Fußball: Champions League:Kein Platz für Zauberer

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Claude Puel, der umstrittene Coach von Olympique Lyon, setzt gegen Bayern auf eine starke Defensive und Konter. Es ist sein Geist, der das Team zusammenhält.

Josef Kelnberger

Zu jener Zeit, als in München die Bayern-Fans den Trainer Jürgen Klinsmann aus dem Amt brüllten, erschien auf Ebay eine kuriose Anzeige: Coach zu versteigern. Im Text dazu hieß es: "Weiche, du Totengräber. Willst du unsere ganze Arbeit sabotieren?" Zur Versteigerung stand Claude Puel, Trainer von Olympique Lyon.

Lyons Trainer Claude Puel ist berüchtigt für sein rumpelstilzchenhaftes Wüten. (Foto: Foto: Reuters)

Puel war im Sommer 2008 angetreten, dem Team nach einer Serie von sieben nationalen Meistertiteln den Starkult auszutreiben und einen Stil zu verpassen, der in Europa zum Erfolg führen wurde, doch nun hing die Qualifikation zur Champions League am seidenen Faden. Bei jedem Heimspiel wurde er gnadenlos ausgepfiffen. Die Meinungsführer in den französischen Medien waren, wie die Reifs und Netzers im Fall Klinsmann, der Meinung, dieser Trainer passe nicht zu diesem Klub. Es gab im Frühjahr 2009 viele Parallelen zwischen Puel und Klinsmann, doch den einen Unterschied: Claude Puel blieb im Amt.

Auf Messers Schneide

Jean-Michael Aulas, der allmächtige Klubpräsident, hatte schon Coaches wie Puels Vorgänger Claude Perrin entlassen, die das nationale Double gewonnen hatten. Doch bei Puel ließ er keinen Zweifel: Er werde mit diesem Trainer mindestens bis Vertragsende 2012 arbeiten. Das war eine riskante Entscheidung. Mit Mühe rettete sich das Team auf Tabellenplatz drei und musste sich durch die Champions-League-Qualifikation kämpfen.

Nun hat Olympique tatsächlich erstmals das Halbfinale der Champions League erreicht, auf dem Weg dorthin Real Madrid und Meister Bordeaux ausgeschaltet. Aber das Projekt OL/Puel steht weiter auf Messers Schneide. Ein Aus gegen die Bayern könnte alles zerstören.

Mit sorgenvoller Miene hat Präsident Aulas sein Team am Montag verabschiedet. Wegen des Flugverbots musste sich der Tross in acht Kleinbussen auf die Fahrt Richtung München machen. In den Knochen steckte das brutal geführte Spitzenspiel in Bordeaux (2:2), wo Lyon seine wohl letzte Titelchance einbüßte; wieder steht die Qualifikation zur Champions League auf dem Spiel.

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Angreifer Lisandro López zog sich eine Knöchelverletzung zu, die seinen Einsatz in München gefährdet. Drei Abwehrspieler fehlen verletzt. Hinzu kamen die Schlagzeilen um Nationalspieler Sidney Govou, der wie Franck Ribéry angeblich in einen Sex-Skandal verwickelt ist. "Eigentlich sollten wir uns auf ein historisches Spiel für OL freuen", sagte Aulas, "aber nun gibt so viele negative Faktoren darum herum." Nur einer ging bei OL in die Offensive. Das war der Trainer.

"Jetzt hat Louis van Gaal hoffentlich keinen Grund mehr zu mosern", sagte Claude Puel süffisant. Der Bayern-Coach hatte beklagt, die Franzosen hätten sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft, weil sie ihr Ligaspiel gegen Monaco, für den kommenden Samstag geplant, verlegen ließen, um Kräfte zu schonen fürs Rückspiel. Dieser Vorteil sei nun definitiv ausgeglichen durch die Strapazen der Busreisen von Bordeaux nach Lyon und weiter nach München, findet Puel. Aber er will nicht klagen. Dass Louis van Gaal erklärt, Bordeaux sei im Vergleich zu Lyon die bessere Mannschaft, kommt ihm gerade recht. In der Rolle des Underdogs fühlt er sich am wohlsten.

Rennen, kämpfen, lauern

Claude Puel, Jahrgang 1961, hat keinen Weltmeistertitel auf dem Konto wie seine Trainerrivalen Didier Deschamps (Marseille) oder Laurent Blanc (Bordeaux). Nach einer unspektakulären Spielerkarriere bei AS Monaco führte er den Klub als Coach im Jahr 2000 zur Meisterschaft. In sechs Jahren beim kleinen OSC Lille empfahl er sich dann für den Job beim Serienmeister Lyon.

Dort hat er die Mannschaft umgekrempelt. Das Team spielt nicht mehr den feinen Fußball wie noch in der Champions-League-Vorrunde 2008 gegen Klinsmanns Bayern (1:1 und 2:3). Für Zauberer vom Schlage Juninhos ist kein Platz mehr. Puels Lyon baut auf eine starke Defensive mit Torwart Hugo Lloris, dem Brasilianer Cris und Nationalspieler Jérémy Toulalan. Sie stehen sehr kompakt, rennen und kämpfen und lauern auf Konterchancen, ganz vorne der unermüdlich rackernde Stoßstürmer Lisandro. Es ist der Geist Puels, der das Team zusammenhält.

Wie Rumpelstilzchen

Die Spieler, die ihn vergangenes Jahr noch loswerden wollten, folgen ihm nun blind. "Er ist offener geworden", sagt der Brasilianer Cris. "Aber vor allem ist er immer für uns da. Und in der Kabine kann er eine Mannschaft unglaublich motivieren." Berüchtigt ist Puel für sein rumpelstilzchenhaftes Wüten am Spielfeldrand. So ein schlimmes Benehmen habe er noch nie erlebt, zürnte einst Sir Alex Ferguson nach einem Europacup-Spiel von Manchester United gegen Puels OSC Lille. Jean Louis Triaud, Präsident von Girondins Bordeaux, schimpfte am Samstag: "Puel geht am Spielfeldrand allen auf den Geist."

Den Trainer stört das nicht. Er sei bereit, Olympique Lyon in eine neue Ära der Klubhistorie zu führen, sagt er, und angesichts der vielen schlechten Nachrichten lautet seine Botschaft: "Wir sind immer noch da."

© SZ vom 21.04.2010/dav - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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