Formel 1:Ein Sieg wie ein Triumph

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Chancenlos: Lewis Hamilton (links) kommt Max Verstappen nur in den ersten Minuten des Rennens nahe. (Foto: Steven Tee/Imago)

Max Verstappen gewinnt den Großen Preis von Mexiko und baut seinen Vorsprung im Titelkampf vier Rennen vor Schluss aus. Er startet meisterhaft - danach ist sein Rivale Lewis Hamilton chancenlos.

Von Philipp Schneider, Mexiko-Stadt/München

Ein weiteres Mal sauste Sergio Perez hinein in die unwirkliche Kulisse des Foro Sol. Überall: Mensch an Mensch, Klatschpappe an Klatschpappe. Es gibt ja auf diesem Planeten einige Orte, die die Formel 1 zweckentfremdet, um Rennen zu veranstalten: den Hafen von Monaco, den Albert Park in Melbourne. Aber das Baseballstadion Foro Sol in Mexiko-Stadt, in dem die Tribünen riesenhaft auf der linken Seite aufragen, und wo Tausende Mexikaner traditionell eine Fiesta des Motorsports feiern, das ist eine Kulisse, die auch einen gestanden Rennfahrer vom Sitz fegen kann. In den Ohren des Mexikaners Perez erklang die Stimme seines Renningenieurs: "24 Runden noch zu fahren - du wirst ihn dir schnappen!"

Und so begann die Jagd von Sergio Perez, genannt "Checo", auf den siebenmaligen Weltmeister Lewis Hamilton.

Meter um Meter, Kurve um Kurve verkürzte er den Abstand, immer dichter raste er heran. Nach 61 von 71 Runden tauchte er formatfüllend in Hamiltons Rückspiegel auf. Aber die Piloten steckten fest im Verkehr, Lando Norris musste überrundet werden, George Russel und Fernando Alonso auch. Am Ende rettete sich Hamilton in die Rush Hour. Und Sergio Perez, der hatte weder das Wunder vollbracht, als erster Mexikaner der Geschichte einen Großen Preis von Mexiko zu gewinnen (was ihm sein Red-Bull-Team ohnehin nie erlaubt hätte). Noch hatte er es geschafft, seinem Teamkollegen und Chef-Piloten Max Verstappen wichtige Punkte zu retten, indem er Hamilton geschnappt hätte.

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Als kurz darauf Verstappen bei seinem bislang dominantesten Rennsieg der Saison vor Hamilton und Perez die Ziellinie überfuhr, fühlte sich dieser trotzdem an wie ein vollendeter Triumph: Sein Vorsprung im Titelkampf ist vier Rennen vor Schluss angewachsen: auf nun 19 Punkte. "Jetzt ist es Zeit für etwas Tequila!", forderte Perez umgehend.

Am Samstag noch hatte es so ausgesehen, als könnte es Mercedes gelingen, die Gesetze der Physik auszuhebeln. Das gesamte Wochenende lang waren die Silberpfeile Red Bull hinterhergehechelt. Die Höhenlage des Autódromo Hermanos Rodríguez auf 2200 Metern liegt dem Brauserennstall aus Österreich traditionell mehr als Mercedes. Dann aber, in der Qualifikation, schoben sich die Silberpfeile gemeinschaftlich in die erste Startreihe. Bottas kreiste schneller als Hamilton und eroberte die Pole Position. Die favorisierten Flitzer von Red Bull wiederum verfehlten die Plätze an der Sonne, weil sie ihr überlegenes Material nicht zur Höchstleistung trieben. Und weil der beim Tochter-Rennstall Alpha Tauri angestellte Yuki Tsunoda im falschen Moment unglücklich im Weg stand.

"Dritter ist nicht so toll, aber immer noch besser als von Platz zwei starten zu müssen", ahnte Verstappen. Er hoffte als Dritter auf den Windschatten, den ihm der vor ihm parkende Bottas gewähren würde und den Vorzug der weniger verstaubten Straßenseite. Und er sollte Recht behalten.

"Volle Attacke" sei der Plan für das Rennen, kündigte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko an: Eine Attacke auf der Länge von 811 Metern - so zieht sich der Anlauf zur ersten Kurve in Mexiko. Dann gingen die Ampeln aus. Und sogleich saugte sich Verstappen in den Windschatten. Hamilton kam am rasantesten vom Fleck, er schob sich rechts an der Seite seines Teamkollegen immer weiter nach vorne. Verstappen allerdings scherte bald aus und schoss links vorbei an Bottas, der ihm erstaunlich viel Platz ließ. Seite an Seite rasten die drei Piloten auf die erste Kurve. Als diese nicht mehr fern war, stiegen Hamilton und Bottas entspannt in die Bremsen - Verstappen jedoch fuhr noch ein paar Extrameter weiter, und nach einer extrem harten Bremsung war er vorbei an den zwei Silberpfeilen. Mit einem wahrlich meisterhaften Überholmanöver, bei dem er auf wundersame Weise noch die Kurve bekam.

Bottas wiederum musste sich später gut vernehmbare Kritik an seinem passiven Fahrverhalten anhören. "Ich glaube, man hätte ein bisschen besser verteidigen können auf der linken Seite", sagte Teamchef Toto Wolff. Und Hamilton befand: "Er hat offensichtlich die Tür offengelassen."

Das Unglück von Mercedes vervollständigte Daniel Ricciardo, der zu spät bremste und mit dem Frontflügel Bottas traf - der sich nun auf der Straße drehte. Das ließ kaum Platz für Mick Schumacher, Yuki Tsunoda und Esteban Ocon, die allesamt zum Opfer der ersten Kurve wurden. Nur der Franzose konnte danach weiterfahren. Das Safety Car rückte aus und bremste für vier Runden den Verkehrsfluss.

Jegliche vor dem Rennen gefassten Pläne von Mercedes waren so unmittelbar reif für den Papierkorb. Hatten doch alle Strategien die Grundannahme gemeinsam, dass Hamilton den Start nicht verlieren und sich Bottas als Bremsklotz Verstappens verdient machen würde. Stattdessen setzte sich der Niederländer nun an der Spitze mit überwältigender Leichtigkeit ab, nach sieben Runden war er Hamilton bereits zweieinhalb Sekunden enteilt. Der fuhr nun völlig auf sich gestellt im Puffer der zwei Red Bull, sein Teamkollege Bottas kreiste nach dem Dreher ganz am Ende des Feldes. "He's quick" rief Hamilton in sein Mikrofon, gemeint war Verstappen. Nach 14 Runden lag er schon fünf Sekunden zurück. Und von hinten rückte Sergio Perez immer näher heran.

Hamilton hatte keine Chance. Auch, weil er sich mit einem zusätzlichen strategischen Problem konfrontiert sah: Selbst die Option, Verstappen mit einem "Undercut", einem vorzeitigen Wechsel auf frische Reifen, unter Druck zu setzen, kam nicht in Frage: Weil die Gefahr drohte, danach möglicherweise hinter den viertplatzierten Pierre Gasly zurückzufallen. Der Franzose fährt einen Alpha Tauri, also ebenfalls für den Red-Bull-Konzern.

Nach 29 Runden wagte es Hamilton trotzdem. Der Stopp ging kolossal schief. Theoretisch. Er landete nicht nur hinter Gasly, sondern auch noch hinter Charles Leclerc im Ferrari. Doch anstatt den Titelkandidaten Hamilton auszubremsen, taten ihm beide Piloten den Gefallen, sich lieber auf ihren eigenen Kampf um Platz vier zu konzentrieren: Sie steuerten ebenfalls unmittelbar ihre Werkstätten an.

Mit Fahnen und Trompeten: Der drittplatzierte Sergio Perez wird von seinem Team und den Fans im Baseballstadion Foro Sol wie ein Sieger gefeiert (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Nach 34 Runden bog Verstappen ab, um sich neue Reifen zu besorgen - vorübergehend führte nun der Lokalmatador Perez das Rennen an. Das Baselballstadion Foro Sol kochte über, die Fans genossen jede Sekunde, in der auf der Anzeigetafel eine vergängliche Illusion aufflackerte: Ein Mexikaner führte ein Formel-1-Rennen auf dem Autódromo Hermanos Rodríguez an, wo niemals ein Mexikaner ein Rennen angeführt hatte. Die Trompeten schmetterten bis zu Runde 40 - dann kam auch Perez an die Box und sortierte sich wieder hinter Hamilton ein.

Die Dominanz Verstappens war so erdrückend, dass er höchstpersönlich versuchte, den ersten Versuch von Bottas auszubremsen, als dieser probierte, sich den Extrapunkt für die schnellste Runde zu schnappen. Das war mutig und kreativ. Aber im zweiten Anlauf gelang es Bottas doch noch.

Verstappen fragte im Funk: "Wie weit ist Checo hinter Lewis?". Der Renningenieur antwortete: "6,5 Sekunden - er wird ihn sich schnappen." Es war der einzige Irrtum von Red Bull an diesem Tag.

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