Sieben Kurven in der Formel 1:"Wie kann man so viel Pech haben?"

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Da steht das Auto neben der Strecke - und Charles Leclerc ist fassungslos. (Foto: HochZwei/Imago)

Ferrari erlebt eine Vollpanne, Fernando Alonso gibt niemals auf - und Max Verstappen hat noch zwei Ziele in dieser Saison. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer

Fernando Alonso

Wie sauer war der zweifache Weltmeister vor dem Rennen in Interlagos gewesen, nachdem in Spanien Gerüchte gestreut worden waren, er werde Sergio Perez bei Red Bull ersetzen. Wie froh war er nach seinem dritten Platz gewesen, im grünen Auto gesessen zu haben. Zwar war nach rundenlangem Abwehrkampf im vorletzten Umlauf zunächst Perez am Aston Martin vorbeigegangen, aber Alonso ist keiner, der aufgibt. Dafür hatte er zu lange gewartet auf das Comeback seines Rennwagens, zuletzt war er Anfang September auf dem Podium gewesen.

In der allerletzten Runde erkannte der 42 Jahre alte Branchensenior, dass Perez einen Tick zu spät in Kurve vier bremste: "Jetzt muss ich es probieren", sagte er sich. In einem typisch unkonventionellen Manöver versuchte er es außenherum - und war vorbei. Meisterhaft, und mit weiteren Konsequenzen: "Das gibt uns allen neue Energie." Auch Teamkollege Lance Stroll gelang für seine Verhältnisse mit dem fünften Rang ein kleiner Sieg.

Sergio Perez

(Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Der unglückliche Vierte von Sao Paulo sah ziemlich glücklich aus. Eine Woche nach seinem Startcrash beim Heimspiel in Mexico hat der von Startrang neun gekommene zweite Mann bei Red Bull Racing Wiedergutmachung betrieben. Das Duell im letzten Rennviertel mit Fernando Alonso hat der Welt gezeigt, was für ein guter Pilot der in die Krise geratene 33-Jährige eben doch ist. Diesmal wirkte das Rad-an-Rad-Duell mit Fernando Alonso nicht verzweifelt, und es zog sich bis zur Ziellinie hin. 0,053 Sekunden Rückstand, da wurde dann wie beim Pferderennen das Kamerabild vom Foto-Finish fällig.

Später umarmte er den großen Gegner Alonso und fügte an, dass es solche Duelle nicht mit jedem Fahrer im Feld geben könne. Gegenüber dem Rivalen um den Vize-Titel, Lewis Hamilton, hat Perez nun satte 32 Punkte Vorsprung. Der Mann, den sie "Checo" rufen, hatte schon zuvor Rückenwind durch Teamchef Christian Horner bekommen, der in Interlagos klargestellt hatte: "Es ist absolut klar, dass er im kommenden Jahr für uns fährt." Zu dieser Klarheit soll angeblich aber eine Ausstiegsklausel gehören, falls er nicht so abliefert wie im 20. WM-Lauf.

Max Verstappen

(Foto: Douglas Magno/AFP)

Sieg Nummer 17 in Rennen Nummer 20, der 52. seiner Karriere. Zahlen erklären die fortgesetzte Überlegenheit von Max Verstappen besser als Worte. Der Magier der Formel 1 liebt die Einsamkeit an der Spitze, gern mit ein paar Angriffsversuchen wechselnder Gegner, die er dann charmant abbügelt. Es sind noch zwei große Ziele, die der Niederländer in den verbleibenden beiden WM-Läufen ins Visier nimmt. Zum einen die Siegquote des Ferrari-Piloten Alberto Ascari, die in der Saison 1952 bei sagenhaften 75 Prozent lag. Zum anderen Sebastian Vettels 53 Siege, die Platz drei in der ewigen Liste der Königsklasse bedeuten würden. Der Heppenheimer hatte dafür zwölf Formel-1-Jahre gebraucht, Verstappen könnte es in deren neun schaffen.

Charles Leclerc

(Foto: HochZwei/Imago)

Die Lippen von Frederic Vasseur, dem Teamchef von Ferrari, formulierten lautlos die Ein-Wort-Bilanz für die Scuderia. Das leicht abzulesende "Merde" stieß der Franzose schon hervor, da war das Rennen noch nicht mal gestartet - aber Charles Leclerc schon in den Sicherheitsbarrieren gelandet. Vollpanne in der Formationsrunde, das ist eine ziemliche Schande. Der Monegasse hinterm Steuer war machtlos - erst hatte ihn die Elektronik, dann die Hydraulik im Stich gelassen.

Die Position neben Max Verstappen in der ersten Startreihe blieb frei, über Boxenfunk kam kein Fluch, nur noch Resignation war zu hören: "Wie kann man so viel Pech haben?" Kollege Carlos Sainz, der noch im Rennen war, schickte nach seinem verpatzten Start die Anweisung hinterher, dass man die Kupplung an seinem Auto am besten nach der Saison entsorgen solle. Der Spanier wurde am Ende Sechster, Ferrari hat im Duell um Rang zwei in der Konstrukteurs-WM nur zwei Zähler gut gemacht auf Mercedes - es hätte locker das Zehnfache sein können.

Interlagos

(Foto: Nelson Almeida/AFP)

Von den 24 Rennstrecken, auf denen in der kommenden Saison die Mammutsaison der Formel 1 gefahren wird, gebührt lediglich einem Drittel das Prädikat "hat Charakter". Das Autodromo Carlos Pace gehört dazu, Lewis Hamilton bezeichnet die kurze, wellige Piste von Interlagos als "ikonisch", gerade weil sie so unberechenbar ist. Trotz baulicher Mängel bleibt sie deshalb bis 2030 im Rennkalender, an diesem Wochenende ist der Vertrag vorzeitig um fünf Jahre verlängert worden.

Da kann ein Rennen außer am Start und kurz vor dem Ziel ruhig langweilig sein, kein Brasilianer dabei und das Auto des adoptierten Lieblings Lewis Hamilton außer Form - die 90 000 Zuschauer feiern, als hätte gerade ihr Idol Ayrton Senna gewonnen. Sie stürmen die Strecke schneller als die Tifosi in Monza, manche leider etwas zu schnell. Weil schon Fans auf der Piste waren, als noch ein paar Autos Richtung Box rollten, droht dem Veranstalter eine Strafe. Die Rennkommissare haben den Vorfall dem Weltrat der Automobilsportbehörde Fia gemeldet.

Mercedes

(Foto: Simon Galloway/Motorsport Images/Imago)

Langsam auf der Geraden, rutschend in den Kurven. Genauso gut hätte Lewis Hamilton nach seinem achten Platz in Sao Paulo auch sagen können: Das Auto ist ein Totalausfall. Die angemessenen Worte fand Teamchef Toto Wolff, der sichtlich geschockt war über den Absturz. Vor Wochenfrist noch erster Herausforderer von Max Verstappen, jetzt Opfer im Mittelfeld: "Das ist unentschuldbar. Es tut mir leid für die beiden Fahrer", erklärte Wolff. George Russell musste vorzeitig in die Garage rollen, was die Laune nicht verbessert hat. Zufall, dass ausgerechnet in dieser Woche die Trennung von Mike Elliott, dem Chief Technical Officer, bekanntgegeben wurde? Was von dessen Rennwagen zu halten ist, formuliert Wolff drastisch: "Dieses Auto verdient keinen Sieg."

Lando Norris

(Foto: Rudy Carezzevoli/Getty Images)

So nahe ist Max Verstappen schon lange niemand mehr gekommen wie der Brite. Beim Neustart des Rennens wollte der McLaren-Pilot die Revanche für die verlorene Spitzenposition im Sprint, und er kam auch ziemlich gut weg. Seite an Seite die Startgerade aufwärts, fast gleichauf, dann abwärts durch die Kurvenkombinationen attackierend. Ein paar Runden ging die wilde Jagd so, dann kam die Ermahnung durch die Box.

Norris hätte sich die Reifen ruiniert, wäre nie als Zweiter mit dem für diese Saison vergleichsweise geringen Rückstand von acht Sekunden ins Ziel gekommen. Der 23-Jährige war deshalb zufrieden, zurückgepfiffen worden zu sein: "Platz zwei ist das, was wir derzeit erreichen können. Aber ich bin froh, dass wir konstant um Podiumsplätze fahren." Viermal Zweiter in den letzten sechs Rennen, der Spätzünder des Rennjahres.

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