Mainz 05:Von der Düsternis zum Licht

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Rauschhafter Auftritt: Der Mainzer Silvan Widmer (links) bejubelt mit seinen Teamkollegen Anton Stach (Mitte) und Jonathan Burkhardt sein Tor zum 3:0. (Foto: Torsten Silz/dpa)

Was für einen Unterschied doch ein Jahr macht: Unter Bo Svensson hat sich der FSV Mainz 05 komplett gewandelt und kann nun teils ein Portfolio vorweisen, das gemeinhin nur die echten Spitzenteams hinbekommen.

Von Frank Hellmann, Mainz

Vermutlich hätte der Hausmeister in der Mainzer Arena am Dienstagabend auch kurzzeitig das Licht ausknipsen können, und das Strahlen in den Gesichtern hätte gereicht, um die Heimstätte der Nullfünfer zu erleuchten. Einige der 10 000 Zuschauer hatten ohnehin ihre Handylichter angeknipst, um beim beeindruckenden 4:0-Heimsieg gegen Hertha BSC eine vorweihnachtliche Atmosphäre zu erzeugen. Und natürlich durfte hinterher die Prozedur nicht fehlen, bei der ein Akteur auserkoren wird, der vor der Fankurve auf den Zaun klettert, um per Megafon ein kräftiges "Humba Täterä" zu brüllen, woraufhin alle wild durcheinandertanzen. Der FSV Mainz 05 ist schließlich ein Verein, bei dem gerne gelacht, gesungen und geschunkelt wird.

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Während der Hauptstadtklub im dritten Spiel unter Tayfun Korkut einen "gebrauchten Abend" erlebte, wie der einigermaßen ernüchterte Trainer festhielt, feierten die Rheinhessen nach Toren von Jae-Sung Lee (19. Minute), Alexander Hack (41.), Silvan Widmer (49.) und Jean-Paul Boetius (80.) einen rauschhaften Auftritt. Auch wenn die behäbigen Berliner nach Meinung von Kevin-Prince Boateng, der nach seiner Einwechslung übrigens nur sehr bedingt überzeugte, einen "Totalausfall" beklagten, konnte das die Freude der beschwingten Mainzer nicht schmälern.

Der Kontrast der Mainzer Leistung im Vergleich zum vergangenen Jahr könnte größer kaum sein

Vorstand Christian Heidel wollte "das Highlight der Saison" gesehen haben. "So stelle ich mir Mainz 05 vor: Da geht einem das Herz auf. Das war ein sehr besonderes Spiel von der Art und Weise, wie wir aufgetreten sind", sagte er und fügte an: "Riesenkompliment: Das hat richtig nach Fußball ausgesehen." Der Nischenklub aus der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wird ja gerne auf Stilelemente wie Intensität und Leidenschaft, Balleroberung und Umschaltfußball reduziert, führte nun aber längere Ballbesitzpassagen im Portfolio, die gemeinhin nur die echten Spitzenteams hinbekommen.

"Jeder hatte Bock, Fußball zu spielen", sagte der von den Anhängern zum Vorsänger erklärte Verteidiger Hack, der sich vor einer Zaunbesteigung ständig mit im Angriff herumgetrieben hatte. Es brauchte gar nicht das wuselige Sturmduo mit Jonathan Burkardt und Karim Onisiwo, um vier fein herauskombinierte Treffer hinzubekommen. Die Mannschaft habe, urteilte Hack, in einem Jahr eine "super Entwicklung" hingelegt. Das sei indes nur möglich gewesen, weil sich vor einem Jahr "alle hinterfragt" hätten. Denn der Kontrast könnte in der Rückschau größer kaum sein. Fast dasselbe Team hatte zu diesem Zeitpunkt in der Liga erst lächerliche sechs Punkte gesammelt und leistete sich einen Tag vor Heiligabend noch eine peinliche Pokalpleite gegen den damaligen Zweitligisten VfL Bochum. Es herrschte totale Düsternis.

Bo Svensson befindet sich auf dem besten Wege, den aus Mainz entwickelten Trainer-Koryphäen Jürgen Klopp und Thomas Tuchel nachzueifern

Es begannen die turbulentesten Weihnachtstage der Vereinsgeschichte, an deren Ende neben Heidel noch Sportdirektor Martin Schmidt und Trainer Bo Svensson anheuerten. Dieses Triumvirat legte den Grundstein zur Wiederbelebung, wobei Svensson sich auf dem besten Wege befindet, den aus Mainz entwickelten Trainer-Koryphäen Jürgen Klopp und Thomas Tuchel nachzueifern, obwohl sich typbedingt eigentlich die Vergleiche verbieten.

Zeitzeuge Heidel schlägt trotzdem die Brücke. Svensson habe Klopp wie Tuchel als Spieler zwar noch erlebt, "aber mich hätte es total gewundert, wenn Bo versucht hätte, einen der beiden zu kopieren". Der Däne habe einfach auf seine Stärken gesetzt, laut Heidel "eine überragende Fachkenntnis, eine super soziale Kompetenz - die wichtigsten Eigenschaften, die nur bei einem überdurchschnittlich intelligenten Trainer anzutreffen sind". Und damit fange er seine Spieler.

36 Bundesligaspiele hat der Menschenfänger bislang verantwortet und daraus 57 Punkte geholt. Trotzdem klang der 42-Jährige wieder gewohnt bescheiden: "Wir haben auf den Platz gebracht, was uns auszeichnet, und zu keinem Zeitpunkt nachgelassen." Ansonsten: Die Hinrunde sei noch nicht beendet. Es entbehrt für Svensson nicht einer gewissen Pikanterie, dass es zum Abschluss zum Rhein-Main-Duell bei Eintracht Frankfurt (Samstag, 15.30 Uhr) geht.

Gegen den großen Nachbarn aus der Bankenstadt hatte Svensson damals seinen Einstand als Bundesliga-Coach gegeben - und 0:2 verloren. Das erste und letzte Spiel des Jahres gegen Frankfurt zu bestreiten, sei für ihn "natürlich ein bisschen komisch", gestand der Fußballlehrer. "Es wird eine große Herausforderung, aber der Aufgabe stellen wir uns gerne. Ich traue der Mannschaft alles zu."

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