DFB-Elf besiegt Weißrussland:"Wir haben unser Ziel erreicht"

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Grund zum Abklatschen: Toni Kroos (rechts) und Leon Goretzka. (Foto: dpa)
  • Die deutsche Nationalmannschaft qualifiziert sich vorzeitig für die Fußball-EM 2020.
  • Dafür genügt ein 4:0 gegen Weißrussland. Die Tore erzielen Ginter, Goretzka und zweimal Kroos.
  • Hier geht es zur Einzelkritik der DFB-Elf.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Als Wohnzimmer wirkt das Fußballstadion "Borussia-Park" im kaltfeuchten Herbst eher ungemütlich, auch wenn es natürlich sehr viele Sitzgelegenheiten bietet. Gastgeber in seinem selbsternannten "Wohnzimmer" war am Samstagabend der Mönchengladbacher Nationalspieler Matthias Ginter, und wenn er seinen 33 164 Gästen schon nicht Tee und Spekulatius servieren konnte, so erfreute er sie umso mehr in seiner Dreifach-Rolle als Abwehrchef, Torschütze und Torvorbereiter im vorletzten Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2020 mit famoser Beihilfe zu einem 4:0 (1:0)-Sieg gegen Weißrussland.

Sein erstes Länderspieltor zum 1:0 hat er sich für sein 29. Länderspiel in Mönchengladbach aufgehoben. Nach dem Schlusspfiff erkundigten sich die deutschen Spieler umgehend nach dem Ergebnis im relevanten Parallelspiel, und weil die Nordiren dort gegen die Niederlande 0:0 gespielt haben, war klar: Deutschland ist bereits vor dem finalen Gruppenspiel gegen Nordirland am Dienstag in Frankfurt für die EM qualifiziert.

"Wir haben unser Ziel erreicht", lobte deshalb Bundestrainer Joachim Löw: "Die Mannschaft hat gut gespielt. Wir haben einige gute Kombinationen gezeigt und vier Tor erzielt. Sicher war nicht alles perfekt, aber unter dem Strich bin ich sehr zufrieden." Auch Ginter sagte: "Es war unser großes Ziel, heute schon die Quali klar zu machen. Wir freuen uns, dass wir beim großen Turnier dabei sind."

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Gnabry bereitet vor, Ginter trifft mit der Hacke

Es gab noch einen zweiten deutschen Spieler, der sich an den Borussia-Park als Wohnzimmer zumindest gut erinnert, das ist der Torwart Marc-André ter Stegen, der von 2010 bis 2014 für Borussia Mönchengladbach gespielt hat. Er saß am Samstagabend aber nur auf der Ersatzbank, weil der Bundestrainer trotzig mitgeteilt hatte, dass man nicht "nach Wohnzimmer" aufstelle. Im Fall Ginter hatte Löw hingegen sowieso keine andere Wahl gehabt, weil so viele Abwehrspieler verletzt oder angeschlagen waren, dass sich die Viererkette mit Lukas Klostermann, Ginter, Robin Koch und Nico Schulz gleichsam von selbst aufstellte.

Mit Ginter und Koch bildeten erstmals zwei beim Freiburger Trainer Christian Streich ausgebildete Innenverteidiger das Zentrum der deutschen Abwehr, was dem auf "Robustheit" erpichten Bundestrainer Löw insofern gefiel, als Ginter lobend erwähnt hatte: "Beim Christian Streich lernt man das Mentale, den Willen." Zu diesem Zwecke war nun Weißrussland allerdings nicht gerade der perfekte Gegner. Man nennt das Land die Lunge Europas, aber das liegt an den ausgiebigen Wäldern und durchaus nicht an der Nationalmannschaft, die kein Pressing modernster Prägung praktiziert, sondern eher eine defensive Verdichtung am eigenen Strafraum - teils sogar erst darin. Nach einer halben Stunde lagen die Deutschen mit 80 Prozent Ballbesitz und 12:0 Torschüssen vorne. Aber nach Toren stand es noch 0:0.

In der 40. Minute hätte dieser einseitig präparierte Sketch beinahe eine absurde Pointe bekommen, als der Weißrusse Igor Stasevich den ersten Torschuss seiner Mannschaft aus 18 Metern derart gut schlenzte, dass Neuer schon eine seiner besseren Flugeinlagen zeigen musste, um den Rückstand zu verhindern. Aber manchmal bedarf es ja eines solchen kleinen Stromschlags, um die Sinne zu schärfen, und so war es vielleicht gar nicht so verwunderlich, dass im Gegenzug das 1:0 für Deutschland fiel. Dass der sehr aktive Serge Gnabry den Treffer vorbereitete, war keineswegs überraschend, wohl aber, dass der Innenverteidiger Ginter so schnell so weit mit aufgerückt war, dass er per Hacke geradezu artistisch zum Treffer vollendete. Die Lunge Europas war an diesem Abend Ginter, aber was tut man nicht alles als guter Gastgeber.

Von den Weißrussen war angesichts des Rückstands nach der Pause keine Risikozulage zu erwarten, dazu waren sie ihrer EM-Chancen schon länger ledig gewesen. Die deutsche Mannschaft durfte die Spielform Zehn gegen Zehn auf ein Tor also weiter üben, woraus wenig überraschend alsbald der zweite Treffer resultierte. Und wieder war Ginter beteiligt: mit brillanter Passivität. Er täuschte in der 49. Minute nach einer flachen Ecke von Toni Kroos einen Schuss an, ließ den Ball dann aber durch zu Leon Goretzka, der zum 2:0 einschoss. Sechs Minuten später erhöhte Kroos aus 18 Metern auf 3:0, den Querpass dazu hatte er von einem Spieler erhalten, dessen Leistung einem an diesem Abend fast ein bisschen Angst machte: Matthias Ginter, 25, gebürtiger Freiburger und nach einem dreijährigen Gastspiel bei Borussia Dortmund seit 2017 in Gladbach.

Einen kleinen Schönheitsfehler erlaubte sich Ginters Abwehrreihe eine Viertelstunde vor Schluss, als Robin Koch im Strafraum ein Foul beging und dafür mit Gelb und einem Elfmeter bestraft wurde. Stasevich schoss und fand in Neuer zum zweiten Mal an diesem Abend seinen Meister. Dass die deutsche Mannschaft gegen Ende schwächer wurde, störte den Trainer Löw nicht besonders. Schon vor dem Spiel hatte er gesagt: "Man kann von dieser jungen Mannschaft nicht erwarten, ein Spiel durchgehend zu dominieren." Zum 4:0 reichte es aber trotzdem noch, Kroos setzte in der 83. Minute den Schlusspunkt. Es war der erste Treffer des Abends, bei dem Ginter nicht mal in der Nähe war. Der Hausherr sah es sich diesmal zufrieden von hinten an.

© SZ vom 17.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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