Am Montagnachmittag Ortszeit stand fest: Oscar ist heil in Shanghai gelandet. Für die Verantwortlichen von Shanghai SIPG war das die bislang beste Nachricht des neuen Jahres. 60 Millionen Euro haben sie bezahlt, um den brasilianischen Nationalspieler vom FC Chelsea abzuwerben. Noch nie hat ein asiatischer Klub für einen Transfer so viel Geld auf den Tisch gelegt. Der 25-Jährige lächelte schüchtern, statt wie ein Juwel zu strahlen, als er mit einem roten Klubschal um den Hals und einem Blumenstrauß in der Hand die ersten Autogramme am Flughafen Pudong schrieb. "Hier ist dein Zuhause", hieß es auf einem Banner der Fans.
Es gehe ihm nicht ums Geld, hatte Oscar über seinen Wechsel vom Tabellenführer der englischen Premier League in die international zweitklassige Chinese Super League (CSL) gesagt. Okay - doch um was geht es ihm dann? Die sportliche Herausforderung für einen Profi in der Blüte seiner Laufbahn hält sich in China in engen Grenzen, auch wenn sich Shanghai SIPG abermals für die asiatische Champions League qualifiziert hat. Anstatt Woche für Woche auf höchstem Niveau zu spielen und zu trainieren, wird Oscar nur noch selten zusammen mit Spielern auf dem Rasen stehen, an denen er wachsen kann.
Der Argentinier Carlos Tévez muss sich dagegen nicht fragen lassen, weshalb es ihn nach China zieht. Er ist 32, hat Europa und die Nationalelf hinter sich und spielte zuletzt bei den Boca Juniors. Es sah so aus, als würde er seine Karriere in der Heimat ausklingen lassen. Dann aber lockte ihn Shanghai Shenhua mit einem Jahresgehalt, das angeblich 40 Millionen Euro betragen soll, ins Reich der Mitte. Nicht einmal Messi oder Ronaldo verdienen das in Spanien.
300 Millionen Euro Ablöse - das sind die neuen Dimensionen
Das Geld sitzt beängstigend locker bei den Klubs. In weniger als zwölf Monaten sorgte die CSL für sechs Rekordeinkäufe auf dem asiatischen Kontinent; dreimal war es der neue Oscar-Klub SIPG. Im Januar 2016 zahlte der Verein den damaligen Höchstwert von 18,5 Millionen Euro an Serienmeister Guangzhou Evergrande für die Verpflichtung des Brasilianers Elkeson. Danach folgten die Transfers von Ramires von Chelsea zu Jiangsu Suning (28 Millionen), Jackson Martínez von Atlético Madrid zu Guangzhou (42 Millionen), Alex Teixeira von Schachtjor Donezk zu Jiangsu (50 Millionen) und Hulk von St. Petersburg zu SIPG (55,8 Millionen). Für Cristiano Ronaldo soll ein chinesischer Klub angeblich 300 Millionen Euro Ablöse und ein Jahresgehalt von 100 Millionen Euro geboten haben. Ob die Geschichte stimmt, weiß vermutlich nur Ronaldos Berater, der sie in die Welt gesetzt hat.
Doch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt ist die Geschichte ein Fingerzeig für die neuen Dimensionen, in denen in der Volksrepublik über Fußball diskutiert wird. Die Chinesische Volkszeitung warnte die Klubs bereits davor, dass der wirtschaftliche Gegenwert ihres Produkts nichts mehr mit der Realität zu tun habe, sondern deutlich unter den Millionensummen läge, die derzeit fließen. Eine klassische Spekulationsblase. Wenn eine solche Blase platzt, dann hinterlässt sie großen Schaden. Ausländische Spieler würden schnell die Liga verlassen, die Fans in Massen wegbleiben und das Fernsehen auf teuer erkaufte Bewegtbilder verzichten.