Formel 1:Rollenspiele

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Früher hieß es Piquet gegen Mansell und Senna gegen Prost, nun duellieren sich Sebastian Vettel und Mark Webber: Leidenschaftliche Duelle unter Teamkollegen haben in der Formel 1 Tradition.

René Hofmann

Die Zeit der Nadelstiche hat begonnen. "Mathematisch bin ich noch voll im Rennen", hat Sebastian Vettel am Donnerstag der Deutschen Presseagentur gesagt: "Ich werde weiter kämpfen." Am Tag zuvor war Mark Webber im italienischen Magazin Autosprint mit dem wenig schmeichelhaften Satz zitiert worden: "Vettel ist jung, das ist der einzige Unterschied." Der beste Weg, um jemanden einschätzen zu können, sei "die Konstanz der Resultate".

Zwei Unschuldlämmer: Sebastian Vettel und Mark Webber vom Rennstall Red Bull. (Foto: dpa)

Was die betrifft, steht der 34 Jahre alte Australier besser da als sein elf Jahre jüngerer Kollege im Team von Red Bull: Vor dem vorletzten Saisonrennen, das am Sonntag um 17 Uhr deutscher Zeit auf der Strecke in Interlagos in São Paulo startet, wird Webber mit 220Punkten in der WM-Wertung auf dem zweiten Platz geführt, 14 Zähler vor Vettel. Ferrari-Fahrer Fernando Alonso führt die Wertung mit 231 Punkten an.

Der Spanier kann relativ gelassen auf die finalen Runden gehen: Er ist die klare Nummer eins in seinem Team. Felipe Massa ist aus dem Titelrennen und hat angekündigt, der Tradition des Hauses Folge leisten zu wollen: Gerne werde er jeder Stallregie folgen und Alonso helfen. Bei Webber und Vettel ist der Fall nicht so klar. Das Team, für das sie fahren, kann sich immer noch nicht entscheiden, ob es alle Kräfte hinter einem bündeln will.

Bisher galt die Devise: Jeder darf fahren, wie er will, was in der Türkei zu einer folgenschweren Begegnung führte - als Vettel Webber überholen wollte, kollidierten die beiden und der Mannschaft entgingen wertvolle Punkte. Die Frage, ob es sich bei der Formel 1 um einen Team- oder einen Individual-Sport handelt, ist eine oft gestellte Frage. Eine eindeutige Antwort darauf haben noch nicht einmal die Protagonisten selbst gefunden.

Die Rennställe, von denen die Fahrer ihr Gehalt beziehen, verfolgen unterschiedliche Strategien: Bei Ferrari wird alles dem Erfolg der Marke untergeordnet, die britischen Teams McLaren und Williams haben dagegen bereits Titel verspielt, weil sie sich weigerten, eine klare Nummer eins zu bestimmen. Zum letzten Mal war das vor drei Jahren der Fall. Damals schnappte Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen im letzten Rennen Lewis Hamilton und Fernando Alonso den Titel noch weg; die McLaren-Fahrer hatten sich im Laufe der Saison mit ihrem immerwährenden Zwist gegenseitig viele Punkte abgejagt. Zwischen Vettel und Webber könnte es ähnlich kommen: Der eine will unbedingt der bisher jüngste Champion werden, der andere wittert spät in seiner Karriere noch einmal eine Chance, die vielleicht nie mehr wiederkommt. Freiwillig zurückstecken wird deshalb keiner.

Angesichts der Brisanz, die diese Konstellation birgt, gehen die beiden bisher sogar noch überraschend pfleglich miteinander um. Die Formel 1 hat schon ganz andere Team-Rivalitäten erlebt. Zwischen Nigel Mansell und Nelson Piquet ging das Gegeneinander einst so weit, dass der Brasilianer über den Briten verlauten ließ, dieser habe eine hässliche Frau. Als die beiden 1985 bei Williams fuhren und um den Titel kämpften, ließ Piquet beim vorletzten Saisonrennen in Mexiko, als Mansell an Durchfall litt, die Klopapierrollen aus der Team-Toilette verschwinden. Als im letzten Saisonrennen in Adelaide der Franzose Alain Prost den Titel für McLaren sicherte, entfuhr es Piquet: "Zum Glück ist wenigstens Prost Weltmeister geworden und nicht dieser andere."

Prost wiederum lieferte sich kurz darauf mit Ayrton Senna eine mehr als leidenschaftliche Stallfehde. 1988 gewannen die beiden für McLaren 15 der 16 Saisonrennen. Weil Prost Mühe hatte, mit dem unerschrockenen Brasilianer mitzuhalten, intrigierte er: Er ließ anklingen, er würde benachteiligt. Jean-Marie Balestre, ein Franzose und damals Präsidenten des Automobil-Weltverbandes Fia, schrieb daraufhin einen offenen Mahnbrief an Motoren-Ausrüster Honda. Meister wurde Senna letztlich doch.

Ein Jahr später kollidierten die beiden beim vorletzten Saisonlauf in Suzuka in Japan und rutschten von der Strecke. Senna ließ sich anschieben, wofür er von der Fia aber disqualifiziert wurde. Auf diesem Weg kam Prost zu seiner WM- Revanche. "Wie ein Krimineller" habe er sich damals behandelt gefühlt, schimpfte Senna. Als sich die Wege der beiden trennten, söhnten sie sich allerdings aus.

Wer ihm denn lieber sei als Weltmeister, Sebastian Vettel oder Mark Webber, wurde Red-Bull-Besitzer Dietrich Mateschitz von Spiegel online gefragt. Seine Antwort: "Das ist lediglich eine Geschmacksfrage, ob man lieber mit Jung-Siegfried oder mit Winnetou in den Krieg ziehen möchte."

© SZ vom 05.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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