Formel 1: Türkei:Quo vadis, Formel 1?

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Die Fia, Bernie Ecclestone und die Teams: Die Formel 1 könnte vor einem Umsturz stehen, weil grundlegende Verträge auslaufen und neue Kräfte in die Serie drängen.

René Hofmann, Istanbul

Die Reaktionen kamen umgehend, woran schon Einiges abzulesen ist. Am Dienstagabend gaben die News Corporation des australischen Medienunternehmers Rupert Murdoch und die italienische Investmentgruppe Exor bekannt, sich für die Formel 1 zu interessieren. Am Mittwoch sagte deren Vermarkter Bernie Ecclestone, 80, der Nachrichtenagentur Reuters: Die ganze Geschichte werde "von den Medien gespielt".

Das Finanzunternehmen CVC Capital Partners, dem seit sechs Jahren die Verwertungsrechte an der Rennserie gehören, teilte mit, die Anfrage sei "freundlich" gewesen, befinde sich aber noch in einem "sehr frühen Stadium". Die Formel1 stünde derzeit aber nicht zum Verkauf. Zumindest nicht die Mehrheit an ihr. Möglich, so die Botschaft zwischen den Zeilen, wäre aber wohl eine Minder- heitenbeteiligung.

Am Donnerstag wurde bekannt, dass die größten Teams in der kommenden Woche zu einem Grundsatztreffen zusammenkommen wollen. Schon am Freitag war das Thema ein Großes, am Istanbul Park Circuit, auf dem an diesem Wochenende der Türkei-Grand-Prix stattfindet (Qualifikation am Samstag um 13 Uhr/Rennstart am Sonntag um 14 Uhr deutscher Zeit). All das zeigt, wie viel Sprengkraft das Angebot für den Sport birgt.

Murdoch betreibt Pay-TV-Stationen. Exor-Präsident ist John Elkann, 35. Der Agnelli-Enkel ist außerdem Fiat-Präsident - und damit der höchste Ferrari-Kopf. Die italienische Firma wiederum stellt das traditionsreichste Formel-1-Team. Sollte der Einstieg tatsächlich zustande kommen, käme das einer Kontinentaldrift gleich.

Dann würden die Machtverhältnisse in dem Sport völlig neu geordnet, mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten. Allein schon die Ankündigung wirbelte deshalb viel Staub auf- und womöglich ging es nur darum. Denn dass ein derartiges Geschäft mit Pressemeldungen angebahnt wird, ist sehr ungewöhnlich.

Vorerst belegen die Meldungen nur eines: Dass die Formel 1 vor einem Umsturz stehen könnte. Bisher ähnelt sie - abseits der Rennstrecke - einem Tauziehen, bei dem sich drei Kräfte messen. Meist rangeln sie gegeneinander. Manchmal aber auch, in wechselnden Konstellationen, zwei miteinander gegen die dritte.

Die Technik und die Spielregeln gibt der Automobilweltverband Fia vor. Seit Oktober 2009 wird er vom Franzosen Jean Todt geführt. Zuvor stand ihm lange der Brite Max Mosley vor. Die Formel 1 ist die wichtigste Rennserie der Fia. Anders als bei vielen anderen Sportarten übt der Weltverband die Vermarktungsrechte nicht direkt aus oder vergibt sie in kurzen Abständen. Im Juni 2000 hat er sie an ein damals noch von Ecclestone allein kontrolliertes Firmengeflecht übertragen - mit einem Vertrag, der, um dem EU-Wettbewerbsrecht zu genügen, über hundert Jahre läuft, aber erst 2011 in Kraft treten sollte.

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:"Wir sind am Limit!"

Sperrstunde, eine Regel für lahme Enten, neue Reifen und zwei Knöpfe zum Überholen. Einige Piloten befürchten, dass die Technik zur Gefahr wird. Am Freitag beginnt die Formel-1-Saison - das sind die wichtigsten Neuerungen.

Jürgen Schmieder

Der Kontrakt gewährt das exklusive Recht, mit den Rennstreckenbetreibern Antrittsgelder zu verhandeln und den Fernseh-Stationen die Übertragungsrechte zu verkaufen. Beides ist ein äußerst lukratives Geschäft. Aus Zahlen, die im britischen Handelsregister aufscheinen, lässt sich hochrechnen, dass 2010 auf diesem Weg 1,3 Milliarden Dollar zusammengekommen sein könnten. Hergegeben hat die Fia die Rechte einst für 386 Millionen Dollar. Gemessen an der Laufzeit von hundert Jahren ein geradezu lächerlicher Preis.

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Allerdings wurde damals eine so genannte "Don-King-Klausel" ins Vertragswerk aufgenommen. Diese besagt: Die Rechte dürfen nur mit Zustimmung der Fia an einen neuen Eigentümer weitergereicht werden. Von derlei Abhängigkeiten und Verflechtungen wimmelt es in der Formel 1. Deshalb ist sie für Außenstehende so schwer zu durchschauen.

Die dritte einflussreiche Größe neben dem Schiedsrichter Fia und dem Vermarkter Ecclestone sind die Teams. Sie sind die eigentlichen Hauptdarsteller: Sie bauen die Autos und engagieren die Fahrer, die sich alle zwei Wochen dann auf der Rennstrecke duellieren. Ohne sie läuft in dem Theater nichts. So zumindest sieht es Luca di Montezemolo, inzwischen 63 und Präsident der Firma, für die er schon seit Juni 1973 in wechselnden Führungsrollen wirkt: Ferrari.

Das Team ist das einzige, das von Beginn der Formel 1 an stets antrat. Die Tradition bringt eine besondere Bedeutung. Ferrari und Monte Carlo - das sind die einzigen beiden unverzichtbaren Komponenten der Show, selbst Bernie Eccle- stone muss das zugeben.

Wie viel die Teams nach welchem Schlüssel von den Vermarktungseinnahmen bekommen, ist in einem komplizierten Vertrag niedergelegt, dem sogenannten Concorde Agreement. 2010 wurden rund 650 Millionen Dollar ausgeschüttet. Wer Erfolg hat, bekommt mehr. Auch die Erfolge der Vergangenheit fallen ins Gewicht. Im Vergleich zu den Konkurrenten kam Ferrari selten schlecht weg, aber das ist Montezemolo nicht genug.

Seit Jahren fordert er, dass die Teams einen größeren Anteil des Kuchens bekommen sollten. Das aktuelle Concorde Agreement läuft demnächst aus, was Montezemolo die Gelegenheit gibt, nachdrücklich für sein Anliegen zu werben. Bereits im Winter hat er gedroht, die Teams könnten die Vermarktung auch selbst initiieren, oder sich einen anderen Impresario als Ecclestone suchen. Es geht also um Geld. Und um Macht.

Auch auf die Regeln hätte Montezemolo gerne mehr Einfluss. Seine Firma verkauft immer noch viele Autos, die Acht- oder Zwölfzylinder-Motoren antreiben. Den Vierzylinder-Motor, den Fia-Präsident Jean Todt der Formel 1 ab 2013 als Zeichen der Sensibilität für den Umweltschutz verordnen will, lehnt Montezemolo deshalb mit Verve ab: "Der nächste Schritt ist dann der Einzylinder. Wir bauen doch keine Motorräder!", sagte er etwa der Fachzeitschrift auto, motor und sport. Das Beispiel zeigt, wo die Konflikt-linien aktuell verlaufen - und welch' flüchtige Allianzen der Kampf um die Macht mitunter hervorbringt.

Auch Ecclestone lehnt die geplanten neuen Triebwerke ab: "Der Motor passt nicht in die Formel 1. Er wird fürchterlich klingen und nicht das repräsentieren, was die Fans wollen: etwas Aufregendes, was für den Glamour des Grand-Prix-Sports steht", sagte er der Zeitung Die Welt. "Im schlimmsten Fall", so Ecclestone weiter, "könnte der Motor die Attraktivität der Formel 1 umbringen." Das wird garantiert nicht passieren. Aber über die Grenzlinien der jeweiligen Einflussbereiche wird gerade mächtig gefeilscht.

© SZ vom 07.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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