Duell Perez gegen Verstappen:Der Adjutant meldet Ansprüche an

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Sergio Perez (links) gewinnt in Baku. Er könnte zum schärfsten Rivalen für Max Verstappen im Kampf um den WM-Titel werden. (Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Nach dem Sieg von Sergio Perez in Baku deutet sich an, dass er gegen Teamkollege Max Verstappen um den WM-Titel fahren wird. Der Niederländer gilt als extrem schlechter Verlierer - die Konstellation birgt enorme Spannung.

Von Elmar Brümmer

Die ehrlichsten Zitate in der Formel 1 gibt es immer kurz nach dem Zielstrich. Wenn sich Rennwagen und Rennfahrer noch in voller Fahrt befinden, losgelöst vom Positionskampf zwar, aber voller Adrenalin. Lust und Frust gipfeln dann im erlösenden Aufschrei, Dankesbezeugungen und vor allem: Ansagen. Das war nach 51 eher zähen Runden beim Großen Preis von Aserbaidschan nicht anders.

Sergio Perez, der seinen fünften Sieg für Red Bull Racing einfahren konnte und dabei zum fünften Mal auf einem Stadtkurs erfolgreich war, kündigte an, jetzt wieder "voll im Kampf" zu sein. Nur sechs WM-Zähler liegt der Mexikaner in der Gesamtwertung hinter seinem Teamkollegen, er hat in diesem Rennjahr ebenso viele Erfolge wie Max Verstappen vorzuweisen, der hinter ihm ins Ziel kam. Guter Zweiter sein, das ist ungefähr das Schlechteste, was Verstappen kann. Der Niederländer lamentiert gern, wenn er mal nicht Erster wird, weshalb Teamchef Christian Horner vom Kommandostand aus seinen Paradefahrer gleich mit den Worten tröstete, dass Kollege Perez einfach mehr Glück gehabt habe in der entscheidenden Safety-Car-Phase des Rennens: "Und die Saison ist noch lang."

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Später wertete Horner die Leistung von Perez zwar zu Recht als "phänomenal", aber Mimik und Tonlage bei den Red-Bull-Granden lassen erahnen, dass sie lieber einen Doppelerfolg in umgekehrter Reihenfolge gehabt hätten. Vermutlich auch, weil dann die Stimmung im Team eine angenehmere gewesen wäre. Für Verstappen ist es eine gewöhnungsbedürftige Perspektive, erst drei Viertel des Rennens Hintermann zu sein und dann dem anderen auch noch gratulieren zu müssen.

Ein Boxenstopp kurz vor einer Safety-Car-Phase hatte Verstappen in der zehnten Runde um die Siegchance gebracht. Pech, kann passieren? Nicht für einen, der so schlecht verlieren kann wie er. Der Niederländer will deshalb mit seinem Team auf die Szene gucken, als sein Landsmann Nyck de Vries den Alpha Tauri in die Bande setzte - und ob die Box nicht gleich hätte sehen müssen, dass der Wagen irreparabel beschädigt war. Dann wäre es ein Strategiefehler gewesen, nicht abzuwarten, ob das Rennen sofort neutralisiert wird. Dann hätten beide Autos bequem wechseln können und Perez hätte nicht den entscheidenden Zeitvorteil gehabt.

Zwei Renn-Bullen, die den Titel unter sich ausmachen wollen, das kann die Formel 1 gut gebrauchen

"Das müssen wir uns auch nochmal genauer anschauen", forderte er hinterher, vom Kommandostand aus hätte man doch einen besseren Überblick als aus dem Cockpit. Sozusagen ein Videobeweis in eigener Sache, um zweierlei klarzumachen: Dass der Sieg eigentlich ihm zugestanden hätte, und dass damit auch geklärt sei, auf wen im Kopf-an-Kopf-Rennen der Teamkollegen künftig zu setzen sei. Allerdings war es Verstappen selbst, der in Führung liegend ob seiner abbauenden Reifen auf den Halt gedrängt hatte.

Das wird wohl kein angenehmer Weg nach Miami werden, der Weltmeister will mit aller Macht seinen Status als Nummer eins von Red Bull verteidigen. Aber er ist gewarnt, Perez scheint sich nach den Demütigungen der jüngeren Vergangenheit nicht nur fahrerisch stark verbessert zu haben - auch in Sachen egoistischer Denke befindet sich der Adjutant mittlerweile auf Augenhöhe. Zwei Renn-Bullen, die den Titel unter sich ausmachen wollen, das kann die Champions League des Motorsports ganz gut gebrauchen. Es verspricht Hochspannung, vielleicht auch Kurzschlüsse.

Bei Red Bull Racing freuten sie sich zunächst, dass auf "Checo" Verlass ist. Immer dann, wenn die Strategen, die Technik oder Verstappen patzen, muss der zweite Mann da sein. Mehr aber darf er aber normalerweise nicht wollen, kein anderes Team betreibt diese Art Darwinismus so stark wie das britisch-österreichische Konzernensemble. Wer nach Nestwärme verlangt, würde hier einen Kälteschock bekommen. Perez hat den schon hinter sich, er weiß, dass er auf sich allein gestellt ist, und scheint damit immer besser klar zu kommen. Als es in der Qualifikation in Melbourne zu einem ominösen Unfall kam, mochte er die Schuld nicht bei sich sehen, sondern widersprach der offiziellen Sprachregelung und sah den Fehler bei der Rennwagentechnik. In Baku legte er nach: "Ohne diese Probleme würde ich die WM anführen."

Sergio Perez erlebt den besten Saisonstart seiner Karriere

Plötzlich ist die Chance für den 33-Jährigen da, den großen Champion zu überholen. "Der Druck war groß, aber ich habe geliefert", jubelte Perez nach dem zweiten Erfolg in Baku innerhalb von 24 Stunden, nachdem er auch den Sprint am Samstag schon für sich entschieden hatte. Am Kaspischen Meer durften die beiden in einer eigenen Umlaufbahn kreisenden Red-Bull-Piloten frei gegeneinander fahren, darauf wird Perez auch künftig pochen.

"Natürlich will Max den Titel gewinnen. Aber ich will das auch. Wir werden das weiterhin so hart tun, wie wir es nur können", kündigt der Herausforderer an, fügt dann allerdings wie auswendig gelernt hinzu: "Mit einem hohen Maß an Respekt." Brav nickte auch Verstappen dazu, der ein höchst ambivalentes Verhältnis zu seinem Teamkollegen pflegt, aber er setzt auf Aussetzer des Konkurrenten und die eigene Ausdauer: "Sergio hat einen großartigen Job hier gemacht. Doch entscheidend wird die Kontinuität sein."

Perez erlebt den besten Saisonstart seiner Karriere, was auch am hohen Anteil von Straßenrennen in der Anfangsphase liegt: "Ich habe drei Kinder zu Hause und würde nicht um die Welt reisen, wenn ich nicht daran glauben würde, dass ich Weltmeister werden kann. Darauf arbeite ich hin."

Das war auch im Vorjahr ähnlich und gipfelte im Sieg beim Großen Preis von Monaco. Danach ging es abwärts, auch im Verhältnis zu Verstappen. Der Niederländer fühlte sich durch einen Qualifikationsunfall von Perez an der Cote d'Azur absichtlich um den Prestige-Erfolg gebracht, und verweigerte dem Teamkollegen anschließend die Schützenhilfe auf dem Weg zum zweiten Platz in der Gesamtwertung, als er selbst schon als Champion feststand. Das fanden viele befremdlich, öffentlich über die Gründe aber darf nicht gesprochen werden. Alles längst vergessen, behaupten sie heute bei Red Bull. Aber Teamchef Christian Horner weiß: "Max besitzt das Gedächtnis eines Elefanten."

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