Formel 1 in Ungarn:Hamilton überrundet beide Ferrari

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Die Konkurrenz gekonnt abgehängt: Lewis Hamilton darf beim Großen Preis von Ungarn mal wieder durchgängig freie Sicht als Voranfahrender genießen. (Foto: AP)

Der Weltmeister demütigt die Konkurrenz mit einem Start-Ziel-Sieg auf dem Hungaroring. Verstappen gelingt mit Platz zwei ein kleines Wunder.

Von Philipp Schneider, Budapest/München

Im Formationsflug segelten die roten Rennwagen nebeneinander über den Hungaroring. Seite an Seite. Friedlich wie zwei weiße Tauben auf dem Weg zur Arche Noah. So etwas hatte man ja ewig nicht mehr gesehen: Die Kamera fing Sebastian Vettel auf der linken Seite ein, Charles Leclerc auf der rechten. 19 Runden waren gefahren am Sonntag beim Großen Preis von Ungarn - und was soll man sagen? Vettel fuhr einfach vorbei an seinem Teamkollegen. Kein Reifenkontakt. Kein Funkenflug. Kein abgerissener Heckflügel. Nicht einmal eine Stallorder war notwendig, es genügte die Einsicht der Piloten. Der Schnellere überholte den Langsameren, der in dieser Phase des Rennens den Nachteil hatte, dass ihm das Team die falschen Reifen übergezogen hatte: die ganz weiche Mischung, die sich nun nach und nach auflöste unter Leclercs Auto.

Die schlechte Nachricht für Ferrari: Vettel war nun Achter, Leclerc Neunter.

Mit der Entscheidung dieses dritten Rennens der Saison hatten die Piloten der Scuderia also mal wieder nichts zu tun. Es gewann - wie am Sonntag zuvor in Spielberg - Lewis Hamilton, der Rekordmann, der am Vortag die 90. Pole Position seiner Karriere vorgelegt hatte. Zweiter wurde Max Verstappen, der bis zur Zieldurchfahrt von Hamiltons Teamkollegen Valtteri Bottas gejagt wurde - und entkam. Was einem kleinen Wunder gleichkam: Er hatte seinen Red Bull auf dem Weg in die Startaufstellung in die Bande gerammt. Danach war sein Frontflügel demoliert, offenbar hatte es auch Teile der Rad-Aufhängung erwischt. Sechs Minuten vor dem Start, Verstappen saß schon hinter dem Steuer, zerlegten seine Mechaniker seinen Wagen noch seelenruhig in der Startaufstellung. Gerade rechtzeitig beendeten sie ihre Notoperation, die sich erstaunlich lohnen sollte.

Formel 1 in Ungarn
:Hamilton überrundet beide Ferrari

Beim Großen Preis von Ungarn siegt der Weltmeister überaus souverän - Ferrari fährt nur hinterher. Vettel und Leclerc werden sogar überrundet.

"Ich habe am Anfang gedacht, ich fahre dieses Rennen nicht. Dann noch Zweiter zu werden, ist wie ein Sieg", sagte er später. Und weil Bottas Dritter wurde und Lance Stroll mit seinem Racing Point als Vierter das Rennen noch vor Alex Albon im Red Bull und dem sechstplatzierten Vettel beendete, wird die Debatte über die Überlegenheit der Autos mit Mercedes-Motoren weitergehen: 26 Runden vor Schluss überrundete Hamilton den Ferrari von Leclerc; zwölf Runden vor der Zieldurchfahrt jenen von Vettel. Die Erniedrigung wäre wohl nur dann größer gewesen, hätte er ihnen dabei auch noch süffisant zugewinkt. "Ich hätte am Schluss gern mehr dagegengehalten", bilanzierte Vettel: "Im Moment ist es das, was möglich ist für uns."

Hektisches Wechselspiel direkt nach dem Start

Der Aufschrei war schon vor dem Rennstart riesig gewesen. Und das war irgendwie verständlich, wenn die Kopie (Racing Point) eines Originals (Mercedes) plötzlich um Längen besser ist als das zweite (Red Bull), dritte (Ferrari) und vierte Original (Renault). Vier Mercedes standen ganz vorne in Budapest: In der ersten Reihe die in dieser Saison in Schwarzpfeile umlackierten Silberpfeile. Dahinter die in Pinkpfeile umlackierten Silberpfeile des Vorjahres. So sieht das zumindest Renault.

Die Franzosen hatten vor einer Woche Protest gegen die Racing Points eingelegt, weil sie diese nicht nur für unrühmliche, sondern illegale Plagiate halten. Illegale, weil sie nicht ohne Hilfe von Mercedes, nicht ohne Zeichnungen und Skizzen konstruiert wurden, so der Verdacht.

Otmar Szafnauer, Teamchef von Racing Point, reagierte vor dem Rennen in Budapest erstmals etwas ungehalten angesichts der Copy-Paste-Debatte um seine Truppe. Sein Team kenne die Regeln und halte sich ganz genau daran, sagte Szafnauer. Sie hätten einfach ganz schlau abgekupfert, ohne dabei Unterstützung zu erhalten, was ja erlaubt ist. "Jedes Team macht Fotos von anderen Autos - sowohl die großen als auch die kleinen. Manche machen einfach einen besseren Job beim Kopieren beziehungsweise beim Integrieren von dem, was man durch die Bilder lernen kann." Er wollte wohl sagen: Auch so ein Kopierer will heutzutage fachmännisch bedient werden!

Weil es geregnet hatte, starteten die Piloten in Budapest mit Intermediates. Die Ampeln gingen aus, dann begann ein hektisches Wechselspiel. Bottas zuckte zu früh, kam danach ganz schlecht aus seiner Parkbucht. Die Ferraris hingegen verbesserten sich je um eine Position, wie Lance Stroll. Bottas wiederum fiel zurück von Position zwei auf sechs, Sergio Perez im zweiten Pinkpfeil von drei auf sieben. Geradezu sensationell startete Verstappen, der sich schon im ersten Umlauf von Rang sieben auf drei vorkatapultierte. Weil die Strecke schnell abtrocknete, ging nun ein großer Reifenpoker los. Innerhalb von drei Runden kamen fast alle Piloten an ihre Versorgungsstationen und ließen sich Trockenreifen anschrauben. Vettel verlor Zeit, weil er angesichts des heftigen Verkehrs in der Boxengasse nicht losrollen konnte.

Nach fünf Runden hatten alle Piloten gehalten und das Feld hatte sich geschüttelt. Bis auf Leclerc, dem Ferrari die weichste Reifenmischung angeschraubt hatte, rollten alle auf den mittelharten Pneus: Hamilton führte vor Verstappen, dahinter fuhren die Haas-Piloten Romain Grosjean und Kevin Magnussen, die davon profitierten, dass sie schon vor dem Start Trockenreifen aufgezogen hatten - und später wegen unerlaubter Funksprüche in der Einführungsrunde je einen Platz im Ranking verloren.

Nach zehn Runden gelang Bottas ein hübsches Überholmanöver bei Leclerc. Hamilton führte nun vor Verstappen, Magnussen, Stroll, Grosjean, Bottas. Auf Rang sieben und acht folgten die Ferraris. Bis zu einem Verbremser, den sich Vettel leistete: Plötzlich war Alex Albon im Red Bull vorbei - und Vettel Neunter. Seine Reifen waren aber nicht zu sehr geschädigt, um sich an Leclerc vorbeizuschieben.

Die Spannung speiste sich nun aus der Frage: Würde es noch regnen? Etwa zur Mitte des Rennens legten sich alle Teams fest: Würde es nicht. Sie behielten Recht - und hielten nur noch für Trockenreifen.

Und Hamilton? Seine Überlegenheit war so enorm, dass er kurz vor Schluss noch einmal rechts ran fuhr, ohne Not. Er ließ sich, Verstappen im Nacken wissend, frische Reifen anschrauben, um sich auch noch den Punkt für die schnellste Runde zu sichern. Dann gewann er zum achten Mal in Budapest. Acht Siege auf derselben Strecke hatte zuvor nur Michael Schumacher geholt - in Magny-Cours. "Ob ihr es glaubt oder nicht, ich musste trotzdem Gas geben", sagte Hamilton. Er klang fast so, als habe er ein schlechtes Gewissen.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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