FSV Mainz: Tuchel für Andersen:Das falsche Vorbild

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Keine Fußballschuhe in der Kabine, keine Fotos im Spind: Jörn Andersen hat sich am unbarmherzigen "Quälix" orientiert - und muss deshalb schon vor dem ersten Spieltag gehen.

Philipp Selldorf

Aus Mainz, einem Fußball-Schauplatz, der bisher für Gemüt, Gemütlichkeit und Herzenswärme stand, kamen am Tag des abendlichen Pokalauftritts des FSV 05 in Lübeck befremdliche Neuigkeiten. Die FAZ berichtete über seltsame Methoden des - nunmehr damaligen - Cheftrainers Jörn Andersen: Unter anderem soll er seine Spieler angewiesen haben, nicht in Fußballschuhen die Kabine zu betreten und keine Fotos ihrer Kinder oder andere Abbildungen sentimentalen Inhalts im Spind aufzuhängen - mit der Begründung, dass ein Fußballer nur dann die volle Leistung bringen könne, "wenn er Ordnung hält".

Jörn Andersens Zeit in Mainz ist schon vor dem ersten Spieltag vorbei. (Foto: Foto: dpa)

Andersen hatte damit eine völlig neue Theorie des Fußballs aufgestellt: Bisher hat noch kein Forscher entdeckt, dass die Leistung eines Profis leidet, er womöglich "unordentlich" spielt, nachdem er zuvor Fotos seiner Kinder angeschaut hatte.

Am Abend der Enthüllung hat Mainz 05 dann das Pokalspiel beim Regionalligaklub VfB Lübeck verloren, was gegen Andersens mutige Theorie sprach, aber auch gegen die sonstige Arbeit des Trainers, der im zweiten Sommer seiner Zeit beim FSV einen verhängnisvollen Drang zu neuen Horizonten offenbart hatte. So hat er angeblich durch sein besonders unbarmherziges Vorbereitungsprogramm Felix Magath zu übertreffen versucht, dabei aber den Fehler begangen, nicht den Meistertrainer, sondern die Medien-Karikatur des "Quälix" zum Vorbild zu nehmen.

Die Methoden des in Mainz unverändert als Idol betrachteten Jürgen Klopp hat Andersen hingegen abgelehnt, was verständlich ist: Kein Mann mag es, wenn ihm die Frau ständig erzählt, wie toll sein Vorgänger war. Andererseits darf er sich nicht wundern, wenn sie ihn rausschmeißt, weil er partout das Gegenteil dessen tut, was der andere getan hätte.

Nun hat Mainz 05 Andersen rausgeschmissen, erstaunlich ist das nicht, aber ein Rekord: Die Wettbüros hatten ja noch nicht mal die Quoten für das beliebte Gesellschaftsspiel "welcher Trainer fliegt als Erster?" bestimmt. Bisher hatte die Anstandsfrist immer wenigstens zwei, drei Spieltage betragen, im Jahr 2000 etwa bei Andreas Zachhuber in Rostock oder 2005 bei Peter Neururers Abschied von Hannover 96. Zuvor hatte Präsident Martin Kind die Profis befragt, was vom Trainer zu halten sei. Für Zensur im Spind ist Neururer zwar nicht bekannt, wohl aber für drastisches Cola-Verbot. Das reichte. Mittlerweile setzt er seine Regeln in Duisburg durch, und Zachhuber ist längst wieder in Rostock.

Andersen mag sich mit solchen Exempeln trösten oder gar mit diesem: Marcello Lippi musste Inter Mailand schon nach dem ersten Spieltag in der italienischen Serie A verlassen. Sechs Jahre später wurde er mit dem Nationalteam Weltmeister.

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