Formel 1 - Vettel wird in Silverstone nur Dritter:Im Windschatten der großen Rivalen

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Mark Webber gewinnt den Grand Prix von Silverstone vor Fernando Alonso - auch in der Gesamtwertung sind beide Fahrer dem Doppelweltmeister Sebastian Vettel voraus. Vor dem Heimrennen in Hockenheim steht Vettel damit unter Zugwang. Noch schlechter ist die Stimmung im Team von Michael Schumacher.

René Hofmann

Sein Schlussspurt war unwiderstehlich. Auf den letzten der 52 Runden in Silverstone hat Red-Bull-Fahrer-Mark Webber den Ferrari-Lenker Fernando Alonso abgefangen und den Großen Preis von Großbritannien gewonnen, das neunte von geplant 20 Formel-1-Rennen der Saison 2012. Für den 35-Jährigen Australier war es der neunte Sieg seiner Formel-1-Karriere.

Dritter und Erster: Sebastian Vettel (links) und Teamkollege Mark Webber. (Foto: Getty Images)

Webber avanciert zum Mann für die Klassiker: Der Triumph ist der zweite für ihn in diesem Jahr; Ende Mai war er in Monte Carlo der Schnellste gewesen. In der WM-Wertung festigte Webber damit seinen zweiten Gesamtrang: Mit 116 Punkten wird er hinter Alonso geführt, der auf 129 Zähler kommt. Sebastian Vettel bewegt sich im Windschatten dieser beiden Rivalen: In der Gesamtwertung ist er mit 100 Punkten Dritter. Den Rang belegte er nach einem unauffälligen Rennen auch in Silverstone.

"Ein guter Tag für mich und für das Team", so fasste Webber seinen Arbeitstag zusammen. Zum ersten Mal in diesem Jahr standen beide Red-Bull-Fahrer auf dem Siegerpodest - ein Resultat, das nach der zum Teil chaotischen Qualifikation einigermaßen überraschend kam: Webber hatte auf Startplatz zwei geparkt, Vettel zwei Ränge dahinter. Alonso war von der Pole Position aus gestartet und hatte 48 Runden lang angeführt.

Als Dritter der Qualifikation hatte einmal mehr Michael Schumacher auf sich aufmerksam gemacht. Im Rennen konnte der Mercedes-Fahrer seinen starken Eindruck aber nicht bestätigen. Er wurde Siebter hinter Felipe Massa, der im zweiten Ferrari Platz vier belegte, und den beiden Lotus-Fahrern Kimi Räikkönen (Fünfter) und Romain Grosjean (Sechster).

Die McLaren-Männer Lewis Hamilton und Jenson Button enttäuschten bei ihrem Heimrennen; sie wurden als Achter und Zehnter abgewunken. Nico Hülkenberg (Force India/Zwölfter), Nico Rosberg (Mercedes/15.) und Timo Glock (Marussia/18.) blieben ohne WM-Punkte. Das Überraschendste am Rennverlauf aber war: Nach tagelangem Dauerregen fiel kein einziger Tropfen.

"Das war für uns heute wichtig", gab Red-Bull-Teamchef Christian Horner zu, der seine zwei Fahrer mit unterschiedlichen Reifen-Strategien losziehen ließ, um Alonso möglichst stark unter Druck zu setzen. Worüber Horner sich ebenfalls freuen konnte, auch wenn er es nicht so freimütig bekannte: Webbers Formhoch erhöht den Druck auf Vettel. Der Titelverteidiger, der langfristig an den Rennstall gebunden ist, muss sich strecken, um seinem Anspruch als Führungskraft gerecht zu werden.

Webbers Kontrakt läuft zum Saisonende aus. In Silverstone hatte er schon vor zwei Jahren mit einem Sieg geglänzt, nach dem er am Funk wegen einer vermeintlichen Benachteiligung Richtung Team- führung geätzt hatte: "Nicht schlecht, für einen Nummer-zwei-Fahrer, oder?" Der Titelkampf hatte sich damals auf ihn, Alonso und Vettel zugespitzt. Das gleiche Szenario ist auch dieses Jahr denkbar.

Alonso setzte in Großbritannien seine eindrucksvolle Serie fort: Der Spanier ist der einzige Pilot, dem es in diesem Jahr in jedem Rennen glückte, Punkte zu sammeln. Zu der Konstanz, die Alonso schon länger auszeichnet, gesellt sich nun noch zunehmend technische Brillanz: Sein Ferrari, der zum Saisonbeginn im März noch als Fehlkonstruktion galt, wird schneller und schneller; eine Entwicklung, die sich auch in Felipe Massas sechstem Startplatz spiegelt.

"Wir werden weiter kämpfen", versprach Teamchef Stefano Domenicali, der damit haderte, dass seine Rennwagen mit den beiden von Einheitslieferant Pirelli zur Verfügung gestellten Reifenmischungen nicht so zurechtkamen wie die Wagen von Red Bull. Der Umgang mit den Gummi- walzen - er ist in diesem Jahr ein Schlüsselfaktor, der die WM entscheiden kann.

Sebastian Vettel glückte zwar die beste Punkteausbeute seit seinem Sieg Mitte April in Bahrain. Zum Strahlen aber war ihm nicht zumute, auch wenn er erklärte: "Alles in allem können wir zufrieden sein. Gerade nach dem Ausfall im letzten Rennen war es ein Aufschwung." Beim Großen Preis von Europa vor zwei Wochen in Valencia war er in Führung liegend mit einem Defekt an der Lichtmaschine ausgeschieden; Webber hatte als Vierter zwölf Punkte gesammelt.

Einen guten Anhaltspunkt, wer in diesem Jahr welche Möglichkeiten hat, bietet die Konstrukteurswertung: in dieser ist Red Bull mit 216 Punkten komfortabel voraus, gefolgt von Ferrari (152), Lotus (144), McLaren (142) und Mercedes (98). Auch diese Konstellation erinnert an das Jahr 2010, das mit einem furiosen Finale und Vettels erstem Titel endete.

"Wenn die Leute es mir nicht sagen würden, wüsste ich gar nicht, wer wie viele Punkte hat und wo ich in der WM-Wertung stehe", behauptete Vettel: "Das Ziel ist es, am Ende ganz oben zu stehen. Wie man dahin kommt, ist egal." Den nächsten Anlauf, es auf dem Siegertreppchen ganz nach oben zu schaffen, wird er am 22. Juli nicht weit von seinem Heimatort Heppenheim entfernt unternehmen: auf dem Hockenheimring, beim Großen Preis von Deutschland. Vor zwei Jahren, als der Rennzirkus zum letzten Mal auf der Strecke gastierte, hatte es einen Eklat gegeben. Damals hatte Ferrari-Fahrer Felipe Massa auf Geheiß des Teams den Sieg seinem in der WM-Wertung besser platzierten Teamkollegen Fernando Alonso überlassen, was diesen im Titelrennen entscheidend vorangebracht hatte. Vettel war Dritter geworden.

Auf einen Aufschwung beim Heimrennen hofft auch die Mercedes-Mannschaft, die Silverstone ernüchtert verließ. "Im Regen wäre mehr als Startplatz drei möglich gewesen, heute aber war leider nicht mehr als Platz sieben drin", bilanzierte Michael Schumacher das Wochenende, an dem sein Auto eine Form gezeigt hatte, die ähnlich wechselhaft war wie das Wetter. Die vielen schnellen Kurven, die es in Silverstone gibt, liegen den Formel-1-Autos von Mercedes nicht. Je mehr Benzin sich im Tank befindet, desto deutlicher tritt der Schwachpunkt hervor.

Noch drastischer als Schumacher gab dies sein Teamkollege Nico Rosberg wieder: "Das war generell schwierig. Ich war schlicht zu langsam", meinte er. Für Hockenheim wünscht sich Schumacher von seinen Fans deshalb nur eines: "Bringt Regen mit!" Wirtschaft

© SZ vom 09.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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