Fußball:Der BVB darf sich als Sieger fühlen

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  • Borussia Dortmund gibt nach langem Trara den Wechsel des Franzosen Ousmane Dembélé zum FC Barcelona bekannt.
  • Der spanische Topklub lässt sich den Offensivspieler ein Ablösepaket von 150 Millionen Euro kosten. Unfassbar viel Geld für einen Spieler mit zehn Bundesligatoren.

Von Martin Schneider

In einer Fußballwelt, in der auch nüchterne Zahlen immer unglaublicher werden, ist es ganz interessant, sich mal normale nüchterne Zahlen anzugucken. Der Spieler Ousmane Dembélé hat zum Beispiel für Borussia Dortmund 50 Pflichtspiele gemacht, dabei zehn Tore geschossen (was eher wenig ist) und dabei 22 Tore vorbereitet (was eher viel ist). In der Scorer-Liste der vergangenen Bundesliga-Saison, in der Tore und Vorlagen addiert werden, kommt Dembélé auf 19 Punkte (sechs Tore, 13 Vorlagen) und belegt damit Platz neun. Spieler wie Andrej Kramaric (23 Punkte) oder auch Max Kruse (22 Punkte) schneiden besser ab, beim BVB hat auch ein gewisser Marco Reus über die Jahre eine ungleich bessere Torquote als der 20-jährige Franzose.

Und doch werden weder Reus, noch Kramaric, noch Kruse und noch nicht mal Paul Pogba oder Cristiano Ronaldo nun nach dem Brasilianer Neymar der zweitteuerste Transfer der Fußball-Geschichte werden. Am Freitagnachmittag gab der BVB den Wechsel des Offensivspielers per Adhoc-Mitteilung bekannt, 105 Millionen Euro beträgt die fixe Ablösesumme, dazu kommen 42 Millionen Euro variable Zahlungen, die im Erfolgsfall fällig werden. Insgesamt wird der FC Barcelona für den neuntbesten Scorer der Bundesliga also fast 150 Millionen Euro hinlegen und man hat den Eindruck, dass das ganze Wechseltheater für zwei der drei beteiligten Parteien ziemlich gut gelaufen ist. Für Dembélé, der nun bei seinem Wunschverein spielen kann, einen Fünf-Jahres-Vertrag bekommt mit einer festgeschriebenen Ablöse von 400 Millionen Euro. Und vor allem für Borussia Dortmund.

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Wenn ein großer Hai den BVB fressen will, dann tut er das

Denn die nüchternen Zahlen führen einen hier in die Irre. Es war schon früh klar, dass Ousmane Dembélé ein Spieler ist, den Borussia Dortmund nicht auf Dauer wird halten können. Seine Klasse, sein Tempo, seine Technik, seine Wirbel-und-Dreh-Fähigkeiten lassen sich von der Statistik natürlich nur bedingt erfassen. Und der BVB ist im europäischen Ökosystem trotz regelmäßiger Champions-League-Teilnahmen immer noch bloß ein mittelgroßer Raubfisch, kein Top-Prädator. Wenn ein großer Hai den BVB fressen will, dann tut er das. Die Spieler Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan waren zum Beispiel die Beutetiere der vergangenen Saison.

Der BVB hätte also - keine große Verletzung und keine riesige Formdelle vorausgesetzt - sowieso irgendwann Dembélé nicht mehr halten können. In diesem Sommer ergab sich nun die Situation, dass ein Verein den Franzosen unbedingt jetzt haben wollte und auch noch bekannt war, dass der Verein wegen des Transfers des Brasilianers Neymar 222 Millionen Euro frisch auf dem Konto hat.

Nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage ergibt sich daraus ein hoher Preis und Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und sein Team waren schlau genug, voll und ganz auf diesen Mechanismus zu vertrauen. Dass der FC Liverpool mit Watzkes altem Freund Jürgen Klopp bei einem möglichen Transfer des Brasilianers Coutinho zum FC Barcelona die gleiche harte Verhandlungstaktik fuhr wie der BVB, half sicherlich. Zudem stand Barcelonas Präsident Josep Maria Bartomeu latent unter Druck, seinen Mitgliedern einen Erfolg zu präsentieren. Nach dem Abgang von Neymar hatte er bereits die Vertragsverlängerung von Lionel Messi verkündet, später stellte sich heraus, dass der Argentinier noch mit seiner Unterschrift zögert.

Der BVB hat nun augenscheinlich das maximal Mögliche aus dieser Konstellation herausgeholt. Als Dembélé nicht zum Training erschien, um seinen Wechsel zu forcieren, suspendierte ihn der Verein. Dortmund konnte so Härte zeigen und wurde von manchen auch noch als Gewissen der Branche bezeichnet. Dortmund vertraute darauf, dass Barcelona die Forderungen erfüllen wird. Sonst hätten sie einen streikenden Spieler wieder in den Kader integrieren müssen. Der VfL Wolfsburg scheiterte im vergangenen Jahr mit dem gleichen Vorhaben bei Julian Draxler. Der versuchte seinen Wechsel zu Paris zu erzwingen, der Verein blieb hart, mit dem Ergebnis, dass Draxler nach wenig überzeugenden Auftritten dann im Winter wechselte. Wie viel Anteil dieses Theater am späteren Relegationsplatz hatte, das ist nicht zu messen. Geholfen hat es der Mannschaft bestimmt nicht.

Der BVB hat also durchaus etwas riskiert und wird dafür belohnt. Auch wenn der Abgang von Dembélé natürlich eine sportliche Schwächung bedeuten wird - mit Christian Pulisic haben sie einen Fast-Eins-zu-Eins-Ersatz schon im Kader, ohne, dass der Klub auch nur einen Euro ausgeben müssen. Wenn man bedenkt, dass Pierre-Emerick Aubameyang, Maximillian Philipp, André Schürrle, ein wiederkehrender Mario Götze und ein später zurückkehrender Marco Reus auch noch zur Verfügung stehen, dann sind Tempo und Technik sowieso nicht die Schwachstellen des Kaders. "An der Zielsetzung, die Champions League zu erreichen und die Gruppenphase zu überstehen - daran ändert sich nichts", sagte Watzke selbstbewusst auf der Bilanzpressekonferenz am Freitagmittag.

Und auch wenn man davon ausgeht, dass Borussia Dortmund in Zukunft auch größere Summen für Spieler bezahlen muss - der Markt für einen Verein wie den BVB ist größer als für den FC Barcelona oder auch Bayern München. "Wenn Dembélé uns verlässt, ist das natürlich eine sportliche Schwächung unseres Kaders", sagte Watzke. "Dann würden wir auf dem Transfermarkt wahrscheinlich noch tätig werden. In den Medien kursieren die Namen des Brasilianers Malcom (20 Jahre/Girondins Bordeaux) und Maxwell Cornet (20/Olympique Lyon).

Chefscout Sven Mislintat hat bereits in den vergangenen Jahren die Spieler Dembélé, Mkhitaryan, Robert Lewandowski oder Shinji Kagawa gefunden. In Deutschland hat Dortmund bei nahezu jedem Fußballer, den der FC Bayern nicht haben will, die besten Chancen. Die Position als Nummer zwei im deutschen Fußball lässt sich mit 150 Millionen zusätzlichen Euros auf dem Konto gegen das fremdkapitalgepuschte RB Leipzig jedenfalls verteidigen.

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