Formel-1-Weltmeister:Hamilton drängt alle zur Seite

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Lewis Hamilton zeigte beim Großen Preis der USA in Austin sein ganzes Können. (Foto: AFP)
  • Lewis Hamilton gewinnt den Großen Preis der USA in Austin.
  • Mit dem Sieg ist er zum dritten Mal Formel-1-Weltmeister.
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Von René Hofmann

Die Szene, die am meisten erzählte über das entscheidende Rennen der Formel-1-Saison, ereignete sich kurz nach dem Rennen. Sie spielte in dem Raum, in dem sich die drei schnellsten Fahrer auf die Siegerehrung vorbereiten. Zugegen waren Sebastian Vettel, in seinem Ferrari Dritter beim Grand Prix in Austin/Texas, dazu die beiden Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Mit einem Fahrfehler hatte der 30 Jahre alte Deutsche in Runde 49 von 56 den Weg frei gemacht für den gleichaltrigen Briten.

Hamilton war an ihm vorbeigejagt, auf und davon, dem Sieg entgegen, der ihn seinen dritten WM-Titel brachte. "Das ist der größte Moment meines Lebens", hatte Hamilton hörbar bewegt unmittelbar hinter der Ziellinie am Funk gesagt. In dem Raum mit Rosberg und Vettel musste er sich dann erst einmal sammeln. Lange stützte Hamilton seinen Kopf auf ein Möbelstück. Dann kamen die Schildkappen, die die drei bei der Champagner-Dusche tragen sollten. Hamilton griff sich die mit der Nummer eins auf der Seite und zog sie auf. Die Mütze mit der eingewirkten Nummer zwei warf er mit leichter Hand dem in der Nähe in einem Sitz mümmelnden Rosberg zu. Rosberg feuerte sie umgehend zurück. Es war keine freundschaftliche Geste. Aber freundschaftlich war es auf der Strecke zuvor ja auch nicht zugegangen.

Wochenende verläuft turbulent

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Das Wochenende war generell turbulent verlaufen. Ausläufer des Hurrikans Patricia hatten am Samstag dazu geführt, dass die Qualifikation abgesagt worden war. Sie fand am Sonntagvormittag statt. Wieder regnete es. So sehr, dass der dritte Durchgang gestrichen wurde. Mit seiner Bestzeit im zweiten Durchgang sicherte sich Nico Rosberg die Pole-Position. Zum dritten Mal in Serie parkte er auf dem begehrtesten Startplatz. Neben ihm nahm Hamilton Aufstellung. Vettel parkte seinen Ferrari - nach einer Strafversetzung wegen eines Motorenwechsels - auf Position 15.

Hamilton 302 Punkte, Vettel 236, Rosberg 229 - so lautete die Ausgangssituation. Kein anderer hatte mehr Titelchancen. Als die Startampel ausging, veränderte sich die Situation schlagartig: Der Protagonist stürmte ins Rampenlicht. Schnell, entschlossen, manche werden auch sagen: rücksichtslos. In der ersten Kurve, die in Austin nach links führt, setzte Hamilton sich innen neben Rosberg und drängte diesen Zentimeter um Zentimeter weiter von der Ideallinie, bis er sich dort befand, wo die Traktion deutlich nachließ: auf der rot-weiß lackierten Streckenbegrenzung. Dort angelangt, fiel Rosberg weit zurück.

"Ich finde, ich habe ein Recht auf ein Stück Strecke", brodelte es nach dem Rennen aus ihm heraus: "Dass mein Teamkollege extra versucht, mich verhungern zu lassen und sogar so weit geht, dass er in mich reinfährt, das ist ein Schritt zu weit." Die Mercedes-Gewaltigen stimmten Rosberg zu. "Das war zu hart", fand Teamchef Toto Wolff. "Das wäre nicht nötig gewesen", urteile Team-Aufsichtsratschef Niki Lauda. Selbst den Teamkollegen zur Seite gedrängt - hätte es noch eines Beispiels bedurft, wie dieser Lewis Hamilton tickt, was ihn auszeichnet, wie er diesen WM- Titel an sich gerissen hat: Hier war es!

Die Szene war symbolträchtig. Entscheidend für den Ausgang des Rennens aber war sie nicht. Entscheidend für die Turbulenzen, die sich im weiteren Fortgang der Wettfahrt entwickelten, war das Wetter. Die Regenwolken verzogen sich, die zunächst noch nasse Strecke trocknete ab.

Die wechselhaften Bedingungen sorgten dafür, dass Ungewöhnliches passierte: Als die Allwetter-Reifen allmählich nachließen, bekam Hamilton an der Spitze Probleme. Diese wuchsen sich derart aus, dass Daniel Ricciardo zwischenzeitlich die Führung übernahm. Ein Red Bull überholt einen Mercedes: 2015 hatte das Seltenheitswert. Und kurz darauf gab es noch eine weitere zuvor selten zu bestaunende Aktion zu sehen: Rosberg konterte. Mit einem überlegten Manöver zog er an Hamilton vorbei. Auf der abtrocknenden Strecke waren die beiden Mercedes dann bald wieder die überlegenen Maschinen.

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1. Rosberg, 2. Hamilton, 3. Ricciardo, 4. Vettel - so lautete die Reihenfolge in Umlauf 27 von 56: In diesem Moment war Hamilton nicht Weltmeister. Er hatte mehr als zehn Sekunden Rückstand auf Rosberg. Dabei aber blieb es nicht lange. Ein Bremsdefekt an Marcus Ericssons Sauber half Hamilton. Weil das Auto des Schweden an einer Stelle ausrollte, an der es nicht leicht zu bergen war, kam das Safety Car und stauchte das Feld zusammen. Vettel nutzte die Gelegenheit für einen Reifenwechsel. Als die Jagd wieder freigegeben wurde, jagte Rosberg mühelos voraus, gefolgt von Hamilton und wenig später auch von Vettel. Diese Reihenfolge bedeutete: Nur ein Überholmanöver trennte Hamilton vom Titel. Bei einem Sieg vor Rosberg und Vettel war ihm der Titel sicher.

Es dauerte nicht lange, bis er sich mit einer besonders schnellen Runde bis auf eine Sekunde an Rosberg heranpirschte. Der große Showdown aber wurde noch einmal vertagt. Nach einem Unfall, bei dem sich der Red Bull von Daniel Kwjat in die Leitplanken bohrte, kam erneut das Safety Car. Noch einmal wurden die Karten mit Reifenwechseln von Hamilton und Vettel neu gemischt. Als die Rennwagen wieder unter sich waren, waren noch elf Runden zu fahren - 60,6 Kilometer, die Nico Rosberg in Erinnerung bleiben werden.

Rosberg begeht einen verhängnisvollen Fehler

In Runde 49 unterlief ihm ein Fehler, der mehr als nur das Rennen entschied. Es war der Fehler, mit dem er Hamilton den Titel überreichte: Kurz nur kam Rosberg mit zwei Rädern auf den rutschigen künstlichen Rasen neben der Strecke. Das reichte. Hamilton schlüpfte vorbei. Erklären konnte Rosberg den Ausrutscher nicht: "Das war heftig. Keine Ahnung, was da passiert ist." Es war die finale Wendung des turbulenten Titelkampfes - auch wenn die Spannung noch einmal anstieg: Auf den letzten Runden kam Vettel Rosberg bedrohlich nahe.

Hätte es der viermalige Weltmeister am Möchtegern-Weltmeister vorbeigeschafft, wäre Hamiltons Krönung um mindestens eine Woche verschoben worden; am kommenden Wochenende gastiert die Formel 1 in Mexiko-Stadt. Weil Rosberg am Ende aber doch den treuen Team- spieler gab und Vettel hinter sich hielt, durfte Hamilton schon in Texas jubeln.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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