Wellbrock bei der Schwimm-WM:Zerschellt an der Pflichtaufgabe

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"Er ist eine schlechte Technik geschwommen, sehr aufwändig, was man von ihm gar nicht kennt": Wellbrock in seinem 800-Meter-Vorlauf. (Foto: Francois-Xavier Marit/AFP)

800-Meter-Trauma, Teil III: Florian Wellbrock erlebt bei seinem ersten Beckenrennen in Fukuoka ein Déjà-vu: Erneut verpasst er das WM-Finale. Auch bei Olympia in Japan war das Unglück auf seiner Seite. Seine Reaktion: Ratlosigkeit.

Von Sebastian Winter, Fukuoka

Wenn Florian Wellbrock unzufrieden ist, weil etwas ganz und gar nicht so geklappt hat wie geplant, dann läuft er noch ein wenig schneller als sonst. Und so verfiel er fast schon in einen Spurt durch den langen Flur im Bauch der Marine Messe von Fukuoka, wo ein paar Menschen darauf warteten, dass er nun Antworten gab. Antworten darauf, dass Wellbrock, der in der ersten Schwimm-WM-Woche zweimal Gold im Freiwasser gewonnen hatte, nun in seinem ersten Beckenrennen über 800 Meter Freistil im Vorlauf als Neunter ausgeschieden war.

Wellbrock sagte "Moin", und lief dann einfach weiter, ohne weitere Erklärungen, ein weißes Handtuch hatte er um den Hals gelegt. Auf die Nachfrage, ob er später zurückkehre an die Mikrofone, sagte er: "Jo, vielleicht." Doch mittags teilte Christian Hansmann, der Leistungssportdirektor des Deutschen Schwimm-Verbandes, nur mit: "Florian kommt nicht mehr. Er muss das Rennen abhaken."

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Dem übertragenden Sender ZDF hatte Wellbrock noch am Beckenrand mitgeteilt: "Das ist nicht zufriedenstellend. Ich hatte eigentlich auf den zweiten, dritten Platz spekuliert. Ich hatte eigentlich einen ganz guten Einstieg ins Rennen, aber mittendrin hat so ein bisschen die Pace gefehlt."

Dass der Medaillenkandidat Wellbrock nun das 800-Meter-Finale verpasst, ist neben dem Vorlaufaus von Anna Elendt über 100 Meter Brust vom vergangenen Montag bislang die größte Enttäuschung für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) bei dieser WM. Elendt hüllt sich seither in öffentliches Schweigen. Dabei läuft es für die Deutschen in Fukuoka bislang insgesamt hervorragend, nach ihren in der Hakata-Bucht vor der Metropole errungenen vier Goldmedaillen hatten sie den WM-Medaillenspiegel angeführt, aktuell sind sie immer noch Vierter - vor Schwimmgrößen wie den USA und Italien.

Bange Blicke: Während sich Ahmed Hafnaoui (oben) und Lukas Märtens (rechts) problemlos als fürs 800-Meter-Finale qualifizierten, verpasste es Florian Wellbrock (links) als Neunter. In 7:45,87 Minuten war er sieben Hundertstel zu langsam. (Foto: Jo Kleindl/dpa)

Doch der 25-jährige Wellbrock muss nun dabei zusehen, wie sein Trainingspartner Lukas Märtens, der als Vorlaufdritter souverän ins Finale schwamm, das am Mittwochabend stattfindet, und all seine sonstigen Rivalen dort um Gold kämpfen. Auch Samuel Short, Bobby Finke, Mychailo Romantschuk, Gregorio Paltrinieri und Ahmed Hafnaoui hatten ja die Qualifikation gemeistert - von den Größen auf dieser Strecke schwamm nur Wellbrock daran vorbei.

"Er ist eine schlechte Technik geschwommen", sagt sein Trainer

Und natürlich tun sich nun Parallelen auf zur WM in Gwangju, Südkorea, wo Wellbrock vor fast auf den Tag genau vier Jahren ebenfalls Freiwasser-Gold gewann und dann über 800 Meter im Vorlauf ausschied - allerdings noch weitaus deutlicher mit einer indiskutablen Zeit. "Wir erleben hier eine Wiederholung des Ganzen, das ist schon ein bisschen frustrierend", sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn nun in Fukuoka. So richtig könne er sich das schwache Rennen seines Schützlings auch nicht erklären, das Training sei okay, Wellbrock erholt und entspannt gewesen. "Dann kommt er nicht richtig in seinen Rhythmus rein und am Ende steht da eine Zeit, die sieben Hundertstel zu langsam ist. Er ist ein bisschen hilflos, kann sich das nicht erklären."

Was Berkhahn aber schon zu Beginn der 800 Meter aufgefallen war: "Er ist eine schlechte Technik geschwommen, sehr aufwendig, was man von ihm gar nicht kennt." Es sah tatsächlich so aus, als wühle sich Wellbrock mehr als sonst durchs Wasser, und mit dieser fehlenden Leichtigkeit lag er bald hinter Märtens. Und er fiel weiter zurück. Auch sein Schlussspurt gestaltete sich eher verhalten, weswegen er letztlich den Wimpernschlag zu spät ins Ziel kam.

2022 in Budapest holte Wellbrock noch WM-Silber über 800 Meter

Ob die lange Pause zwischen den Freiwasserwettbewerben seinen Rhythmus gestört hat? Darüber kann man nur spekulieren, augenscheinlich aber ist, dass auch in Südkorea die WM mit den Freiwasserwettbewerben begann und erst in der zweiten Woche die Beckenrennen starteten. 2022 in Budapest war es andersherum - und Wellbrock gewann neben Doppelgold im Freiwasser drei weitere Medaillen, unter anderem Silber über 800 Meter.

Diese Strecke bleibt nun ein schwieriges Terrain für den Bremer, der in Magdeburg unter Berkhahn mit Märtens und auch Romantschuk trainiert. Bei den Olympischen Spielen in Tokio war er hinter Finke, Paltrinieri und Romantschuk auch nur Vierter geworden, obwohl er bis zur letzten Wende geführt hatte.

Die 1500 Meter liegen Wellbrock besser

Wellbrocks Gabe ist zugleich, schnell wieder aufstehen zu können nach einem solchen Misserfolg. In Tokio gewann er später Bronze im Becken über 1500 Meter und Gold im Freiwasser über zehn Kilometer, sein erster und bislang einziger Olympiasieg. Und in Gwangju wurde Wellbrock nach dem enttäuschenden Auftakt Doppel-Weltmeister über die 1500 Meter und die zehn Kilometer.

Am kommenden Wochenende stehen die 1500 Meter Freistil auf dem Programm, Wellbrocks Wohnzimmer sozusagen. Er habe im Aufwärmbereich schon erklärt, dass er nun umso stärker zurückkommen wolle, erzählte Berkhahn, der Trainer, der aber bekannte: "Das tröstet mich gerade wenig."

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