Fußball-EM:Manuel Neuers schwerste Prüfung

Lesezeit: 3 min

Der famose Torwart hat mit den französischen Angreifern Giroud und Griezmann zuletzt keine guten Erfahrungen gemacht. Im Halbfinale hängt noch mehr von ihm ab als bisher.

Von Thomas Hummel, Paris

Olivier Giroud ist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der weder Rüstung noch Helm benötigt, um auszusehen wie ein römischer Zenturio. Mit seinem Muskelkörper, dem dichten Bart und den gerade nach oben stehenden Haaren sagte der Stürmer der französischen Nationalmannschaft nun leise, aber bestimmt: Manuel Neuer sei "keine unüberwindbare Mauer".

Vor einigen Jahrzehnten noch hätte eine solche Majestätsbeleidigung die bilateralen Beziehungen beider Länder gestört. Doch die Zeiten, in denen Fußballspiele zwischen Frankreich und Deutschland politisch aufgeladen waren, sind Gott sei Dank vorbei. Girouds Aussage bleibt auf den Fußball beschränkt - doch hier kann sie aus deutscher Sicht nur als empörende Respektlosigkeit gewertet werden. Manuel Neuer soll keine unüberwindbare Mauer sein? Frechheit!

Fußball-EM
:Kein einziger blauer Fleck im französischen Team

Während Joachim Löw vier wichtige Spieler fehlen, ist der komplette Kader der Franzosen einsatzbereit. Die Ehrfurcht vorm Weltmeister ist bei Trainer Deschamps trotzdem groß.

Von Claudio Catuogno

Abstumpfung gegen gute Neuer-Nachrichten macht sich breit

Der 30-Jährige spielt doch mal wieder ein solch famoses Turnier, dass es für viele schon gar nicht mehr der Rede wert ist. So viele Lobesdepeschen, wie sie dieser Torwart verdient hat, kann kein Mensch überbringen und auch nicht konsumieren! Irgendwann sagt jeder nur noch im Nebensatz: Okay, er ist der Beste, das wissen ja nun alle. Oder wie es Jérôme Boateng nach einer Blitzparade im Achtelfinale gegen die Slowakei betont sachlich ausdrückte: "Das ist der Manu, den hält glaub' ich nicht jeder. Er hält ihn aber." Es hat sich längst eine Art Abstumpfung gegen gute Neuer-Nachrichten breit gemacht.

Manuel Neuer hat in diesem Turnier aus dem Spiel heraus in fünf Partien noch kein Gegentor kassiert. Er hat gegen die Ukraine und gegen die Slowakei selbst heikle Schüsse mit großer Selbstverständlichkeit abgewehrt. Und diese heiklen Schüsse zu Allerweltsschüssen degradiert. Nur der Elfmeter von Leonardo Bonucci flutschte ihm durch. Dass er im Elfmeterschießen des Viertelfinals gegen Italien dann einen Versuch mehr abwehrte als sein Welttorhüter-Vorgänger Gianluigi Buffon, gehört mit zur Legende: Wenn es ganz eng wird, kann sich Fußball-Deutschland auf Manuel Neuer verlassen.

Im Halbfinale von Marseille aber droht ihm die größte und schwierigste Prüfung. Das liegt auch an dem Zenturio Giroud.

Girouds lapidare Einlassung zu Neuer beruht auf einer Vorgeschichte, Der Franzose hat die Mauer Neuer nämlich schon einige Male überwunden. Zuletzt im Länderspiel in Paris am 13. November. Und im Champions-League-Gruppenspiel in London, mit dem FC Arsenal gegen den FC Bayern. Ganz allgemein läuft es gerade sehr gut bei dem 29-jährigen Stürmer, in den vergangenen elf Länderspielen traf er zehn Mal. "Er ist ein gefährlicher Strafraumspieler, kopfballstark, kann den Ball gut halten und ist unangenehm ist für die Innenverteidiger", lobte ihn Neuer. Dann fügte er an, dass Giroud ja nicht der einzige Franzose sei, auf den man achten müsse.

Auch die letzte Begegnung mit Antoine Griezmann hinterließ beim deutschen Torwart schlechte Laune. Im Halbfinale der Champions League kam der Angreifer von Atlético Madrid auf ihn zugelaufen und verwandelte so sicher, als hätte ein Stümper vor ihm im Tor gestanden. Das 1:1 entschied letztlich den Vergleich, der FC Bayern unter Pep Guardiola war wieder einmal vor dem Finale draußen. "Im Eins-gegen-Eins gegen den Torwart ist er ein starker Spieler", gestand Neuer. Er wirkte dabei durchaus ein wenig nachdenklich.

Fußball
:Der EM-Titel wäre Frankreich zu gönnen

Die Europameisterschaft könnte für das krisengeschüttelte Land zu einem Akt der Befreiung geraten. Es geht im Spiel gegen Deutschland um mehr als Fußball.

Kommentar von Christian Wernicke

"Wir werden einen Matchplan haben, den werden wir verfolgen"

Am liebsten wäre ihm vermutlich, weder Giroud noch Griezmann noch der dritte französische Angreifer Dimitri Payet würden alleine vor ihm auftauchen am Donnerstagabend im Stade Velodrome von Marseille. Nach dem Ausfall von Mats Hummels (Sperre) muss Bundestrainer Joachim Löw die Abwehr umstellen. Auch im Mittelfeld muss durch die Verletzungen von Sami Khedira (fehlt sicher) und Bastian Schweinsteiger (fehlt vermutlich) ein neuer Plan her. Vielleicht machte Neuer am Dienstagmittag im Trainingscamp von Évian deshalb so einen grüblerischen Eindruck: Weil er ahnt, dass im Halbfinale noch mehr von ihm abhängt als ohnehin schon.

"Wir werden einen Matchplan haben, den werden wir verfolgen, und ich bin überzeugt, dass es der richtige ist", machte er sich und seiner Mannschaft Mut. Schließlich spiele die Defensive bisher ein sehr gutes Turnier. Vielleicht erinnert er sich auch gerade hier in Frankreich an die vielen Asterix-Geschichten. Denn wie enden diese stets für einen groß tönenden Zenturio? Er wird degradiert. Und muss das Lager fegen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: