Nico Rosberg in der Formel 1:Der große Verlierer hat nichts mehr zu verlieren

Nico Rosberg

Nico Rosberg will den dritten WM-Titel von Lewis Hamilton verhindern.

(Foto: AP)

Von Elmar Brümmer, Austin

Es ist nur eine Bemerkung von Lewis Hamilton, eher zusammenhanglos in die Runde geworfen, und schon haben sich 30 Minuten Podiumstalk vor dem Großen Preis der USA gelohnt. Über seine bevorstehende Titelverteidigung als erster britischer Formel-1-Fahrer überhaupt hat Hamilton kein Wort verloren, dazu war er viel zu sehr mit seinem Smartphone beschäftigt. Twitter- und Facebook-Champion ist er ja schon.

Dann blickt Hamilton kurz auf und sagt: "Gestern auf der Kartbahn ist etwas geschehen, was mir noch nie in meinem Rennfahrerleben passiert ist - ich wurde von einem anderen farbigen Piloten überholt." Es ist wie im richtigen Rennen: Im entscheidenden Moment agiert der 30-Jährige spontan, unverhofft, schnell. Und kassiert dafür auch noch Sympathiepunkte.

Zwei Zähler mehr als sein Mercedes-Kollege Nico Rosberg, neun mehr als Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel: Schafft Hamilton das am Sonntagabend in Austin/Texas, steht er bereits nach dem viertletzten Rennen der Saison als Champion fest. Und wenn nicht dieses Wochenende, dann eben am nächsten in Mexiko-Stadt, die Wahrscheinlichkeit steigt. Die Aussicht auf seinen dritten Titel nach 2008 und 2014 tangiert Hamilton scheinbar nicht besonders. "Ich weiß aus Erfahrung, dass in unserem Sport nichts erledigt ist, bis es wirklich soweit ist. Aus diesem Grund werde ich nichts als selbstverständlich ansehen. Ich gehe dieses Rennen genauso an wie alle anderen in diesem Jahr auch", sagt er.

Fotoduell geht an Hamilton

Die übliche Vorbereitung sieht dann so aus: Hoch über Miami einen Song von Adele am Klavier klimpern, mit einem Elektro-Einrad am Strand unterwegs sein, mit Will Smith posieren. Hamilton ist sich selbst der liebste Paparazzo und verbreitet die Bilder auch gleich selbst übers Internet. Sein Teamkollege Nico Rosberg postet zur gleichen Zeit ein Bild von hausgemachten glutenfreien Pfannkuchen, was etwas fad und freudlos wirkt. Zumindest im Vergleich.

Nico Rosberg versucht in Texas seine Lieblingsthese zu untermauern, dass er noch eine Chance habe: "Ich habe ein Auto, mit dem ich Erster werden kann. Deshalb ist es enttäuschend, Dritter zu sein. Aber ich habe noch nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, dass ich Dritter bleibe", sagt er mit Blick auf die WM-Wertung, in der Vettel zuletzt vorbeizog. Nichts sei unmöglich, nichts mehr zu verlieren, ein bisschen Glück, ein besseres Qualifying - es sind Hoffnungssplitter.

Rosberg glaubt an die winzige Chance

Ob sich jetzt, da Mercedes schon den für die Marke wichtigen Konstrukteurstitel eingefahren hat, etwas am Zweikampfverhalten ändern werde: Er wisse es nicht, sagt Rosberg. Sicher sei nur eins: "Für mich ist es simpel, es gibt nur eine Richtung - denn es kann nur besser werden. Ich kann die vier letzten Rennen noch gewinnen. Das ist auch mein Anspruch." Auf die Möglichkeit angesprochen, dass er mit einem zweiten Platz hinter Hamilton den Kollegen zum Champion machen könne, hebt Rosberg den Blick: "Das findet in meinem Kopf nicht statt."

Alles eine Frage der Wahrnehmung. Hamilton hat seine Rangfolge, schon mit Blick auf die nahe Zukunft, korrigiert: "Größter Rivale ist immer der, der direkt hinter dir ist. Nico war es das ganze Jahr, Sebastian wird in seinem neuen Auto immer stärker. Ich muss hart arbeiten."

Dass das Gegeneinander der beiden Mercedes-Fahrer bei Rosberg Spuren hinterlassen hat, ist offensichtlich. Auf die Frage nach Hamiltons Rang in der Formel-1-Geschichte antwortet er: "Lewis ist gerade einer der Besten." Ein größeres Kompliment über den Rivalen ist Rosberg nicht zu entlocken. Auch auf mehrfache Nachfrage mauert er bei dem Thema, ob sein Gegenspieler einer der größten Fahrer überhaupt sei. "Dazu möchte ich meine Meinung nicht sagen", sagt Rosberg.

Hamilton ist Teil der Glitzerwelt

Dafür redet Bobby Epstein bereitwillig, der Vermarkter des Rennens in Austin. Er rät allen Fahrern, in Hamiltons Fußstapfen zu treten - und meint das nicht rein sportlich: "Hollywood liegt ja nicht umsonst in Amerika. Die Formel 1 hat einige Stars, und sie sollten sich nicht verstecken. Das sind schließlich die Männer, die die Tickets verkaufen. Lewis hat das begriffen, er bewegt sich auch außerhalb des gewohnten Motorsport-Terrains. Davon brauchen wir mehr, denn Autos werden nie so eine starke Persönlichkeit besitzen. Die Fans wollen Menschen, nicht Metall." Und in Texas kommt noch etwas hinzu: "Die Menschen hier wollen Siegertypen, und Lewis ist nun mal der größte Gewinner gerade."

Hamiltons Lebensstil, der einen beinahe wöchentlichen Pendelverkehr im Privatjet über den Atlantik vorsieht, provozierte lange viel Kritik. Auch deshalb bereitet es dem 30-Jährigen nun ein diebisches Vergnügen, auf der Rennstrecke seine Überlegenheit zu demonstrieren. Der Unterschied zu der Zeit, als er noch für McLaren fuhr: Hamilton lebt kein Image mehr, er lebt sich einfach aus. Er habe die Freiheit gesucht und bei Mercedes gefunden, erzählt er. Und erinnert sich daran, dass er seinen ersten Titel 2008 nicht richtig habe genießen können: "Ich konnte nicht verstehen, was da passiert war."

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