundesprogramm „Integration durch Sport“ nicht explizit vorgesehen - das hat sich nun geändert. „Wir haben das Programm für Asylbewerber und Geduldete öffnen können, nachdem uns das Bundesinnenministerium als Geldgeber die Freigabe dafür erteilte“, erklärt Heike Kübler vom DOSB. Zusätzlich entstehen gerade Projekte, bei denen Flüchtlinge leichter in die Angebote der Vereine integriert werden sollen. Mit welcher Summe die Initiativen ausgestattet sein werden, will der DOSB noch nicht bekanntgeben.

Manchmal aber reicht es nicht, bloß darauf zu warten, dass sich etwas zum Besseren wendet - man muss selbst dafür sorgen. Die Niederwörresbacher hatten es eines Samstags Ende vergangenen Jahres satt. Trotz Strafe für den Verein ließen sie den jungen Flüchtling Majed aus Syrien bei einem Turnier auflaufen - ohne Spielerpass. Majed traf siebenmal.

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