Formel 1:Party-Crash bei Mercedes

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Sieger und Verlierer: Lewis Hamilton, r., und Nico Rosberg. (Foto: AFP)
  • Auf dem Weg zu seinem dritten WM-Titel drängt Lewis Hamilton Nico Rosberg rücksichtslos von der Bahn.
  • Eine Szene mit mehr als Symbolgehalt - sie dürfte einen bleibenden Schaden hinterlassen. Ob das Team so zusammen bleiben kann?
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Von Elmar Brümmer, Austin

Die Fähigkeit, die den Rennfahrer Lewis Carl Davidson Hamilton vor allem auszeichnet, ist die Kompromisslosigkeit bei allem, was er auf und neben der Rennstrecke tut. Es ist dieses kleine bisschen mehr an Unverfrorenheit, das den Unterschied macht zwischen einem, der dreimal Formel-1-Weltmeister ist, und dem anderen, der zweimal in Serie das Nachsehen hat, die Differenz zwischen ihm und Nico Rosberg. Bei der vorzeitigen Krönung des Champions im Großen Preis der USA war das schon in der ersten Kurve zu besichtigen. Hamilton ist im Kurveninneren knapp vorn, ehe der Deutsche gleichzieht. Dann knallen die Räder gegeneinander. Das mag nicht die entscheidende Szene gewesen sein für den vorzeitigen Titelgewinn des Briten, aber sie definiert die Zukunft des Mercedes-Werksteams: Der Segen in der silbernen Garage hängt mal wieder schief. So schief wie nie.

Nico Rosberg, der sich nicht zum ersten Mal als Hamiltons Opfer sieht, will nicht verraten, was er in dem Moment dachte, der die Beziehung der beiden endgültig zerstört hat. "Da muss ich aufpassen, das gibt eine Schlagzeile, so tief will ich nicht gehen", sagt er. Wer wem mehr Platz lassen muss, wie hart zu hart ist, das ist ewige Interpretationssache. Für Rosberg ging der Zweikampf "einen großen Schritt" zu weit, Hamilton gab an, es sei "keine Absicht" im Spiel gewesen.

Ein bisschen Bösewicht sein - das geht schlecht.

Will man den dritten Titelgewinn des Briten, der ihn auf eine Stufe stellt mit seinem Idol Ayrton Senna, wirklich mit dieser Kollision begründen? Man könnte es, denn es zeugt von höherem Risikobewusstsein, größerer Konsequenz, vielleicht auch von Rücksichtslosigkeit. Sicher aber auch von Instinkt und Wagemut. Zehn Runden vor Schluss - er lag auf Platz zwei hinter Rosberg und hatte den Titel damit noch nicht sicher - habe er in Austin gespürt, dass sein Moment da sei, führte Hamilton aus: "Der Titel war so nah, dass ich ihn schon riechen konnte. Da wusste ich: Jetzt!" Wenig später unterlief Rosberg ein Fahrfehler: Er kam mit zwei Rädern von der Piste ab und fiel zurück. Rosberg wusste selbst: "Ich hab's versaut."

Der 30 Jahre alte Hamilton polarisiert, wie es fast alle großen Piloten getan haben. Ein bisschen Bösewicht sein - das geht schlecht. Rosberg selbst hat es satt, immer der nette Junge zu sein, denn die gewinnen wirklich seltener in der Formel 1. Ob er am Ende des 16. WM-Laufs tatsächlich überlegt hat, den herannahenden Sebastian Vettel vorbeizulassen und Hamiltons Titelparty so zu crashen - die Antwort samt Tonfall und Körpersprache fällt nicht so eindeutig aus, wie sie klingen soll: "Nie und nimmer, mein Auto war kaputt!"

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Rosberg wirkte betroffener, als er nach dieser Niederlage sein müsste. Er spürt, dass er weiter an Boden verloren hat, auch intern. Die Szene vor der Siegerehrung, als ihm Hamilton lachend eine Sponsorenmütze zuwarf und der Wiesbadener sie zurückpfefferte, sie mag mit Emotionen zu tun haben. Aber es ist schlechter Stil. Der eine betet, der andere ist ein Häufchen Elend im Eck - die Stimmungslage bei Mercedes könnte unbalancierter nicht sein.

Zum gemeinsamen Mannschaftsfoto erschien Rosberg missmutig. Als Hamilton den Pokal, seinen Pokal, nach vorne stellte, stahl Rosberg sich davon. Auf die Frage, wie lange es in der sportlichen Beziehung noch gut gehen kann, druckst er ein lakonisches "Weiß nich'" heraus.

Es ist die Frage, die sich Teamchef Toto Wolff und Aufsichtsrat Niki Lauda stellen müssen. Die beiden verständigten sich auf die Sprachregelung "Das war ein unnötiger Schritt zu weit" zu Hamiltons Manöver in der ersten Kurve. Als Rosberg der Fahrfehler unterlief, der Hamilton in Front und zum Titel brachte, wurden die beiden aber beim Feixen von den Kameras erwischt. Wolff weiß: "Es ist natürlich ein entscheidender Moment für die weitere Beziehung der beiden." Er sagt: "Dass es einen Knacks gibt, darüber mache ich mir keine Gedanken." Er hofft: "Es sind Emotionen entstanden heute. Aber Nico wird sich über die Situation ärgern, über sich selbst. Dann wird er nachdenken und sich sammeln."

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Mit dem aufstrebenden Ferrari-Team unter Führung von Sebastian Vettel können sie bei Mercedes jetzt keinen internen Zwist gebrauchen. "Das muss diskutiert werden", fordert Rosberg dennoch. Für Lauda ist der Fall erledigt: "Lewis war zu hart, das passiert, er hat sich entschuldigt, no problem." Manager Wolff bereitet das Teamwork mehr Sorgen: "Wir haben die beste Fahrerpaarung für die Konstrukteurs-WM, und es ist Aufgabe des Teams, diese zusammenzuhalten. Unsere Garage darf sich nicht in zwei Hälften teilen."

Das aber könnte der Preis für die freie Fahrt sein. Direktiven gibt es nur in einer Hinsicht: Hamilton und Rosberg dürfen sich nicht - wie 2014 in Spa - gegenseitig ins Auto fahren. In Austin war es fast so weit, und die Gefahr, dass der frustrierte Rosberg seinen Kollegen künftig anders behandeln wird, ist allen Beteuerungen zum Trotz natürlich vorhanden.

Lewis Hamilton weiß schon, warum er lachend die Frage abgewehrt hat, ob er selber mal Teamchef werden will: "Mein Ziel war es, drei Titel zu gewinnen, wie es Ayrton getan hat. Ich weiß nicht, was jetzt als Nächstes kommt." Nico Rosberg bekommt am Ende dann doch noch eine Kurve richtig, zumindest verbal: "Ich würde mir keinen anderen Teamkollegen wünschen. Das macht es ja aus, es ist der Reiz an der Sache und eine gute Herausforderung, gegen einen der Besten zu fahren." Er sagt nicht: gegen den Besten.

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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