Belgische Nationalmannschaft:Spitzen gegen Tedesco

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Einer der besten Torhüter der Welt: Thibaut Courtois (Mitte) aus Belgien. (Foto: Kurt Desplenter/Belga/Imago)

Belgiens Weltklasse-Torwart Thibaut Courtois erklärt seinen Verzicht auf die EM 2024 - und räumt ein, dass er im Juni bei den "Roten Teufeln" Fahnenflucht beging, weil er in seiner Eitelkeit verletzt war.

Von Javier Cáceres, Berlin

Es gab zuletzt kaum bessere Fußball-Torhüter auf der Welt als den Belgier Thibaut Courtois. Bei seinem Verein Real Madrid wissen sie davon ein Lied zu singen. Courtois, 31, hat viele Spiele zugunsten Reals entschieden - als er Anfang August kurz vor Saisonbeginn einen Kreuzbandriss erlitt, war die Bestürzung in Spaniens Hauptstadt entsprechend groß. Auch dem belgischen Nationaltrainer Domenico Tedesco ist Courtois' Weltklasse nicht verborgen geblieben. Doch als er am späten Dienstagnachmittag erfuhr, dass Courtois auf die Teilnahme an der Europameisterschaft 2024 in Deutschland verzichtet, da dürfte er insgeheim aufgeatmet haben. Denn Tedesco geht nun ohne einen potenziellen Konfliktherd ins EM-Jahr - und er hat in Koen Casteels, 31, vom VfL Wolfsburg einen exzellenten Ersatzmann in der Hinterhand.

Dass er schon jetzt in Sachen EM Fakten schaffen wolle, erklärte Courtois mit seinem Genesungsprozess: "Wenn ich Glück habe, kann ich im Mai wieder spielen. Aber selbst dann wäre ich nicht zu hundert Prozent bereit für ein großes Turnier", sagte er beim TV-Sender VTR. Da klang derart viel Vorsicht mit, dass man vermuten muss: Diese Begründung ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere Teil dürfte um die Frage kreisen, ob er sich im belgischen Team überhaupt am richtigen Ort fühlt. Und ob er dort wohlgelitten ist.

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Kommentar von Thomas Hürner

Zweifel daran waren schon im Juni aufgetaucht, nach dem Eklat, der auf ein Länderspiel gegen Österreich (1:1) in Brüssel folgte. Courtois hatte schmollend das Nationalteam verlassen und die wenige Tage später stattfindende Partie in Estland (3:0) versäumt. Der Grund: Er durfte gegen Österreich nicht Kapitän sein. Dabei ging es ihm nicht darum, mit seinem Real-Teamkollegen, dem österreichischen Kapitän David Alaba (der gerade ebenfalls einen Kreuzbandriss erlitten hat und inzwischen erfolgreich operiert wurde) den Wimpel zu tauschen. Sondern es ging Courtois um ein Zeichen der "Wertschätzung" - sagte er.

Wegen seiner Fahnenflucht wurde Courtois nicht nur vom Verband, sondern auch von Spielkameraden kritisiert

"In Madrid habe ich das Gefühl, dass ich von allen im Verein respektiert werde. Bei den Roten Teufeln erlebe ich das nicht wirklich", erklärte Courtois. Er sehe ein, dass seine Desertion im Juni ein Fehler gewesen sei, er bat daher nun Team und Fans um Vergebung. Doch den Trainer Tedesco sparte er bei dieser Bitte um Entschuldigung nicht nur aus. Er ritt sogar eitle Spitzen gegen den Nationalcoach: "Er hat mich angegriffen", klagte Courtois und sprach von einem "Vertrauensbruch", der sich nur schwer kitten lasse: "Wo soll da noch ein Mittelweg sein?"

Das hat eine belustigende Komponente. Denn der von Courtois beklagte "Angriff" bestand in Domenico Tedescos Weigerung, bei einer Komödie mitzuspielen. Der Trainer machte seinerzeit öffentlich, dass Courtois beleidigt abgereist war - Courtois selbst hatte vorgeschlagen, eine Verletzung als Grund anzugeben. Jetzt konnte er sich an diese Blessur, die Real Madrid tatsächlich "bestätigt" hatte, offenbar nicht mehr erinnern. Stattdessen räumte er ein, dass bei ihm etwas kaputtgegangen sei, als Tedesco ihm vor dem Österreich-Spiel nicht die Kapitänsbinde gab. Sie war vakant gewesen, weil sich Kevin De Bruyne verletzt hatte.

Courtois war auf die Binde erpicht, weil jene Partie gegen Österreich sein 102. Länderspiel war, zudem das erste auf belgischem Boden nach seinem Eintritt in den "Klub der Hunderter". Aber: Es war auch das Länderspiel kurz nach dem Champions-League-Finale zwischen Inter Mailand und Manchester City (0:1), bei dem Belgiens Inter-Stürmer Romelu Lukaku so unglücklich agiert hatte. Tedesco wollte also Lukaku, den heimlichen Chef seiner Nationalelf, stützen - und trug ihm deshalb die Spielführer-Binde an.

Das geschah zum großen Ärger von Courtois. Wegen seiner Fahnenflucht wurde er nicht nur vom Verband, sondern auch von Spielkameraden kritisiert. Die Reaktion des Keepers sei eine "Enttäuschung" gewesen, sagte Yannick Carrasco (Al-Shabab) schon im Juni, Timothy Castagne (FC Fulham) erklärte im Oktober, Courtois werde wissen, ob er zurückkehre oder nicht. Ihm sei es einerlei, denn Belgien habe genug gute Torhüter.

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