Fußball-EM:Spanien verzweifelt ... doch dann kommt Piqué

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Gerard Pique übernahm die Aufgaben seiner Stürmer: Er schoss das entscheidende Tor gegen Tschechien. (Foto: AP)

Spanien ist gegen Tschechien drückend überlegen - schießt aber kein Tor. Erst das Zusammenspiel von zwei Barça-Akteuren erlöst den Titelverteidiger.

Von Javier Cáceres, Toulouse

Die Geschichte beweist, dass Spaniens Nationalelf auch in der größten Blüte ihres Fußballs Probleme gehabt hat, in die Turniere zu starten. 2008 setzte sie sich gegen Russland noch mit 4:1 durch - und holte schließlich doch den Titel. Danach gab es bei Auftaktspielen nie wieder einen Sieg: Bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika musste sie schlucken, als sie gegen die Schweiz unterlag - und auch dort holte sie den Pokal.

Bei der Europameisterschaft 2012 in Polen spielten die Spanier gegen Italien 1:1-Unentschieden - als sich die beiden Mannschaften im Finale von Kiew wiedertrafen, siegte Spanien 4:0. Weitaus dramatischer war der Auftakt 2014 in Brasilien, die Niederlande siegten mit 5:1, Spanien schied aus. Auch das Auftaktspiel gegen die Tschechen bei der EM in Frankreich geriet für die Spanier zur zähen Angelegenheit. Trotz drückender Überlegenheit mussten die Titelverteidiger bis zur 87. Minute auf den Siegtreffer durch Gerard Piqué warten. Der Verteidiger des FC Barcelona köpfelte eine Flanke seines Mannschaftskameraden Andrés Iniesta ein, als das Spiel fast schon beendet war.

Del Bosque hat seine Entscheidung vermutlich vor langer Zeit getroffen

Spaniens Weltmeister-Trainer Vicente Del Bosque hatte das Geheimnis um die brenzligste Personalie erst wenige Stunden vor der Partie gelüftet. Um elf Uhr teilte er der Mannschaft die Startelf mit - und dabei bestätigte er, dass David De Gea von Manchester United im Tor stehen würde. Rekordnationalspieler Iker Casillas (FC Porto/167 Länderspiele) musste damit auf der Bank Platz nehmen. Die Entscheidung hatte Del Bosque offenbar schon vor langer Zeit getroffen. Doch dann wurde Ende vergangener Woche publik, dass De Gea in eine Sex-Affäre verwickelt ist, die für pikante Schlagzeilen sorgte.

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De Gea, 25, soll Drahtzieher einer "sexuellen Begegnung" gewesen sein, bei dem es zu Übergriffen gegen zwei Frauen gekommen worden sein soll. De Gea hatte die Vorwürfe als Lüge zurückgewiesen. De Gea hatte unbestritten eine bessere Saison gespielt als Casillas. Doch würde De Gea dem Druck standhalten? Del Bosque beobachtete De Gea übers Wochenende - und bejahte letztlich die Frage. De Gea soll in den Tagen vor der Partie bestens geschlafen haben - und durfte damit das zehnte Länderspiel seiner Karriere bestreiten. Virtuelle Unterstützung erfuhr er von seiner Freundin Edurne, einer in Spanien durchaus bekannten Sängerin. "Vamos David, vamos España", twitterte die einstige Eurovisions-Teilnehmerin.

Im Lichte des Spiels war die Debatte um die Frage nach der spanischen Nummer 1 eigentlich überflüssig. Spanien hätte auch gut und gerne ohne Torwart spielen können. Die Partie spielte sich fast ausschließlich in der Hälfte der Tschechen ab, die ihren Strafraum mit zwei dicht gestaffelten Abwehrreihen bewachten. Lediglich Mittelstürmer Tomas Necid durfte sich in Nähe der Mittellinie aufhalten, der Rest gruppierte sich in und am Strafraum.

Die Spanier kontrollierten den Ball und versuchten, klare Angriffszüge zu stricken. Mal versuchte es Silva, mal Andrés Iniesta, mal Cesc Fábregas, mal David Silva. Doch durch einen Wald aus Beinen war kaum je ein Durchkommen, und wenn es doch so weit war, spielte der grandiose Torhüter mit der Rugby-Kappe, Petr Cech, all seine Routine aus. In der 16. und in der 29. Minute parierte er zwei gute Schüsse von Mittelstürmer Álvaro Morata (Juventus Turin); in der 40. Minute musste sich Jordi Alba dem Keeper des FC Arsenal beugen.

Keine größeren Probleme für De Gea

Just als der Schiedsrichter anfing, zu kalkulieren, wie viele Minuten er wohl noch nachspielen lassen müsste, kamen die Tschechen tatsächlich zu ihrem ersten Schuss auf das Tor von De Gea. Nach einem Pass von Herthas Mittelfeldspieler Vladimir Darida kam Mittelstürmer Necid am Strafraum zum Schuss. Doch dieser geriet derart schüchtern, dass er De Gea vor keine größeren Probleme stellte. Nach der Pause veränderte sich das Bild. Zwar kamen die Spanier in den ersten beiden Minuten nach der Pause zu einer Doppelchance. Zunächst setzte Innenverteidiger Roman Hubnik einen Flachpass an den eigenen Pfosten; dann scheiterte Sergio Ramos vor Hubnik und Cech. Doch die Tschechen entwickelten mehr Zutrauen in die eigenen Offensivfähigkeiten.

Danach aber hätten die Tschechen den Spielverlauf fast völlig auf den Kopf gestellt. In der 58. Minute kam Hubnik nach einem Freistoß von Ladislav Krejci allein vor De Gea zum Abschluss; in der 65. Minute musste Cesc nach einem Kopfball von Rechtsverteidiger Theodor Grebre Selassie auf der Linie retten. Danach übernahm Spanien wieder das Kommando. Trainer Del Bosque brachte Mittelstürmer Aduriz, Bayern-Mittelfeldspieler Thiago und Pedro. Es folgten weitere Chancen, das Übergewicht der Spanier wurde erdrückend. Der Monolog der Spanier drohte fruchtlos zu enden. Doch dann kam Piqué und verschaffte Spanien einen verdienten Sieg, den De Gea festhielt: In der Nachspielzeit faustete er einen strammen Schuss von Darida zurück ins Feld.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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