Das ging schnell. So schnell werden auch in der Formel 1 nur Verträge unterzeichnet, wenn die nötigen Vorgespräche schon vorher geführt worden sind. Keine 48 Stunden nach der Bekanntgabe der Scheidung zwischen Ferrari und Sebastian Vettel steht fest, wer sich ab kommender Saison auf seinem Fahrersitz festschnallen darf: Der Spanier Carlos Sainz junior, 25, derzeit noch in Diensten von McLaren, unterschrieb einen Zweijahresvertrag bei der Scuderia. Und auch Sainz' ab 2021 vakantes Cockpit wurde schon vergeben: Daniel Ricciardo, Vettels ehemaliger Teamkollege bei Red Bull, wechselt vom Renault-Werksteam.
Wie hatte Vettel 48 Stunden vorher gesagt? Er werde sich die Zeit nehmen, die er braucht, um nachzudenken, was in seiner Zukunft wirklich zählt. Sollte er vorgehabt haben, darüber zu sinnieren, ob eine Zukunft bei McLaren für ihn zählen könnte, so darf er diese Gedankenspiele nun einstellen. Vettels Optionen für einen Verbleib in der Formel 1 schwinden rapide.
Vettels Abschied:Donnerschlag bei Ferrari
Sebastian Vettel und sein Team geben sich kaum Mühe, Bedauern über ihre Trennung zum Saisonende vorzutäuschen. Der viermalige Formel-1-Weltmeister will nicht den Adjutanten seines Rivalen spielen.
Es ist ein kühler, geradezu machiavellistischer Handstreich, der Ferrari mit der Trennung von Vettel gelungen ist. Im offensichtlichen Bestreben, die stetige Unruhe im Rennstall zu besänftigen, hat Teamchef Mattia Binotto das Fundament für eine Hierarchie im Team geschaffen, mit der Ferrari den ersten Weltmeisterpokal eines Fahrers seit 2007 gewinnen soll. Einen "Zyklus des Sieges" strebt Binotto an, ab 2021 wird es aus Maranello nur für einen Piloten Windschatten geben: Charles Leclerc, den dann 23-jährigen Monegassen, der Vettel in seinem ersten Jahr bei Ferrari auf der Strecke die Rücklichter gezeigt hatte. Sainz jr. wird so dankbar sein für die Karrierechance, dass er sich begnügt, Leclerc zur Seite zu stehen - so wie Valtteri Bottas bei Mercedes Lewis Hamilton sekundiert und Alex Albon bei Red Bull Max Verstappen die Bühne überlässt. Um mit zwei sich gegenseitig von der Piste schießenden Betonköpfen Weltmeister zu werden, bedarf es schon eines der Konkurrenz überlegenen Autos wie jenes, das Nico Rosberg und Hamilton 2016 fuhren.
Wann baut Ferrari wohl mal wieder ein Siegerauto? Die ab 2022 greifende Technik-Novelle bietet theoretisch eine Chance. Allein: Es fehlt der Glaube! Und zwar an die Handwerkskunst einer Ingenieurstruppe, die vom Internationalen Automobil-Verband offiziell attestiert bekam, dass der Benzinfluss zu ihren Motoren im Vorjahr nicht allzeit regelkonform war. Es ist ja so: Ferrari war 2019 langsamer als Mercedes, obwohl geschummelt wurde. Dass diese Affäre nicht noch immer die Schlagzeilen bestimmt, hat Ferrari der Wucht eines Virus zu verdanken, das natürliche Zeitungsaufmacher zu Kurzmeldungen degradiert.
Vettel wird sich gut überlegen, ob er ein Engagement bei Renault in Erwägung zieht. Seine Freude am Fahren müsste stärker sein als sein Streben nach Titeln. Und ja: Bei Mercedes laufen die Verträge von Bottas und Hamilton Ende des Jahres zwar aus. Aber Hamilton hat als sechsmaliger Weltmeister ein klares Ziel. Er könnte im nächsten Jahr zum achtmaligen Titelträger aufsteigen und Michael Schumacher überflügeln. Dazu muss er zunächst einmal weiterfahren, im erfolgreichsten verfügbaren Team. Und dort braucht er nach den Betonkopferlebnissen mit Rosberg auch keinen Vettel an seiner Seite.