Fußball:Doch kein Abstieg zum Abschied? Bruchhagen hört auf

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Frankfurt/Main (dpa) - Die vielleicht letzte Dienstreise einer langen Karriere wird für Heribert Bruchhagen kein Vergnügen. "Ich werde 90 Minuten leiden", sagte der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt vor dem Abstiegs-Endspiel bei Werder Bremen.

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Frankfurt/Main (dpa) - Die vielleicht letzte Dienstreise einer langen Karriere wird für Heribert Bruchhagen kein Vergnügen. „Ich werde 90 Minuten leiden“, sagte der Vorstandschef von Eintracht Frankfurt vor dem Abstiegs-Endspiel bei Werder Bremen.

„Wenn man im Existenzkampf steckt, führt das schon mal zur Atemlosigkeit“, sagte Bruchhagen. Seit 28 Jahren ist der 67-Jährige als Vorstand oder Manager im bezahlten Fußball tätig. Im Dezember 2003 trat er seinen Posten bei der Eintracht an, nach dieser Saison wird er in den Ruhestand gehen. Noch immer ist theoretisch möglich, was Bruchhagen immer vermeiden wollte: ein Abstieg zum Abschied. Deshalb die große Nervosität.

Deshalb werden nun Woche für Woche Geschichten erzählt wie die vom wichtigen Sieg im Hessenderby bei Darmstadt 98: „Er musste sich alle drei Minuten von Ministerpräsident Volker Bouffier das Feuerzeug leihen“, sagte sein Vorstandskollege Axel Hellmann später.

Immerhin: „Ich bin absolut optimistisch, dass ich die Eintracht als Erstligist übergebe“, betonte Bruchhagen. „Ich weiß nur nicht, in welchem Schritt wir das schaffen.“

Nach drei Siegen in Serie sind die Frankfurter wieder 15. der Bundesliga-Tabelle. Schon ein Unentschieden beim 16. in Bremen würde zum Klassenerhalt reichen. Sollte die Eintracht am Samstag verlieren, müsste sie mit großer Wahrscheinlichkeit in die Relegation. Sollten die eigene Niederlage und ein Stuttgarter Sieg in Wolfsburg aber so hoch ausfallen, dass der VfB damit sechs Tore auf die Hessen aufholen würde, müssten die Frankfurter doch noch direkt absteigen.

„Es ist doch klar: Wenn man geht, möchte man nicht einen Zweitligisten hinterlassen. Doch mein Einfluss darauf ist auf der Tribüne leider begrenzt“, sagte Bruchhagen.

Mit ihm als Manager stiegen der FC Schalke 04 (1991) und Arminia Bielefeld (1999) in die Bundesliga auf. Auch der Hamburger SV spielte in seiner Zeit von 1992 bis 1994 zumindest zeitweise noch um die Europapokal-Plätze mit. Als sein Lebenswerk gilt aber die mehr als zwölf Jahre dauernde Ära bei der Eintracht.

Es ist das Verdienst des früheren Sport- und Geografielehrers, dass aus der „launischen Diva“ ein kerngesunder und hochseriöser Verein geworden ist. Mit einem „Umsatz von 103 Millionen, einem Eigenkapital von 8,8 Millionen und Bankverbindlichkeiten von null Euro“ werde er den Club am 30. Juni übergeben. Darauf ist Bruchhagen stolz. „Der Verein hat mir emotional ganz viel gegeben. Ich habe mich rundum wohlgefühlt und habe die zwölfeinhalb Jahre sehr genossen“, sagte er.

Bruchhagens Abschied ist aber nicht nur für die Eintracht ein Verlust. In Zeiten, in denen im Profifußball immer höhere Summen bewegt und immer mehr künstliche Aufregungen produziert werden, stand er immer für Werte, die in diesem Milliardengeschäft leicht unter die Räder geraten: Bodenständigkeit, Kontinuität, Augenmaß und Vernunft.

Es sei „so etwas wie mein Vermächtnis“, sagt er selbst, immer vor dem Auseinanderdriften der Clubs gewarnt zu haben. „1989, zu meiner Zeit bei Schalke 04, bekamen alle Clubs das gleiche Fernsehgeld. Eine Million Mark“, erzählte er in den vergangenen Wochen in mehreren Interviews. „Heute geht die Schere immer weiter auseinander, nicht nur national, sondern auch bei den internationalen TV-Geldern.“

Wer so viel mahnt und so viele Kontroversen anzettelt, macht sich damit in der Regel nicht beliebt. Bei Bruchhagen ist das jedoch anders. Schalkes Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies ist ein guter Freund von ihm, der langjährige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach auch. Selbst der große FC Bayern wird ihn vermissen.

„Ich erinnere mich noch gut, als Uli Hoeneß mich irgendwann mal als wilden Provinzlümmel dargestellt hat, in der Folge haben Uli und ich uns ein paar Mal richtig attackiert“, sagte Bruchhagen der Münchener „TZ“. „Heute sehe ich ihn als sportlichen Freund. Wir haben inzwischen ein sehr vertrautes Verhältnis.“

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