Fußball:Die EU schuld? England-Fans verarbeiten das WM-Desaster

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London (dpa) - Die plötzlich aufgekeimte Liebe Englands zu Italien war kurzlebig. "Verdammt typisch. Was haben diese Römer jemals für uns getan?" Englands Ex-Nationalstürmer Gary Lineker machte seinem Ärger über das besiegelte WM-Aus über Twitter Luft und zitierte Monty Python.

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London (dpa) - Die plötzlich aufgekeimte Liebe Englands zu Italien war kurzlebig. „Verdammt typisch. Was haben diese Römer jemals für uns getan?“ Englands Ex-Nationalstürmer Gary Lineker machte seinem Ärger über das besiegelte WM-Aus über Twitter Luft und zitierte Monty Python.

Dass die Azzurri England nicht retten konnten, lenkte keinen Fan der Three Lions davon ab, dass die Misere hausgemacht ist. „Jahrelang habe ich darauf gewartet, dass England wie die Spanier spielt. Jetzt machen wir es.“ Der Spruch des Komikers Simon Brodkin avancierte zum WM-Witz des Jahres auf der Insel.

Dabei hätte diesmal alles anders werden können. Es hätte eine WM ohne Enttäuschung sein können, ohne Tränen, die ins Pintglas tropfen. Nicht, weil England eine Chance auf den Titel hatte. Sondern weil das, außer vielleicht Wayne Rooney, auch kaum einer glaubte. Anders als sonst schalteten Pub-Besitzer und Familienväter die Fernseher nicht mit der Gewissheit ein, dass es diesmal klappen werde, solange man nicht gegen Deutschland ins Elfmeterschießen müsse. Einer Umfrage zufolge erwartete kein Volk so wenig von seinem Team wie die Engländer. Und die WM-Devotionalienhändler warfen Trainer Roy Hodgson vor, sein Pessimismus schade dem Geschäft.

Die bewährte englische Tradition, im Viertelfinale rauszufliegen, hätte die Nation sich selbst diesmal als Erfolg verkaufen können. Und dann das: Negativrekord. Zum ersten Mal überhaupt die beiden ersten Spiele verloren, erstmals seit mehr als 50 Jahren wieder in der Vorrunde raus. England musste doch wieder ins zimmerwarme Ale weinen.

Trotz des Schocks reagierten die Untertanen der Queen, wie es die Welt von ihnen erwartet. „Football is coming home“, witzelten Fans (und Gegner) im Internet, nachdem am Freitagabend das Aus in Brasilien besiegelt war. Mit dem Hinweis, man möge doch bitte korrekt recyceln, kursierten Bilder von drei Mülltonnen. Die Aufschrift: England-Trikots, England-Fahnen, Wettscheine.

Schnell wurde die Frage laut, ob die Misere nicht der EU in die Schuhe zu schieben sei - ein Lieblings-Denksport von Politikern in wirtschaftlichen und politischen Fragen. Die Lösung, verbreitet via Twitter, fand ausgerechnet ein Niederländer. Journalist Stefan de Vries belegte statistisch einwandfrei: Seit das Vereinigte Königreich 1973 der EU beitrat, konnte England keinen WM-Titel holen.

Ihren weltberühmten Humor haben die Engländer während ihrer langen WM-Leidensgeschichte seit 1966 geschliffen. Ebenso alt wie beliebt ist der Witz: „Was ist der Unterschied zwischen der englischen Nationalmannschaft und einem Teebeutel?“ - „Der Teebeutel bleibt länger im Cup (der Tasse).“

Leiden, einen Spruch machen, auf die Premier League freuen: Damit kennt man sich in England aus, so läuft es auch in diesem Jahr. Der Fußballblog „The Football Ramble“ schrieb über die Niederlage enthusiastisch aus Sicht des Gegners und kommentierte: „Entweder so oder sich suhlen in der guten, alten Depression, die alle zwei Jahre um diese Zeit aufkommt.“ Und eine Nordengländerin in einem Pub im Londoner Regierungsviertel räsonierte: „Vielleicht sollten wir uns auf einen anderen Sport konzentrieren. Cricket und Rugby sind aber auch nicht wirklich gut.“ Vielleicht Darts? „Ja, Darts könnte gehen.“

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