Formel 1 beginnt mit Tests:Krisenregion Auspuff

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Ist schön auch schnell? Und wie schnell ist hässlich? In der ersten offiziellen Arbeitswoche der neuen Formel-1-Saison gibt es einige Innovationen zu bestaunen. Die Debatten nach den Tests drehen sich vor allem um die Ästhetik der neuen Rennwagen - und die Frage, ob Weltmeister Vettel eingebremst werden kann.

Elmar Brümmer

Keine Formel-1-Saison ohne Technik-Trend mit neuen Fachbegriffen: Doppel-Diffusor, F-Schacht, blown Diffusor, das waren verwirrende, aber prägende Begriffe der vergangenen Jahre. Und es waren Ideen, für deren Umsetzung die Erfinder mit Weltmeistertiteln belohnt wurden. In der ersten offiziellen Arbeitswoche der Saison 2012, die am Freitag in Andalusien zu Ende ging, gab es Innovationen zu bestaunen. Im Fokus stehen die Frontpartien, die meisten Boliden haben einen Knick in der Fahrzeugoptik.

Als wolle er die Konkurrenz mit seiner eckigen Riesenschnauze aufsaugen - der neue Ferrari von Fernando Alonso bei den Tests in Spanien. (Foto: Getty Images)

Aus Sicherheitsgründen müssen die Rennwagen künftig an einem bestimmten Punkt - ungefähr zwischen Vorderachse und Cockpit - 55 Zentimeter hoch sein. So will es Artikel 3.7.9 aus dem technischen Reglement. Da die Frontpartie jedoch die Aerodynamik bestimmt, und deshalb möglichst flach sein sollte, haben neun der zehn auf dem Circuito de Velocidad vorgestellten Neuwagen eine mehr oder minder heftige und hässliche Stufe in der Fahrzeuglinie. Nur McLaren, das Team von Lewis Hamilton und Jenson Button, hat das komplette Auto so flach angelegt, dass es bei der harmonisch ansteigenden Frontpartie bleiben konnte. Aber ist schön auch schnell? Oder: Wie schnell ist hässlich? Die Antwort soll in den drei Testwochen bis zum Saisonstart am 18. März in Melbourne gefunden werden.

Trend heißt meist auch Trick, weshalb besonders innovative Schöpfungen wie der Champion-Rennwagen von Red-Bull-Konstrukteur Adrian Newey, in dem Sebastian Vettel 2011 seinen WM-Titel verteidigte, von der Konkurrenz mehr als argwöhnisch beäugt wurde. Aerodynamische oder mechanische Konstruktionen, die funktionieren, werden aber auch umgehend kopiert und extrem weiter entwickelt. Bis zu jenem Punkt, an dem ein weißhaariger Brite namens Charlie Whiting Einhalt gebietet.

Whiting ist der Technische Delegierte des Automobilweltverbandes FIA, ein Spielverderber. Der eigentliche Sport der Ingenieure ist es daher, seine Verbote zu umgehen. Während das Publikum derzeit von der Debatte über die Ästhetik der Frontpartien abgelenkt wird, findet das Ringen um Wettbewerbsvorteile anderswo am Auto statt. Konflikte gibt es rund um den Auspuff. Aber: Wer achtet bei Autos schon darauf, wie sie von hinten aussehen?

Die Güte eines Rennwagens entscheidet sich jedoch meist im, am oder unter dem Heck. Das geschickte Umleiten der Auspuffgase, einer der großen Vorteile von Vettels Siegerauto 2011, ist 2012 verboten. Eigentlich! Was übersetzt in die Mentalität der Konstrukteure bedeutet: Irgendwie erlaubt! Dementsprechend wurde während der Tests mit Auspuffrohren experimentiert, um auszuloten, wo die Grenze des Erlaubten liegt. Es gibt zwar - wie beim Frontknick - klare Vorschriften, wo der Auspuffausgang liegen muss, damit er möglichst nicht mehr als aerodynamisches Hilfsmittel für mehr Abtrieb und damit eine bessere Fahrzeughaftung am Boden genutzt werden darf. Aber wohin diese Gase dann austreten, wie sie genutzt werden, das bleibt Sache der Phantasie. Mit Schächten und Leitblechen kann möglichst viel der Energie doch wieder in Richtung von Heckflügel und Diffusor gelenkt werden.

"Man hat einfach weniger Grip"

Kaum waren die 2012er Rennwagen jetzt den ersten offiziellen Tests unterzogen, erschien Whiting in der Boxengasse. Er gab nach der Besichtigungstour seiner Verblüffung über den technischen Fortschritt in der Umgehung der Regeln Ausdruck: "Die Auspuffgase sind nun mal da, abschaffen können wir sie nicht. Nur ihren Einfluss auf die Aerodynamik können wir einschränken." Gravierende Regelverstöße stellte er nicht fest. Was von den Beteiligten als Freibrief angesehen wird. Von nun an werden sie es weiter treiben. Der Schweizer Sauber-Rennstall hatte erst am Montag sein Auto präsentiert - am Donnerstag hatte es bereits eine völlig andere Heckpartie.

Interessant wird sein, wie Vettels Konstrukteur Newey den Verlust des Wettbewerbsvorteils wettmachen will. Bis zu geschätzt drei Sekunden pro Runde hat die alte Auspuffvariante dem Red Bull gebracht. Die neue Vorschrift minimiert die Wirkung auf 20 Prozent. Newey weiß, dass die Regel gegen ihn und die Überlegenheit seiner alten Ideen festgezurrt wurde. "Man hat einfach weniger Grip", sagte Vettel nach seinem ersten Testtag, "man spürt das überall: beim Bremsen, Einlenken, Gasgeben".

Noch wird in dieser Testphase mehr verhüllt als enthüllt, manche Rennställe sollen gar mit Attrappen am Auto arbeiten. McLaren-Technikchef Paddy Lowe gibt zu, dass man sich genau ansehe, was die Konkurrenz treibt: "Man findet immer interessante Ideen." Lange wird es nicht dauern, bis Kopien auf dem Markt sind - und die erste Protestwelle rollt. Sobald Regeln Spielraum erlauben, sind sie nicht eindeutig. Aber das ist nun wirklich nicht neu in diesem Sport. So nimmt die Formel 1 schon lange vor dem ersten Rennen Fahrt auf.

© SZ vom 11.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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