1. FC Nürnberg:Der Adler ruft Can Uzun

Lesezeit: 4 min

Die Bilder gleichen sich: Can Uzun lässt auf seinem Weg so manchen verzweifelten Torhüter zurück, hier ist es der Schlussmann von Holstein Kiel. (Foto: Daniel Marr/Zink/Imago)

Nürnbergs Offensivmann Can Uzun ist erst 18 und trotzdem schon Toptorschütze seines Zweitligisten - und ein Hoffnungsträger für das Frankenderby in Fürth. Längst umgarnen ihn Erstligaklubs, und auch der DFB ist vorstellig geworden.

Von Christoph Leischwitz

Can Uzun mag erst 18 Jahre alt sein, trotzdem ist es schon eine ganze Weile her, dass der Stürmer des 1. FC Nürnberg noch weitgehend unbemerkt unter dem Radar vieler Fußballexperten hindurch dribbeln konnte. Als er sein erstes U17-Bundesligaspiel bestritt, da war der gebürtige Regensburger noch 14 Jahre jung. Offiziell 78 Zuschauer sahen zu, als er am 19. September 2020 auswärts bei Eintracht Frankfurt eingewechselt wurde, in der 58. Spielminute, Frankfurt führte mit 1:0. Laut transfermarkt.de schoss Uzun in der 67. Minute sein erstes Tor; zehn Minuten später hatte er einen Hattrick geschafft. Nürnberg gewann 3:1.

Und so ging das weiter mit dem Stürmertalent: In der U19-Bundesliga kam er auf genauso viele Tore wie Startelf-Einsätze (15). Nürnbergs zweite Mannschaft übersprang er gewissermaßen, er kommt dort auf gerade einmal vier Einsätze. Stattdessen hat sich der Teenager gleich in der ersten Mannschaft etabliert, er ist bereits der beste Torschütze des Zweitliga-Teams. Deshalb sind die Blicke schon ganz besonders auf ihn gerichtet, auch an diesem Sonntag, an dem das 272. Derby des Clubs gegen die SpVgg Greuther Fürth ausgetragen wird (13.30 Uhr, Sportpark Ronhof). Nürnbergs Nachwuchsleiter Michael Wiesinger, der selbst ein paar Frankenderbys miterlebt hat und mittlerweile ein langjähriger Wegbegleiter des jungen Angreifers ist, sagt mit Blick auf dieses stets brisante Duell: "Es ist gut, wenn man Spieler auf dem Platz hat, bei denen der Gegner weiß: Da muss ich besonders sorgsam sein. Der Gegner wird Respekt haben." Jetzt schon, obwohl der 18-Jährige augenscheinlich noch längst nicht an seine Leistungsgrenze gestoßen ist.

Newsletter abonnieren
:Morgen im Stadion

Der besondere Blick der SZ-Sportredaktion auf den Bundesligaspieltag, jeden Freitag als Newsletter. Kostenlos anmelden.

Als Wiesinger an den Valznerweiher zurückkehrte, wo er in den Neunzigern sechs Profijahre verbracht hatte, da war auch Uzun gerade erst zum Club gewechselt, im Sommer 2019. Und die beiden haben eine weitere Gemeinsamkeit: Sie sind spät im Jahr geboren, Wiesinger am 27. Dezember, Uzun am 11. November. Statistisch setzen sich in Nachwuchs-Leistungszentren nämlich eher Frühjahrskinder durch, gerade in jenen Jahrgängen, in denen zehn Monate bei der körperlichen Entwicklung noch einen großen Unterschied ausmachen können. "Ich bin ein gebranntes Kind", sagt Wiesinger, inzwischen 51, "ich habe das selbst durchlebt und sage Spielern immer: Ich habe mir nie den Kopf drüber zerbrochen. Für mich war klar, ich muss mich in meinem Rahmen durchsetzen."

Auch Uzun hielt sich mit dem kleinen Nachteil nicht lange auf. Eine gewisse körperliche Robustheit habe er mitgebracht, sagt Wiesinger, aber eben auch eine früh ausgebildete mentale Stärke: "Er war immer mittendrin, er hat sich gut und schnell adaptiert und keinen rapiden Abfall gehabt", stellt Wiesinger im Rückblick fest, wobei jeder Spieler mit "normalen Dellen" in der Entwicklung zu kämpfen habe. "Er kann sich gut selbst einschätzen und hat ein klares Ziel vor Augen."

Vielleicht ist es schon seine letzte Gelegenheit, ein Frankenderby zu gewinnen

Ob er davon überrascht sei, dass Uzun mit elf Treffern der Toptorschütze der Mannschaft ist? "Ehrlich gesagt nicht", antwortet Wiesinger, es gebe sogar "Luft nach oben." Auch in Sachen Defensivarbeit, die sei "sicherlich ein Thema": Nürnberg spielt oft schnell und riskant nach vorne, bei Ballverlusten zeigt Uzun bisweilen noch Schwächen in der Rückwärtsbewegung.

Die ändern nichts daran, dass er aktuell stark umworben ist, und bislang kommt er damit offenbar gut klar. Übrigens auch vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), der dem türkischen Junioren-Nationalspieler (zwölf Spiele mit der U17, sieben Tore) das weiße Trikot mit dem Adler anbietet. Es ist ja nicht so, dass es in diesen Tagen zahlreiche Angreifer mit deutscher Staatsbürgerschaft gibt, die viele Tore schießen. Erst kürzlich waren deshalb Nationalmannschaftsdirektor Rudi Völler und DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig in Nürnberg vorgefahren. Uzun bestätigte am Freitag, dass es auch schon Gespräche mit Eintracht Frankfurt gegeben habe (auch ein Adler im Wappen!), "aber auch mit anderen Teams". Bislang sei nichts entschieden.

Uzun schießt obendrein auch noch die wichtigen Tore. Wie im Hinspiel, das 1:1 endete. Nürnberg war früh in Rückstand geraten, kurz vor der Pause gab es einen Elfmeter für den Club. Und dann schickten sie tatsächlich den 17-Jährigen vor, um den Strafstoß im ausverkauften Max-Morlock-Stadion zu verwandeln. Das hat er natürlich gemacht. Uzun trifft auch ästhetisch wertvoll. "Wenn er aufs Tor schießt, dann ist das mit Sinn und Verstand, gerade wenn er in Bedrängnis ist", erklärt Wiesinger. "Er hat ein brutales Gefühl, Räume zu erkennen und dorthin zu gehen, wo man nicht greifbar ist. Trotzdem kann er auch mal Gegenspieler binden und sieht den freien Mann, das darf man bei ihm auch nicht unterschätzen."

"Er hat sich gut und schnell adaptiert": Can Uzun, hier instruiert von Club-Trainer und Cristian Fiél. (Foto: Schreyer/Imago)

Uzun ist zum Sinnbild geworden für die Arbeit des Nürnberger Nachwuchs-Leistungszentrums. Mehrere Jungspunde aus der eigenen Jugend dürfen sich schon Stammspieler nennen, einige sind kurz davor, es zu werden. "Ich glaube, wir sind einer der glaubwürdigsten Vereine, wenn es um die Entwicklung junger Spieler geht", findet Wiesinger, "darauf sind wir sind auch ein bisschen stolz. Es geht aber nicht jedes Jahr einfach so weiter. Wir dürfen uns darüber kurz freuen, aber nicht ausruhen." Für all jene, die gerade so alt sind wie Uzun, als er nach Nürnberg kam, ist der Noch-Teenager freilich schon jetzt ein Vorbild. "Die jüngeren Talente schauen zu ihm auf. Ihnen sage ich: Schaut her, der war hier bei euch! Bessere Argumente zur Motivation im NLZ gibt's ja gar nicht", freut sich Wiesinger.

Im Laufe der Woche war Uzun angeschlagen, doch am Freitag hatte Trainer Cristian Fiél eine schlechte Neuigkeit für die Fürther: Im Training habe sein Torjäger "alles mitmachen können". Und so wird sich ihm am Sonntag in Fürth also noch die Möglichkeit bieten, den Status eines Derbysiegers zu erringen. Vielleicht ist es schon die letzte Gelegenheit - niemand rechnet damit, dass er danach noch ein weiteres Frankenderby spielen wird.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusJulian Nagelsmann und Toni Kroos
:Einfach mal wuppen

Das DFB-Comeback von Toni Kroos wird zur Nagelprobe für den Bundestrainer: Er wird ein neues Mittelfeld bauen - und neue Machtverhältnisse moderieren müssen. Wie gefährlich das sein kann, davon kann ihm Toni Kroos erzählen.

Von Christof Kneer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: