Fußball-Transfers:Süß-saure Millionen aus China

Carlos Tevez moves to China

Carlos Tevez wechselt aus Buenos Aires nach Shanghai und soll dort 100 000 Euro verdienen. Am Tag.

(Foto: dpa)

Sind Chinas horrende Ausgaben auf dem Fußball-Transfermarkt eine Bedrohung für die europäischen Ligen? Die deutschen Klubs profitieren eher davon.

Kommentar von Philipp Selldorf

Die Karriere und der Kurswert des brasilianischen Nationalspielers Oscar, 25, haben zuletzt einen krassen Abwärtstrend erfahren. In der laufenden Saison ist der Mittelfeldakteur des FC Chelsea bloß in neun Spielen eingesetzt worden, oft nur ein paar Minuten, eine enttäuschende Bilanz für alle Beteiligten. Bis die Abgesandten des Fußballklubs Schanghai IPG in Erscheinung traten und für befriedigende Zahlen sorgten.

60 Millionen Euro zahlten sie an Chelsea, um Oscar in die chinesische Super- Liga überführen zu dürfen. Dort wird der Spieler mehr als 20 Millionen Euro im Jahr verdienen. Dass dies irre Preise sind, wissen die Chinesen, aber ihnen ist auch Folgendes bewusst: "Wenn wir nicht so viel bezahlt hätten, glauben Sie, er hätte sich die Mühe gemacht, zu uns zu kommen?", gab Klubpräsident Sui Guoyang zu bedenken. Es gebe eben riesige (Qualitäts-)Unterschiede zwischen der chinesischen Liga und Europas Top-Ligen.

England sieht die Chinesen als Bedrohung - Deutschland hofft auf Teilhabe am Reichtum

Deutsche Manager schauen durchaus neidisch auf ihren Kollegen in London, dem so ein fantastisches Geschäft in den Schoß gefallen ist. Einen hochbezahlten Reservisten loszuwerden und dafür eine Riesenablöse zu kassieren - das ist der Traum jedes Sportchefs.

Doch um die Bundesliga macht das große chinesische Geld bisher einen Bogen, so sehr man sich hier auch um gute Beziehungen in den Fernen Osten bemüht. Der HSV etwa ist eine Partnerschaft mit Schanghai IPG eingegangen, aber das freundschaftliche Übernahmeangebot für Stürmer Pierre-Michel Lasogga ist bislang ausgeblieben. Kann ja noch kommen: Das Transferfenster in China öffnet am 1. Januar, Oscar ist bloß ein erster Bote des Wettrüstens, das täglich Meldungen um prominente Profis hervorbringt, von Lukas Podolski bis Cristiano Ronaldo. Dem portugiesischen Helden bot ein China-Klub angeblich ein Jahresgehalt von 100 Millionen Euro - Ronaldos Agent Jorge Mendes lehnte ab.

Während man in Deutschland auf Teilhabe am chinesischen Reichtum hofft, sorgt man sich in England allen Ernstes, dass das chinesische Kapital die Klubs der Premier League auf dem Markt ausstechen könnte. Antonio Conte, Chelseas Trainer, sieht "eine Bedrohung für alle Teams". Die asiatische Versuchung rief auch ein geflügeltes Wort von Jan-Åge Fjörtoft in Erinnerung, das aus der Zeit vor 20 Jahren stammt, als die englische Liga neureich wurde. Beim Wechsel des Brasilianers Juninho zum FC Middlesbrough scherzte Fjörtoft damals, der Spieler werde nur drei Worte Englisch lernen müssen: "Pfund, Dankeschön, Auf Wiedersehen!"

Nun kommentierte ein anderer talentierter Spötter die seltsamen Verlustängste auf der Insel. Gefragt, ob die Premier League Chinas Geld fürchten müsse, sagte Jürgen Klopp: "Sie wissen, dass alle Klubs Europas das Gleiche über England denken?" Dabei hatte Klopps FC Liverpool beim Brasilianer Alex Teixeira im Vorjahr tatsächlich das Nachsehen gegen die Bieterkonkurrenz aus China.

Das brachial und mit Staatsplan forcierte Wachstum des chinesischen Fußballs samt zugehöriger Liga bringt also noch mehr Geld in Umlauf. Dadurch werden die durch den englischen Luxus ohnehin überhitzten Preise weiter steigen, auch in Deutschland. Dennoch stellt der chinesische Überfluss für die Bundesliga eher Chance als Risiko dar. Kein Klub muss fürchten, dass junge Perspektivspieler abgeworben werden. Sie entsprechen nicht dem chinesischen Anforderungsprofil. Und der Rest ist Verhandlungssache.

Als etwa Anthony Ujah kürzlich zum FC Liaoning wechselt, kam Bremen zwar der Torjäger abhanden. Aber Werder wurde so reich entschädigt, dass man sich die Angreifer Max Kruse und Serge Gnabry anschaffen konnten.

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