Formel 1 in Österreich:Hamilton jammert und knurrt beim Desaster

Lesezeit: 4 min

Verfolger im Glück: Sebastian Vettel (hinten) startet von Platz sechs aus, profitiert aber von Fehlern bei Mercedes – Lewis Hamilton (vorne) muss aufgeben. (Foto: Ronald Zak/AP)
  • Max Verstappen gewinnt in Spielberg, Sebastian Vettel wird Dritter. Mercedes erlebt ein Desaster.
  • Beide Autos fallen aus und dem Team unterläuft ein ungewöhnlicher Strategiefehler.
  • Hier gibt es den Liveticker zum Nachlesen und hier geht es zu allen Ergebnissen der Formel 1.

Von Philipp Schneider, Spielberg

Die Rennstrecke in Spielberg sieht ein bisschen so aus, als hätte jemand, sagen wir ein Riese, eine Carrera-Bahn an eine Felswand geklebt. Mit großen, starken Händen selbstverständlich und mit reichlich Pattex. Gefahren wird in Spielberg quasi in der Vertikalen: Gleich nach dem Start gibt es eine Rechtskurve, von dort geht es steil bergauf, immer weiter rasen die Autos nach oben, ehe sie am Himmel über der Steiermark angekommen sind, und von dort wieder herunter sausen ins Tal. In Spielberg wird Motorsport nicht in zwei, sondern in drei Dimensionen betrieben. Für die Zuschauer ist das keine schlechte Situation, weil sie so jeden Winkel des Kurses so gut im Blick haben, als würden sie aus der Vogelperspektive auf die Strecke blicken. Und was gab es da, bitteschön, alles zu sehen am Sonntag?

Am Sonntag zelebrierte die Formel 1 ein Rennen, an das man sich noch lange erinnern wird. Das Fahrerfeld fuhr eine erste Runde, in der es so viele Überhol- und Ausweichmanöver gab, wie sie ganz selten zu erleben sind. Jedenfalls ohne Unfall. Sie beging ein Rennen, bei dem auch noch die entfernteste Kuh auf der hinterletzten grünen Wiesen in Spielberg erkennen konnte, welch krassen Fehler Mercedes' Chefstratege James Vowles unterlief - schon der dritte in dieser Saison. Ein Fehler, der Lewis Hamilton den Sieg gekostet hätte, hätte er seinen Dienstwagen nicht ohnehin sieben Runden vor Schluss wegen Problemen mit dem Benzindruck abstellen müssen.

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Zu sagen, Vowles habe sich bei Hamilton am Sonntag entschuldigt, hieße die Wahrheit sanft zu ummänteln. Vowles hielt eine Entschuldigungsrede über Funk. "Ich habe den Sieg weggeworfen, Lewis. Sorry!"

Hamilton macht Vowles Vorwürfe

Und Teamchef Toto Wolff sagte: "Das ist für mich in meiner Mercedes-Zeit der schwerste Tag.

Es ist im Rennen alles schief gelaufen, was schieflaufen konnte." Als Hamilton nach 64 Runden aus dem Auto stieg, wird er noch nicht ganz begriffen haben, was sich zugetragen hatte beim Grand Prix in Österreich, der nicht gerade für seinen Spannungsgehalt berühmt ist, weil auf ihm traditionell nicht gut überholt werden kann. Hamilton hatte erst geführt, dann das halbe Rennen lang geknurrt und gejammert. Er hatte immer wieder wissen wollen von Vowles, wie ihm so etwas hatte passieren können. Und dann hatte er ansehen müssen, wie Sebastian Vettel als Dritter durchs Ziel rollte, hinter dem Sieger Max Verstappen im Red Bull und seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen. Hamilton sah, wie Vettel von Startplatz sechs vorfuhr auf drei, weswegen er in der WM nun wieder einen Punkt hinter ihm liegt.

Eigentlich hatte es recht gut ausgesehen für die abermals weiterentwickelten Silberpfeile vor dem Start. Valtteri Bottas startete von der Pole, Hamilton parkte direkt neben ihm. Eine Woche nach einem sehr üppigen Motorenupgrade hatte Mercedes für Spielberg auch noch die Aerodynamik verbessert. Vettel blieb am Samstag nur die drittschnellste Zeit, die ihm auch einen dritten Startplatz eingebracht hätte. Wäre er nicht später von den Rennkommissaren dabei ertappt worden, dass er im Qualifying Carlos Sainz auf dessen schneller Runde blockiert hatte, was ihm schließlich eine Strafversetzung um drei Positionen einbrachte. Und so also kam es, dass Vettel seinen Ferrari in der Reihe hinter seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen und dem Red Bull von Max Verstappen parken musste, links neben ihm stand auch noch Romain Grosjean im Haas.

"Ich brauche nur einen ordentlichen Start", sagte Bottas, "ich muss kein Held sein in der ersten Kurve." Im Vorjahr war er so heldenhaft schnell von der Pole gestartet, dass Vettel einen Fehlstart gewittert hatte. Diesmal kamen die Ferraris am besten von der Stelle, Räikkönen schob sich zwischenzeitlich zwischen die Silberpfeile, auch Vettel kam gut weg, ehe er Grosjean ausweichen musste und die Strecke verließ. Vettel fiel zwischenzeitlich zurück auf Rang acht, doch nach drei Runden war er immerhin wieder auf der Position, auf der er das Rennen begonnen hatte. An der Spitze kreisten die Silberpfeile, allerdings hatten Hamilton und Bottas die Positionen getauscht, und Verstappen war vorbei an Räikkönen. So weit, so gut.

Der Irrwitz begann in Spielberg, kurz nachdem aus Nico Hülkenbergs Renault Flammen schossen - in jenem Moment, als Bottas seinen Wagen nach 14 Runden parkte, weil er Hydraulikdruck verloren hatte. Der Finne rollte aus in Kurve vier, und weil die Rennkommissare ihn dort als Verkehrshindernis einstuften, wurde das virtuelle Safety Car aktiviert. Die Teams an der Spitze lotsten ihre Piloten an die Box, um auszunutzen, dass das Fahrerfeld ohnehin verlangsamt unterwegs war. Die Red Bulls kamen, die Ferraris kamen - aber wo war Hamilton? Hamilton fuhr als einziger weiter, weil ihn Vowles nicht zum Reifenwechsel rief. Hamilton kam erst nach 25 Runden an seine Versorgungsstation - und als er wieder auf die Strecke bog, war er nur noch Vierter und sah Vettels Ferrari in Lastwagengröße in seinem Rückspiegel. "Ich würde gern etwas sagen, aber lasst mich mal", knurrte Hamilton.

"Das war ein toller Move von uns, beide Fahrer rein zu holen. Ich kann aber nicht verstehen, warum Lewis das nicht auch gemacht hat", grübelte Red Bulls Teamchef Christian Horner. Und damit war er nicht alleine. In Runde 39 quetschte sich Vettel schließlich auf der Innenseite vorbei an Hamilton, der sein Auto vermutlich vor Wut längst nicht mehr mit den Händen lenkte, sondern mit den Zähnen.

Von Problemen mit Blasenbildung an den Reifen berichteten alle Fahrer, Räikkönen setzte zur Jagd auf Verstappens Teamkollegen Ricciardo an, der dann aber ebenfalls nach einem Motorenschaden aus dem Wagen klettern musste - und Verstappen führte plötzlich das Fahrerfeld an und rettete den Sieg ins Ziel.

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"Es ist ein positiver Tag, es hätte aber noch besser laufen können", sagte Vettel am Ende eines wilden Rennens. Angesichts des Doppelausfalls bei Mercedes war das eine recht süffisante Bemerkung.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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