Fußball-Bundestrainerin:"Martina, Britta oder Ich-weiß-nicht-wer"

Lesezeit: 3 min

Bei den Fußball-Nationalspielerinnen um Alexandra Popp hat sich nicht nur Frust wegen der eigenen Leistung angestaut, sondern auch wegen der Ungewissheit in der Bundestrainerin-Frage. (Foto: Gladys Chai von der Laage/Imago)

Kehrt Martina Voss-Tecklenburg noch mal zur Frauen-Nationalmannschaft zurück oder nicht? Nach dem 4:0 gegen Island wünschen sich die Spielerinnen Antworten vom Verband.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

Man muss sich das abschließende Kabinengespräch der deutschen Fußballerinnen am Dienstagabend im Untergeschoss des Ruhrstadions als eine Art Sicherheitskonferenz vorstellen. Dazu passt, dass der Kabinengang in Bochum durch eine Fototapete mit Motiven aus einem ruhrgebietstypischen Bergwerksstollen ausgekleidet ist. Auch tief unter Tage, das ist bekannt, herrschte einst stete Gefahr und Ungewissheit.

"Sicherheit" war die vorherrschende Vokabel in Bochum. Von einer Sehnsucht nach "Sicherheit auf und neben dem Platz" sprach im Anschluss an den 4:0-Sieg gegen Island die Torhüterin Merle Frohms. Sie meinte damit, dass eingedenk des Sicherheit gebenden ersten Sieges im zweiten Spiel der Nations League und Olympia-Qualifikation nun schnellstens auch Sicherheit in der Frage erfolgen muss, wer die Fußballerinnen bei den nächsten beiden Spielen Ende Oktober gegen Wales und auf Island betreut. Da es die krankgemeldete Bundestrainerin Martin Voss-Tecklenburg dem Vernehmen nach nicht sein wird, muss der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zeitnah eine Entscheidung treffen. "Wir brauchen möglichst schnell Klarheit", sagte die Kapitänin Alexandra Popp; sie würde sehr bald ultimativ erfahren wollen, wen sich der DFB fortan als Trainerin so vorstellt: "Martina, Britta oder Ich-weiß-nicht-wer."

Podcast "Und nun zum Sport"
:Misere der deutschen Fußballerinnen: Alles in der Schwebe

Die WM misslang, die Bundestrainerin fehlt auf unbestimmte Zeit und in der Nations League ist der Druck gewaltig: Die DFB-Frauen erleben eine Phase der Ungewissheit - es gilt vieles aufzuarbeiten.

Von Jonas Beckenkamp, Anna Dreher und Frank Hellmann

Britta, das ist die Co-Trainerin Britta Carlson, die nach Voss-Tecklenburgs Krankmeldung vor knapp drei Wochen kurzerhand zur Interims-Cheftrainerin befördert worden ist. Dauerhaft Cheftrainerin will die 45 Jahre alte Kielerin nach eigenem Bekunden nicht bleiben, aber als sie am Dienstagabend gefragt wurde, ob sie auch bei den nächsten beiden Spielen Ende Oktober notfalls noch einmal einspringen würde, da nickte sie und sagte: "Ja, und so habe ich das auch in meinem Vertrag stehen."

"Wir haben die Info: Es geht ihr nicht gut", sagt Mittelfeldspielerin Lena Lattwein

Anfang September und damit gut einen Monat nach dem deutschen Vorrunden-Aus bei der WM in Australien und Neuseeland Ende Juli hatte sich Voss-Tecklenburg krank gemeldet. Ihr Mann, der niederrheinische Bauunternehmer Hermann Tecklenburg, gab an, sie sei erschöpft. Darüber hinausgehende Informationen gibt es bis heute nicht, auch nicht von der Trainerin selbst. Carlson sagte am Dienstagabend, sie habe Voss-Tecklenburg mal eine Textnachricht geschickt, als kürzlich die Nationalspielerin Melanie Leupolz ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt hatte. Telefoniert, sagte Carlson, habe sie mit Voss-Tecklenburg nicht. "Wir haben nicht viel Kontakt - weil sie krank ist, müssen wir sie in Ruhe lassen." Erst im April hatten Voss-Tecklenburg und Carlson ihre Verträge bis 2025 verlängert.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg (li.) wird gerade von Britta Carlson vertreten - ob eine der beiden die deutschen Fußballerinnen bei den nächsten Länderspielen anleitet, ist unklar. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Auch die Mannschaft behauptet, keinen Kontakt zur Trainerin zu haben. Demnach wissen die Spielerinnen auch nicht zuverlässig, wie es ihr geht. Kapitänin Popp sagte: "Ich hoffe, dass Martina bald wieder gesund wird, aber wir als Mannschaft haben sie erst mal in Ruhe gelassen." Die Mittelfeldspielerin Lena Lattwein sagte zunächst, sie wisse nicht, wie es der Trainerin gehe - und offenbarte nach kurzem Herumdrucksen: "Wir haben die Info: Es geht ihr nicht gut."

Kein Kontakt zur Trainerin und zusätzlich die Vermutung, dass es ihr schlecht geht - diese vagen Informationen setzen die Verantwortlichen beim DFB auf der Suche nach einer vorerst mal stabilen Lösung zunehmend unter Druck, auch Joti Chatzialexiou, Berufsbezeichnung "Sportlicher Leiter Nationalmannschaften". Der 47 Jahre alte Frankfurter ließ am Mittwoch ausrichten, es gebe keine Neuigkeiten zu verkünden, er hatte aber am Dienstagabend im Bochumer Stadion live im ZDF gesagt: "Die ungünstige Situation mit Martinas Erkrankung war vor der Länderspiel-Maßnahme sehr kurzfristig entstanden, deshalb galt der Fokus zunächst mal auch nur diesen beiden Spielen." Jetzt werde man "zeitnah alles Weitere" besprechen. Exklusiv verantworten will er die derzeitige Situation keinesfalls. "Da überschätzt man vielleicht auch ein bisschen meine Funktion", sagte er, "ich habe Rückmeldung an unseren Präsidenten gegeben, der zusammen mit den Gremien für die Personalverantwortung zuständig ist." Damit läge der Ball also bei Bernd Neuendorf.

Kapitänin Popp kokettiert mit einem Rücktritt aus der Nationalmannschaft

Die deutsche Mannschaft hatte in der als Olympia-Qualifikation installierten Nations League zunächst 0:2 in Dänemark verloren und wahrte durch das 4:0 gegen maue Isländerinnen nun die Chance, sich aus eigener Kraft für Olympia 2024 in Paris zu qualifizieren. Davon erleichtert, wagten die in den vorangegangen Tagen äußert vorsichtig formulierenden Spielerinnen am Dienstagabend, den Druck auf die DFB-Spitze zu erhöhen. "Es wird Zeit, dass eine Entscheidung getroffen wird", sagte Lattwein einigermaßen ungeduldig, "denn diese Ungewissheit belastet uns." Die Torhüterin Frohms forderte: "Wir wünschen uns, dass bis zu den Spielen im Oktober Klarheit herrscht." In Person des kürzlich entlassenen türkischen Nationaltrainers Stefan Kuntz, aus der deutschen Männer-U-21 viele Jahre bekannt als Meister des Teambuildings, gibt es auch bereits ein erstes Gerücht. Einen Kontakt zum DFB habe es aber noch nicht gegeben, sagte Kuntz dem Saarländischen Rundfunk.

Unterdessen kokettiert die Kapitänin Popp mit der aufkeimenden Spekulation, über einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft nachzudenken. "Die Sache ist offen", sagte sie am Dienstag, "aber solange wir die Sicherheit auf dem Platz nicht wiedergefunden haben, will ich weiter helfen." Ob sie also Ende Oktober bei den nächsten zwei wichtigen Spielen sicher dabei sei, wurde Popp gefragt. Sie zuckte lächelnd die Schultern und sagte so geheimnisvoll sie nur konnte: "Ich denke!"

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

DFB-Frauen in der Nations League
:Tatsächlich ein guter Abend

Deutschlands Fußballerinnen können es doch noch: Beim 4:0 gegen Island tun sich vor allem die Bayern-Spielerinnen hervor - die Reaktionen der Beteiligten sind nach schwierigen Monaten von Erleichterung geprägt.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: