Frauen-Finale der French Open:Nummer 20 für die Drama Queen

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Serena Williams (Foto: dpa)

Serena Williams ist diesmal eine merkwürdige Siegerin der French Open. Sie verlor mehrmals den ersten Satz, sie spielte wie benommen. Aber am Ende reichte es für den Titel. Nun fehlen ihr nur noch zwei Grand-Slam-Siege, um Steffi Graf einzuholen.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Da stand sie, die Arme in der Luft, sie bewegte sich nicht, während die Sekunden verstrichen. Dann drehte sie sich, ganz langsam, die Arme immer noch in der Höhe, es war die Geste der Freude, aber es steckten auch andere Gefühle in ihr, Erleichterung, Trotz und Wut. Und natürlich, auch dies, Erstaunen. Erstaunen darüber, wie sie wieder einmal, zum fünften Mal bei diesen French Open, ein Match im dritten Satz für sich entschieden hatte. Später sagte Serena Williams: "Das kann nicht wahr sein, das kann nicht wahr sein."

Williams meinte die Tatsache, dass sie zugleich an diesem Samstagnachmittag ihren 20. Grand-Slam-Titel und den dritten überdies am Bois de Boulogne errungen hatte. Aber im Grunde traf diese Bemerkung auch auf ihre gesamte Darbietung in den vergangenen zwei Wochen zu. Und nicht nur auf diesen 6:3, 6:7 (2), 6:2-Sieg gegen die tapfere Tschechin Lucie Safarova.

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Serena Williams ist zweifellos eine verdiente Siegerin, sie hat wirklich gute Gegnerinnen besiegt: Victoria Asarenka (Weißrussland), Sloane Stephens (USA), Sara Errani (Italien), Timea Bacsinszky (Schweiz) und eben Safarova. Aber die 33-jährige Amerikanerin ist zweifellos auch eine merkwürdige Siegerin diesmal. Gegen vier Kontrahentinnen, darunter auch die Deutsche Anna-Lena Friedsam in der zweiten Runde, hatte sie den ersten Satz verloren und dabei stets sehr lethargisch gewirkt.

Im Halbfinale gegen Bacsinszky wirkte sie nicht mal mehr lethargisch, sie wirkte benommen, benebelt und neben der Spur. Nach Ballwechseln, vor Ballwechseln schritt sie in Zeitlupentempo umher, blickte ins Nirgendwo, als wäre sie in einer anderen Sphäre.

Fieber, Grippe, Husten - und ein kritisches Publikum

Sie war krank, sagte sie danach, Fieber, Grippe, etwas in der Art, und das hörte man ja auch, als sie zwei Sätze ins Mikro sprach und hustete. Dennoch wurde die Schweizerin befragt, ob diese Williams vom Juni 2015 sehr unfair gewesen sei. Experten wie der frühere Paris-Champion Mats Wilander bejahten das, Bacsinszky blieb jedoch diplomatisch und verurteilte Williams nicht. Dies taten dafür Schweizer Medien, "Schäm dich, Serena", schrieb etwa die Zeitung "Blick". Ob Serena Williams diesem Aufruf wenigstens im Stillen nachkam, ist bislang nicht bekannt, denn sie ließ die obligatorische Pressekonferenz nach dem Halbfinale ebenso ausfallen wie jene vor dem Finale, und so kam es, dass sie am Samstag eine neue Erfahrung machen musste.

Im Duell mit Safarova genoss sie nicht die ungeteilte Zuneigung des Publikums, die schon auch abspeichern, wie sich ihre Lieblinge auf dem Weg ins Finale geben. Es war nicht so arg wie 2002, als die Pariser Williams' damalige Gegnerin Justine Henin zu 100 Prozent bevorzugten. Aber die Verhältnisse waren schon eklatant. "Lucie, Lucie"-Rufe hallten immer wieder über den Court, besonders im zweiten Satz.

3:6, 1:4 hatte die 28-Jährige aus Brünn schon zurückgelegen, in ihrem ersten Grand-Slam-Finale schien sie den harten Schlägen von Williams nicht standhalten zu können. Einmal schlug die Amerikanerin mit 202 km/h auf, einmal returnierte sie derart kanonenartig mit der Vorhand, dass Mats Wilander dazu meinte: "Das war ihre härteste Vorhand, die ihr je gelang." Doch Safarova bewies Wandlungsfähigkeit, sie steigerte ihr Angriffsniveau, während Williams Fehler unterliefen, immer mehr, 25 im zweiten Durchgang waren zu viele. Den Tie-Break sicherte sich Safarova mit 7:2, und als die Nummer 13 der Welt, die ab Montag die Nummer fünf sein wird, plötzlich im dritten Satz 2:0 führte, wurden die Blicke im Williams-Lager auf der Tribüne nervöser.

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Nur Mama Oracene blieb wie immer die Coolness in Person und beharrlich sitzen. Ihre wuschelige Lockenpracht bewegte sich kein bisschen. Vielleicht ahnte sie ja, dass ihre Serena das schon machen würde.

Nur noch zwei Titel hinter Steffi Graf

Sechs Spiele später war das 24. Grand-Slam-Finale von Williams nach 2:02 Stunden Spielzeit entschieden, die Amerikanerin hatte ihre Fehlerquote massiv heruntergefahren auf sieben im dritten Satz. Mit 20 Titeln bei den vier großen Turnieren fehlen ihr nun nur noch zwei, um zu Steffi Graf aus Deutschland aufzuschließen, der Spitzenreiterin der Profi-Ära. "Als ich 19 Titel hatte, sagte ich ja, ja, ja", entfuhr es Williams, "jetzt bin ich bei 20, das ist großartig."

Natürlich hat sie nun die 21 im Visier, "vielleicht gewinne ich ja zwei Grand Slams in den nächsten 20 Teilnahmen", sprach sie belustigt weiter. Wer mag daran zweifeln, dass ihr das gelingen dürfte? Eher steht im Raum, dass sie schon in diesem Jahr gelingen - und damit auch der Grand Slam, den zuletzt Steffi Graf schaffte (1988).

Selbst körperlich angeschlagen war die Drama Queen tatsächlich nicht aufzuhalten in Paris. "Serena, du warst wundervoll, du bist eine unglaubliche Kämpferin", lobte die unterlegene Safarova, die vor allem mit ihren Siegen gegen Titelverteidigerin Maria Scharapowa und Ana Ivanovic für Furore gesorgt hatte. Und in diesem Moment erhielten dann doch beide Finalistinnen tosenden Applaus.

© SZ vom 07.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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