Charles Leclerc in der Formel 1:Immer nur Pech in der Rascasse

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Hofft endlich auf ein gutes Ergebnis auf seiner Heimstrecke: Charles Leclerc im Ferrari. (Foto: AFP)

Nach dem desaströsen vergangenen Jahr dürfen Charles Leclerc und Ferrari auf bessere Zeiten in der Formel 1 hoffen - doch ausgerechnet jetzt steht das Rennen auf seiner Heimstrecke an.

Von Anna Dreher, Monte Carlo

Dieser Blick auf das blau schimmernde Meer, auf die Yachten, die an die Felsen gebauten Betontürme - die skurril-schöne Kulisse Monte Carlos hat schon viele Reiche und Schöne angezogen. Aus diesen und anderen Gründen. Wer in der Formel 1 fährt, der glamourösesten Motorsportserie der Welt, gehört diesem erlesenen Zirkel selbst an. Seit jeher haben sich also immer wieder Piloten standesgemäß hier einquartiert. Die beiden derzeit Schnellsten zum Beispiel, Weltmeister Lewis Hamilton und Möchtegern-Weltmeister Max Verstappen.

Auf diesem engen, kurvigen, stressigen Circuit die Tricks und Tücken zu kennen, kann entscheidend sein. Den wirklichen Heimvorteil hat aber eigentlich nur einer: Charles Leclerc. Der 23-Jährige wurde im größten Stadtbezirk des zweitkleinsten Landes der Erde geboren. Nur hat ihm das in dieser Hinsicht bisher bemerkenswert wenig gebracht. Gar nichts genau genommen.

"Ich bin sehr aufgeregt. Das ist eine meiner Lieblingsstrecken. Hier zu fahren, ist besonders, weil ich hier geboren und großgezogen wurde", sagte Leclerc am Mittwoch bei der Pressekonferenz vor dem prestigeträchtigen Großen Preis von Monaco. "Aber ich hatte hier eine etwas harte Zeit die vergangenen Jahre, ich war leider ziemlich ohne Glück." Seine Aussage in Ergebnisse übersetzt: Noch nie hat er es in der Formel 1 an der Côte d'Azur in den letzten Qualifikationsdurchgang geschafft, in dem die begehrtesten Plätze der ersten Startreihen für das Spektakel am Rennsonntag (15 Uhr, Sky) ausgefahren werden. "Danke für die Erinnerung daran", sagte der Ferrari-Pilot und schob hinterher: "Wir werden alles dafür tun, um dieses Jahr Q3 zu erreichen." Leclerc und Monaco, da ist bisweilen schon von einem Fluch die Rede gewesen. Und wer will schon, dass das eigene Zuhause irgendwie verhext ist?

Ferrari darbt seit dem Erfolg von Kimi Räikkönen 2007 nach einem WM-Titel

2017, als er noch in der Nachwuchsserie Formel 2 fuhr und diese auch gewann, sah es zunächst nach einer vielversprechenden Beziehung zu seiner Heimatstrecke aus, auf der es auf ein besonders feinfühliges Ausreizen von Limits ankommt: Pole-Position und Führung. Die Zielflagge sah Leclerc aber weder beim Haupt-, noch beim Sprintrennen - ein Defekt am Auto und eine Kollision in der Rascasse-Kurve prägten sein Wochenende.

2018, in seinem ersten Jahr in der Königsklasse bei Sauber, begann der Grand Prix für ihn von Platz 14 und wurde durch einen Unfall beendet. Auch in seinem Premierenjahr bei Ferrari 2019 - in dem ihm sieben Starts aus der ersten Reihe und zwei Siege bei zehn Podestplätzen gelangen - war er nicht erfolgreicher: Er begann von Rang 15 und wurde im Duell mit Nico Hülkenberg in der Rascasse gestoppt, das Rennen war wieder einmal vorzeitig vorüber. 2020 fiel es wegen der Corona-Pandemie aus. 2021 macht die Formel 1 wieder im Fürstentum Halt, nicht mit einer großen Party wie sonst, aber immerhin 7500 Zuschauern sind pro Tag zugelassen.

Für Leclerc und Ferrari soll nun alles besser werden, in Monte Carlo und überhaupt. Der Rennstall sehnt sich seit dem Titelgewinn von Kimi Räikkönen 2007 nach einem Titel und sieht in dem Monegassen seinen nächsten WM-Anwärter. Der bisherige Saisonverlauf lässt nicht nur den Fahrer, sondern auch das Team auf bessere Zeiten hoffen. Leclercs Bilanz im SF21 liest sich ja wesentlich beruhigender als seine monegassische: Sechster in Bahrain, Vierter in Imola, Sechster in Portimao, Vierter in Barcelona. "Wir arbeiten sehr, sehr hart", beteuerte er nun und glaubt, Fortschritte auszumachen. "Ich kann es sehen, ich kann es im Auto fühlen. Ich bin nicht glücklich, um was wir kämpfen, und ich bin sicher, keiner von uns ist glücklich damit. Wir wollen nicht um Platz vier, fünf, sechs kämpfen. Aber wir machen einen guten Job, uns von der Saison 2020 zu erholen. Wir versuchen aufzuholen, aber das ist nicht einfach. Die Formel 1 ist ein komplizierter Sport."

Es herrscht tatsächlich wieder ein bisschen normales Flair: Beim Großen Preis von Monaco sind 7500 Zuschauer zugelassen - manche von ihnen wollen ein Foto mit Ferrari-Hoffnung und Lokalmatador Charles Leclerc. (Foto: Charles Coates/Motorsport Images/imago)

2020 schloss er als Achter ab, Sebastian Vettel im Jahr seines von Ferrari auf äußerst fragwürdige Art durchgeführten Abschieds als Dreizehnter. Nichts ging mehr. Renntempo und Reifenmanagement passten nicht, der Motor war nicht stark genug. Leclerc hatte das Fahren nicht verlernt, das Auto war ein Wettbewerbsnachteil. Sechster von Zehn - die Scuderia war so schlecht wie seit 1980 nicht. Aber kaum ist Vettel bei Aston Martin, läuft der Genesungsprozess. Ferrari ist Vierter, McLaren hat mit 65 Zählern nur fünf Punkte mehr. Nach dem Stopp in Barcelona vor zwei Wochen frohlockte die italienische Repubblica schon: "Aus der Hölle bis zu einem Platz an der Sonne: In einem Jahr hat Ferrari viel aufgeholt. Die Scuderia ist die drittstärkste Kraft dieser WM. Das Duo Leclerc/Sainz zeigt Resultate." Vettels Nachfolger Carlos Sainz ist Achter, Leclerc Fünfter - bei nach diesem Wochenende noch 18 geplanten weiteren Läufen. Darauf lässt sich aufbauen.

"Das Ziel", sagte Leclerc, "ist es immer noch, führend vor dem Mittelfeld zu sein. Aber wir sollten nicht zu viel davon träumen, mit Mercedes und Red Bull zu kämpfen, weil wir offensichtlich noch nicht auf diesem Level sind." Noch nicht - der Optimismus ist als unsichtbarer Co-Pilot wieder deutlicher zu spüren. Auch wenn das erfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte gerade entfernt vom Glanz vergangener Zeiten ist.

Selbst eine Frage nach einem Sieg in Monaco blockt Leclerc nicht ab: "Auf diesen Straßen habe ich den Bus zur Schule genommen, in dem Pool an der Strecke bin ich geschwommen - ich habe mein ganzes Leben hier verbracht. Vor meiner Familie, meinen Freunden und Lehrern zu fahren, ist sehr besonders, und es würde mir viel bedeuten, hier zu gewinnen." Als Kind hatte Charles Leclerc fasziniert Jahr für Jahr die Rennwagen über die Straßen Monte Carlos donnern sehen, inzwischen ziert er hier Plakate und überraschte am Donnerstag, als er die Tagesbestzeit im Training fuhr - vor Sainz, Hamilton und Verstappen. Und am Samstag ließ er die Tagesbestzeit im Qualifying folgen.

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