Führungskrise bei 1860 München:Systematisch ins Chaos verfallen

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Damals war er wirklich noch Präsident: Der frühere 1860-Boss Dieter Schneider (rechts) und Investor Hasan Ismaik. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Sommerpause beim Zweitligisten 1860 München? Ach was! Beim TSV argumentieren Kläger, dass der längst abgelöste Dieter Schneider immer noch Präsident des Vereins ist. Die Richterin will der Argumentation bisher nicht folgen.

Von Philipp Schneider

Der Anwalt Heinz Veauthier sitzt am Dienstag am Schreibtisch seiner Kanzlei und im Hintergrund brummt sein Fax-Gerät. Das Fax brummt Ewigkeiten, es hört gar nicht auf zu brummen. "Herrje", sagt Heinz Veauthier, "jetzt schickt der eine halbe Staatsbibliothek." Veauthier lacht kurz auf, das mit der halben Staatsbibliothek ist ja auch lustig, dann sagt er: "Alles, was er jetzt schreibt, im Auftrag der Herren Mayrhofer, Schmidt und Altmann, das wird ihm nicht helfen."

Eigentlich sollte am Dienstag ein Treffen stattfinden zwischen den Anwälten des TSV 1860 München (die nun Faxe schickten) und Heinz Veauthier, dem rechtlichen Beistand von Helmut Kirmaier. Jenem Vereinsmitglied, das seit einem Jahr darauf klagt, dass das derzeitige Präsidium um Gerhard Mayrhofer, Heinz Schmidt und Erik Altmann nicht rechtmäßig im Amt ist. Weil zu ihrer Wahl niemals ordnungsgemäß geladen wurde.

"Es war so, als hätten sie zu einer Tanzveranstaltung in eine Kirche geladen, in der gar nicht getanzt werden darf" - so bezeichnet Anwalt Veauthier die Wahl auf der Mitgliederversammlung im vergangenen Juli, zu der nur der zuvor von den Vereins-Delegierten nicht demokratisch bestätigte Präsidentschaftskandidat Hep Monatzeder geladen hatte.

Am Freitag findet vor Gericht der nächste Termin im Fall Kirmaier statt. Eine Einigung der Parteien wird bis dahin aber kaum noch zustande kommen. Denn Veauthier glaubt, dass der Verein, den er verklagt, vor Gericht nicht einmal von den richtigen Personen vertreten werden wird: dem ehemaligen Präsidium um Dieter Schneider, Franz Maget und Wolfgang Hauner nämlich. Zumindest Präsident Schneider habe niemals sein Amt niedergelegt, argumentiert Veauthier, das habe Schneider ihm am Dienstag versichert.

Rechtsstreit beim TSV 1860 München
:"Ich erreiche ihn nicht"

Bei den "Löwen" sorgt die Causa Kirmaier für aufgeregtes Theater. Zu einer außergerichtlichen Einigung zwischen dem Kläger und dem Verein wird es wohl nicht kommen, denn es herrscht Funkstille. Präsident Gerhard Mayrhofer verteidigt seine Wahl.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Ins Unglück geführt

"Ich gehe davon aus, dass der Verein derzeit einen anderen gesetzlichen Vertreter hat als diejenigen Herren, die am Freitag im Gericht sein werden", sagt Veauthier. Darauf werde er, so lautet der Plan, die Richterin in seinem Antrag hinweisen. Und dann, ja dann, "wird die Richterin vielleicht erst tief durchatmen, mir dann aber Recht geben". Eine gütliche Einigung ist nunmehr offenbar ausgeschlossen. "Die kann es gar nicht geben, weil die Wahl an sich nichtig war", sagt der Anwalt.

Tatsächlich ist Dieter Schneider (der wohl wirklich als einzige Person zur Mitgliederversammlung hätte laden dürfen) vom damaligen Aufsichtsrat um den ehemaligen Vorsitzenden Otto Steiner im vergangenen Frühjahr mehr oder weniger aus dem Amt geputscht worden. Das Gremium hatte zunächst den Kontakt zu Schneider eingestellt und dann irgendwann den Kandidaten Monatzeder der Öffentlichkeit präsentiert. Der wurde allerdings nie bestätigt.

Ob Schneider damals zumindest vom Aufsichtsrat gebeten wurde, zu der Versammlung zu laden, ist vorerst nicht ganz klar. "Er wurde nicht gefragt", sagt Veauthier - der anmerkt, deshalb werde "immer vermutet, Herr Schneider oder Erich Meidert würden die Klage von Kirmaier unterstützen". Als Retourkutsche Schneiders für den Putsch. Oder in Meiderts Fall: für dessen Nichtnominierung als Präsidentschaftskandidat vom Aufsichtsrat.

Die Richterin folgt Veauthier bislang nicht

Erich Meidert hatte im vergangenen Frühjahr nach dem Sturz Schneiders ebenfalls mit einer Kandidatur geliebäugelt. Er war sogar auf eigene Kosten zu Vereinsinvestor Hasan Ismaik nach Abu Dhabi gereist, um dort vorstellig zu werden. Tatsächlich liegen der SZ Dokumente vor, die belegen, dass Meidert bereits im vergangenen Juli von Kirmaiers Klage und auch von einem Treffen bei Anwalt Veauthier wusste.

Andererseits bestreitet der Anwalt dies gar nicht. Er sagt: "Herr Meidert war ursprünglich vorgesehen als Teil eines Notvorstands", der aus Veauthiers Sicht übergangsweise eine ordnungsgemäße Ladung hätte aussprechen sollen. Daraufhin sei Meidert aber "massiv bedroht worden", weshalb er für den Notvorstand nicht länger zur Verfügung stehen wollte.

Der Argumentation, dass Schneider noch Präsident sei, ist die Richterin bislang nicht gefolgt. Sie hat die Einsetzung eines Notvorstands als Szenario angedeutet. "Das sieht die Richterin falsch", sagt Veauthier, zudem habe sie einen Fehler begangen, indem sie Schneider gar nicht als "Prozesspartei" geladen habe. Seine Klageschriften an den Verein , so sieht das Veauthier, hätten schon immer an Schneider weitergereicht werden müssen: "an die gesetzlichen Vertreter des Vereins".

Das hat der Verein offenbar nicht getan, zumindest beruft sich Veauthier hierbei auf eine Aussage von Dieter Schneider, dem die Post demnach nie zugestellt wurde. Die Wahrheit sei vielmehr, sagt der Anwalt, dass der Verein "systematisch ins Unglück" geführt worden sei. Vor allem vom damaligen Aufsichtsrat, der sich nicht an die Vorschriften der Satzung gehalten habe.

Zu besagter Tanzveranstaltung in der Kirche hätten die Vereinsvertreter schließlich wider besseren Wissen geladen. Und weil die Rechtmäßigkeit der Wahl damals im Vorfeld öffentlich angezweifelt worden ist, sind "die Denker und Leute, die besonnen waren, Zuhause geblieben."

Die Mitglieder aber, die erschienen, "sind von überall her angereist und haben sich vielleicht noch schicke Anzüge für die Versammlung gekauft", sagt Veauthier. Nicht dass er mit der Argumentation am Freitag Recht erhält, sonst erwarten den TSV 1860 München womöglich noch zahlreiche Reisekostenabrechnungen. Oder gar: einige Schneiderkosten.

© SZ vom 04.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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