Formel 1:Verstappen hängt die Silberpfeile ab

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Zweiter Saisonsieg: Red-Bull-Pilot Max Verstappen, 23, hat im August in Silverstone gewonnen - und nun in Abu Dhabi das Finale. (Foto: Getty Images)

Im letzten Saisonrennen der Formel 1 sorgt der Red-Bull-Pilot für Abwechslung an der Spitze. Für Sebastian Vettel endet sein letztes Jahr für Ferrari so miserabel, wie es angefangen hatte.

Von Anna Dreher, Abu Dhabi/München

Max Verstappen musste sich längst keine Sorgen mehr machen. Er hatte einen so deutlichen Vorsprung, dass er seinen Ingenieuren wenige Runden vor Schluss anbot, die Motorleistung runterzudrehen. Aber die Box lehnte das Angebot ab, es gab keinen Grund, der Red Bull war stark genug - und hielt durch. "Das war ein unglaubliches Rennen", funkte der Niederländer zurück, nachdem er beim Großen Preis von Abu Dhabi sein zweites Saisonrennen und das zehnte seiner Formel-1-Karriere gewonnen hatte. Mit 15 Sekunden Vorsprung kam er vor Mercedes-Pilot Valtteri Bottas ins Ziel, dahinter folgte dessen Teamkollege Lewis Hamilton, der bereits als Weltmeister feststand.

Fünfmal hatte der Brite Hamilton schon auf dieser Strecke gewonnen, so oft wie kein anderer. An diesem Wochenende aber, nachdem er erst am Donnerstag - nach einem WM-Lauf Pause aufgrund einer Coronavirus-Infektion - die Freigabe erhielt, war Hamilton nicht in der gewohnten Topform. "Ich bin zufrieden, wenn man bedenkt, wie die letzten Wochen für mich gelaufen sind. Das war ein hartes Rennen für mich" sagte Hamilton am Sonntag. "Heute war ich froh, dass es vorbei war, körperlich war es wirklich eine echte Belastung."

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Damit ist eine ungewöhnliche Saison Geschichte, welche die Verantwortlichen im März wegen der Pandemie erst abbrechen mussten und ab Juli mit einem 17 Rennen umfassenden Notkalender doch noch fortsetzen konnten. In der auf zuvor lange nicht mehr berücksichtigten Traditionsstrecken gefahren wurde. In der mit dem Rückzug der Williams-Familie aus dem gleichnamigen Team eine Ära endete. In der Haas-Pilot Romain Grosjean in Bahrain wie durch ein Wunder einen Feuerunfall nur leicht verletzt überstand. In der erneut Mercedes dominierte, die Konstrukteurs-WM gewann - und Hamilton den Rekord Michael Schumachers von sieben WM-Titeln egalisierte. Und in der die insgesamt enttäuschende Partnerschaft von Sebastian Vettel und Ferrari ernüchternd zu Ende ging.

Nachdenklicher Weltmeister: Lewis Hamilton holte zum siebten Mal den Fahrertitel. (Foto: Hamad Mohammed/AP)

Die eigentliche Überraschung ergab sich schon am Samstag. Die schwarz lackierten Silberpfeile hatten in dieser Saison ein Dauerabo auf die beliebteste Parkbucht: Startplatz eins. Und auch in den Vereinten Arabischen Emiraten war Mercedes stets das Maß der Dinge gewesen. Seit 2014 waren die Seriensieger auf dem Yas Marina Circuit in der Qualifikation und im Rennen ungeschlagen. Nun aber fuhr Verstappen in der Qualifikation 0,025 Sekunden schneller.

Für den 23-Jährigen war es die erste Pole Position seit dem Großen Preis von Brasilien 2019 und die dritte seiner Formel-1-Karriere insgesamt. In dieser Saison war er zuvor in 13 der 17 Rennen unter die besten drei gekommen, aber eben nie vorbei an den überlegenen Mercedes-Boliden bis an die Spitze gefahren. "Das war schon der Wahnsinn. Es ist egal, ob wir morgen gewinnen", sagte Verstappen danach bestens gelaunt. Aber natürlich war es ihm nicht egal, ob er siegen würde oder nicht.

In seinem letzten Rennen für Ferrari startete Vettel nur von Position 13 - und landete auf Rang 14

Verstappen kam gut weg und versperrte Bottas vor der ersten Kurve den Weg. Dahinter folgten Hamilton und der überraschend auf Rang vier gestartete Lando Norris im McLaren. Vettel hatte mit dem Geschehen im vorderen Teil des Feldes nichts zu tun. Seinen letzten Einsatz für Ferrari nach sechs Jahren begann der viermalige Weltmeister von Rang 13. Damit hatte er zum 14. Mal einen Startplatz unter den besten Zehn verpasst. Die Saison beendet er als Gesamtdreizehnter, so schlecht wie nie zuvor in seiner Karriere in einer kompletten Saison. Es ist das frustrierende Ende eines Kapitels, das einst so verheißungsvoll begonnen hatte.

Zwei Mal schloss er im Ferrari das Jahr auf WM-Platz zwei ab, an die Erfolge seines Idols Michael Schumacher anzuknüpfen - der mit der Scuderia fünf Mal den Titel gewann -, gelang ihm indes nicht. Und nachdem im Frühjahr auf skurrile Art und Weise vom Rennstall das Arbeitsverhältnis beendet wurde, war 2020 ein einziger Murks. "Diese Saison war so schlecht, dass ich ziemlich froh bin, dass es vorbei ist, um ehrlich zu sein", sagte Vettel und: "Wir sind gescheitert. Wir wollten den Titel gewinnen und haben es nicht geschafft."

In der Türkei schaffte er es als Dritter das einzige Mal aufs Podest. In Abu Dhabi mit einem Erfolgserlebnis abzuschließen, bevor er 2021 für Aston Martin fahren wird, gelang dem 33-Jährigen nicht. Er wurde 14. hinter seinem Teamkollegen Charles Leclerc. Ferrari belegte Rang sechs in der Teamwertung, ein miserables Ergebnis.

Vorne hielt Verstappen die Mercedes auf Distanz in einem sehr ruhigen und unfallfreien Rennen, das seinen ersten und einzigen Zwischenfall in der zehnten Runde verzeichnete. Sergio Perez hatte vergangene Woche sensationell den Großen Preis von Sachir gewonnen. Nun wollte sein Auto nicht mehr. "Ich habe den Motor verloren", sagte er im Boxenfunk und schlug frustriert die Arme in die Luft, als er seinen Boliden am Streckenrand geparkt hatte und ausgestiegen war. Was für ein Abschied! Racing Point wird 2021 zu Aston Martin. Und weil neben jenem von Lance Stroll das zweite Cockpit an Vettel vergeben ist, steht Perez vor einer ungewissen Zukunft.

Es war überhaupt ein Grand Prix der Abschiede. Daniel Ricciardo wird von Renault zu McLaren wechseln, Carlos Sainz von McLaren zu Ferrari; für Kevin Magnussen (Haas), Daniil Kwjat (AlphaTauri), Alexander Albon (Red Bull) und dem nach seinem Unfall gar nicht erst angereisten Grosjean war es womöglich wie für Perez der letzte Formel-1-Auftritt.

Perez löste eine virtuelle Safety-Car-Phase aus, die bis auf fünf Fahrer - darunter die beiden Ferrari - das gesamte Feld zum Reifenwechsel auf die harte Mischung nutzte. Erst fuhr Verstappen an die Box, dann Bottas und schließlich Hamilton. "Das fühlt sich nicht wie eine gute Strategie an", funkte Hamilton kurz danach. Noch waren ja gerade einmal zehn von insgesamt 55 Runden absolviert. Aus der virtuellen wurde eine reelle Safety-Car-Phase. Nun durften sich alle eng hintereinander sortieren vor einem fliegenden Neustart. Verstappen musste gut taktieren, um die Konkurrenz hinter sich zu halten - und hatte kein Problem damit. Die Reihenfolge war wieder manifestiert, einzig im Mittelfeld wurden eifrig die Plätze getauscht. Verstappen klagte noch über Vibrationen, baute derweil aber seinen Vorsprung weiter aus - und blieb uneinholbar weit vorne.

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